Dritte Liga:Traurige Ritter

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Zum Wegschauen: Der TSV 1860 München kassiert in Braunschweig den späten 1:1-Ausgleich, hier halten Phillipp Steinhart und Stephan Salger (vorne, v.li.) gegen Braunschweigs Brian Behrendt den Kopf hin. (Foto: Darius Simka/Imago)

Die Münchner Löwen sind bei den Braunschweiger Löwen das bessere Team, kassieren aber den späten Ausgleichstreffer zum 1:1-Remis.

Von Gerhard Fischer

Nach dem Spiel war deutlich zu erkennen, wer mit dem 1:1 glücklich und zufrieden war. Die Kicker des Klubs, der den schönen Vornamen Eintracht und den langen Nachnamen Braunschweig trägt, winkten ihren Fans zu, sie grinsten und strahlten. Dagegen schlichen die Spieler des TSV 1860 München mit hängenden Schultern und hängenden Mundwinkeln vom Rasen, und hätten sie Ritterrüstungen getragen, man hätte von einer verlorenen Schlacht gesprochen. Ihr Trainer Michael Köllner sprach mit schmalen Lippen in die Mikrophone. Bei der Pressekonferenz sagte er dann, das 1:1 sei "extrem bitter". Die Sechziger, die besser waren und den Ausgleich in der Schlussminute kassierten, versäumten es, in die Spitzengruppe der dritten Liga vorzustoßen.

Eintracht Braunschweig gegen 1860 München. Das ist ein Duell von zwei Klubs, die den Kosenamen "Löwen" tragen. Das ist ein Spiel von zwei Teams, die aufsteigen wollen. Und das ist ein Treffen von zwei Vereinen mit viel Geschichte und vielen Geschichten. Braunschweig war 1973 der erste Profiklub, der auf den Trikots warb, nämlich mit Jägermeister und dem Hirschen auf der Brust (Sechzig spielte übrigens kurz danach mit Frucade, einem Limonaden-Hersteller). Und man erinnert sich, dass die Münchner Löwen 1966 Meister wurden, die Braunschweiger Löwen 1967. Sie schossen damals bloß 49 Tore - nie gab es einen Bundesliga-Meister mit weniger Treffern. Trainer war damals Helmuth Johannsen.

Heute trainiert Michael Schiele die Eintracht, und dieser Schiele gilt eigentlich als Freund der Offensive. So war es erstaunlich, wie vorsichtig die Eintracht zumindest in der ersten Halbzeit spielte. Die Sechziger mussten oder durften das Spiel gestalten, und sie machten das gut. Köllner hatte Marcel Bär für Stefan Lex (Bank) und Erik Tallig für Quirin Moll (verletzt) gebracht, das gute, alte, jüngst wieder entdeckte 4-1-4-1-System aber beibehalten. Der schlaksige Bär stürmte also nicht an der Seite des nicht-schlaksigen Sascha Mölders, sondern auf dem linken Flügel, vor dem schlaksigen Phillipp Steinhart.

Die Gäste hatten das langweilige Abtasten nach einer Viertelstunde offenbar satt und erspielten sich ein paar Ecken, schlugen ein paar Flanken vors Tor und deuteten ein paar Kopfballchancen an, ehe es erstmals aufregend wurde im Eintracht-Stadion, das früher Städtisches Stadion an der Hamburger Straße hieß. Richard Neudecker, zuletzt genauso wiederentdeckt wie das 4-1-4-1-System, spielte einen brillanten Pass in den Strafraum und Bär hämmerte den Ball gegen die Latte.

Münchens Stürmer Marcel Bär spricht von einer "gefühlten Niederlage"

Der verletzte Verteidiger Marius Willsch sagte zur Pause im BR, seine Kollegen hätten eine "reife Vorstellung" abgeliefert. Es gebe keinen Grund, "in Hälfte zwei etwas zu verändern". Also blieb Stefan Lex, der gegen Viktoria Köln eine erfrischende Vorstellung abgeliefert hatte, zunächst auf der Bank. Als das Spiel wieder begann, sah man, wie er dort eine Banane aß. Im Internet heißt es, dass Bananen zu den energiereichsten Obstsorten zählen und viel Zucker enthalten, "weshalb die gelbe Frucht vor allem bei Sportlern beliebt ist." Köllner brachte den gestärkten Lex in der 65. Minute für den defensiveren Tallig, was man als Hinweis deuten durfte, dass die blauen Löwen gewinnen wollten, während die blau-gelben Löwen weiterhin auf Sicherheit bedacht waren wie ihre Urahnen von 1967, die Eintracht-Verteidiger mit den kurzen Nachnamen Bäse, Kaack und Matz. "Ohne Sechzig wär hier gar nichts los", sangen die Münchner Fans.

Ja, das war schon irgendwie richtig. Aber bisweilen - jedenfalls häufiger als vor der Pause - marschierten die Gastgeber doch in die Hälfte der Gäste, und sie hatten sogar zwei beachtliche Chancen (72. und 74.). Diese vereitelte der großartige Marco Hiller, der manchmal schneller reagiert als sein Schatten.

Dann wurde dieses gute, von Braunschweig aber sehr taktisch geprägte Spiel noch einmal turbulent. Neudecker traf im Eintracht-Strafraum Oberarm und Rippen von Michael Schultz, und Schiedsrichter Osmers gab einen Elfer, über den man streiten konnte. Mölders verwandelte souverän und lief strahlend auf die Kurve zu.

Braunschweig wechselte - endlich - offensive Spieler ein, bekam einen Freistoß, den Hiller neben das Tor lenkte, und danach eine Ecke, die Brian Behrendt mit Kopf, Schulter oder Nacken ins Münchner Tor beförderte. Marcel Bär sprach schließlich aus, was schon die Körpersprache der Sechziger nach dem Abpfiff gesagt hatte: "Es war eine gefühlte Niederlage für uns."

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