Dritte Liga:Selfies unterm Zeltdach

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"Als Geschäftsführer hatte ich genau ein normales Spiel, in der Regionalliga beim FC Augsburg II" - Max Kothny hat bei Türkgücü München turbulente Zeiten erlebt. (Foto: Ulrich Gamel/kolbert-press/Imago)

Türkgücü schafft gegen Viktoria Köln trotz Motivationsproblemen einen versöhnlichen Saisonabschluss und bastelt weiter an der Zukunft. Künftig sollen noch mehr Spiele im Olympiastadion ausgetragen werden.

Von Stefan Galler, München

Als Spiel und Saison am Samstag um kurz nach drei endlich zu Ende waren, kam es zur ungewohnten Annäherung: Die Spieler von Türkgücü München liefen zu ihren treuesten Fans. Immerhin 250 Zuschauer durften ja endlich mal rein in die riesige Betonschüssel Olympiastadion. Und so machte Sercan Sararer eifrig Selfies unter dem Zeltdach und ließ sich dazu ein Smartphone nach dem anderen von den Anhängern reichen. Torwart René Vollath und Ünal Tosun brachten Trainingsklamotten und Trikots unters Volk.

"Es ist schon eine andere Atmosphäre als in einem komplett leeren Stadion", sagte Linksverteidiger Kilian Jakob nach dem 1:1 (0:0) gegen Viktoria Köln. Ihm war das letzte Tor dieser ersten Drittligasaison der Münchner gelungen, ein gleichsam kurioses wie schönes: Zunächst traf Lucas Röser den Pfosten, dann kratzte Kölns Maximilian Rossmann einen Sararer-Schuss von der Linie, ehe Jakob im dritten Versuch mit voller Wucht zum 1:0 abschloss (54.). Nur neun Minuten lang durfte sich das Heimpublikum über die Führung freuen, dann kamen die Rheinländer zum Ausgleich, weil dem drei Minuten zuvor eingewechselten Marcel Risse ein ganz ähnlicher Treffer gelang: Kevin Holzweiler traf mit einem sehenswerten Lob die Latte, dann wurde Albert Bunjaku abgeblockt, Risse drosch den Ball aus 18 Metern in die Maschen (63.).

Vor allem im zweiten Durchgang war es ein munteres Spielchen, nachdem Türkgücü im ersten Durchgang enttäuscht hatte, was Geschäftsführer Max Kothny bei Magentasport in der Halbzeitpause deutlich ansprach: "Wie wir uns heute zeigen, hat es nicht jeder verdient, für Türkgücü nächste Saison dritte Liga zu spielen." Tags darauf relativierte Kothny gegenüber der SZ sein harsches Urteil angesichts der Steigerung in Durchgang zwei zwar, Werbung in eigener Sache habe aber in den letzten fünf sieglosen Partien dieser Saison keiner der Wackelkandidaten im Kader betrieben. Letztlich ging Türkgücü auf dem 13. Tabellenplatz durchs Ziel, sechs Punkte vor den Abstiegsplätzen.

Was wird aus Interimscoach Pummer? Knackpunkt ist seine fehlende Fußballlehrer-Lizenz

In dieser Woche sollen laut Kothny erste Personalentscheidungen fallen. Wie aus dem Vereinsumfeld zu hören ist, dürfen sich Ergänzungsspieler wie Torwart Maximilian Engl, Michael Zant, Furkan Kircicek, Mounir Bouziane, Benedikt Kirsch oder Alexander Laukart keine Hoffnungen auf eine Vertragsverlängerung machen. Bei Yi-Young Park (St. Pauli) und Atakan Akkaynak (Rizespor) laufen die Leihvereinbarungen aus. Dagegen wird Ersatzkeeper Franco Flückinger eine weitere Saison bleiben. Während Torwarttrainer Michael Hofmann bereits verlängert haben soll, ist die Zukunft von Assistenz- und Interimscoach Andreas Pummer noch offen. Das Problem ist weiterhin, dass der frühere Übungsleiter des FC Unterföhring keine Fußballlehrer-Lizenz hat und deshalb - wie in dieser Saison zweimal praktiziert - nur für 15 Tage in die Chefrolle schlüpfen darf. "Wir werden uns diese Woche zusammensetzen und nach einer Lösung suchen", kündigte Kothny an.

Pummer jedenfalls zog nach der Partie ein moderates Fazit: "Wir haben mit einem reduzierten Kader alles rausgehauen und einen versöhnlichen Abschluss erreicht." Es sei nach dem feststehenden Klassenerhalt in den vergangenen Wochen nicht einfach gewesen, "die Mannschaft zu motivieren und zu erreichen". Seine Bilanz dieser ersten Drittligasaison: "Wenn man neu in einer Liga ist, kann nicht jeder Schritt sitzen. Wir müssen uns in allen Bereichen verbessern, von der Außendarstellung bis zur Leistung auf dem Platz."

Geschäftsführer Kothny ärgert sich über die Pokalplanung des BFV: "Nicht weit genug gedacht"

Während sich nun also die meisten bayerischen Vereine neu ausrichten können für die kommende Spielzeit, muss Türkgücü zweigleisig planen, denn es geht noch um die Qualifikation für die erste DFB-Pokalrunde. Erst am 22. Juni bestreiten die Münchner ihr Viertelfinale im bayerischen Toto-Cup beim unterfränkischen Bayernligisten Abtswind. Für Kothny eine "höchst unglückliche" Planung des Bayerischen Fußball-Verbandes. "Neue Spieler kommen erst am 1. Juli, diejenigen, die uns verlassen, sind aber am 22. Juni schon weg. Da muss man sehen, dass man überhaupt den Kader vollbekommt", erläuterte Kothny. "Mit dieser Terminierung ist keinem geholfen, auch den Amateuren nicht, da hat der Verband nicht weit genug gedacht."

Der Verein stellt unterdessen alle möglichen Weichen für die kommende Saison. Kothny verriet am Wochenende, dass man alles daran setzen werde, das Olympiastadion in der neuen Saison zur hauptsächlich genutzten Heimspielstätte zu machen, zumal in den nächsten Wochen eine neue Rasenheizung eingebaut wird und man sich dadurch im Winter nicht mehr das strapazierte Geläuf im Grünwalder Stadion mit anderen Klubs teilen müsse. "Wir haben uns hier eingespielt, dieses außergewöhnliche Stadion gibt uns schon ein gewisses Heimatgefühl."

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