Dritte Liga:Neue Linsen

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Schulterschluss mit der Mannschaft: Unterhachings Trainer Arie van Lent mit Luca Marseiler und den anderen Spielern bei einer Trainingseinheit während der Woche. (Foto: Wagner/Imago)

Während sonst der TSV 1860 München für die Schlagzeilen vor einem Derby sorgt, herrscht diesmal bei der SpVgg Unterhaching Unruhe: Die Fans fordern den Rauswurf von Trainer Arie van Lent.

Von Stefan Galler, München/Unterhaching

Durchaus ungewöhnlich, dass im Vorfeld eines Derbys zwischen den Fußballklubs TSV 1860 München und SpVgg Unterhaching nicht bei den Löwen die große Aufregung herrscht, sondern beim meist so beschaulichen Klub aus dem Vorort. Ein offener Brief der wichtigsten Fangruppierungen hatte dort Anfang der Woche für Wirbel gesorgt. Die Anhänger der Rot-Blauen fordern im Zuge der aktuellen Negativserie der Mannschaft mit elf Drittligaspielen ohne Sieg und zuletzt sechs Niederlagen in Serie die Entlassung von Trainer Arie van Lent. "Um unseren Verein steht es dramatisch", heißt es in dem Schreiben. Da der Kauf neuer Spieler aus wirtschaftlichen Gründen kein Thema sei, gebe es nach Meinung der Fans für Präsident Manfred Schwabl nur eine Möglichkeit: "Stellen Sie Arie van Lent frei und suchen sie adäquaten Ersatz für seine Position!"

Und auch wenn sich der Verein hinter den Coach stellte und betonte, dass es falsch sei, "den Misserfolg ausschließlich am Trainer festzumachen", hat das Misstrauensvotum der Getreuen den Hachinger Übungsleiter durchaus betroffen gemacht: "Lustig ist so etwas nie", sagte van Lent am Donnerstag und äußerte Verständnis für diese Reaktion: "Durch Corona sehen die Fans nur die Ergebnisse, sie kommen nicht an die Spieler heran und können ihre Meinung nicht im Stadion artikulieren. Deshalb habe ich ein gewisses Verständnis dafür." Die enttäuschten Anhänger könnten aber sicher sein, dass er und seine Kollegen im Trainerstab "alle zu hundert Prozent dabei" seien.

"Wir lassen uns nicht abschlachten. Das zeigt, dass hier niemand gegen den Trainer spielt."

Ex-Löwe Christoph Greger, der nach einer Gelbsperre gegen seinen ehemaligen Verein in die Hachinger Abwehr zurückkehrt, nimmt den Fußballlehrer aus den Niederlanden in Schutz: "Wir verlieren immer mit nur einem Tor Unterschied und lassen uns nicht abschlachten. Das zeigt, dass hier niemand gegen den Trainer spielt." Van Lent bereite das Team Woche für Woche akribisch auf die anstehenden Aufgaben vor. "Aber auf dem Platz stehen dann wir und wenn wir wie zuletzt beim 1:2 in Duisburg nicht in der Lage sind, uns auf die langen Bälle von denen einzustellen und bei den Gegentoren vergeblich auf Abseits spielen, wäre es Schwachsinn zu sagen, dass das vercoacht wurde", sagte der 24-Jährige.

Nun hoffen sie, inmitten der Debatten genau den richtigen Zeitpunkt für eine Trendwende zu erwischen. "Wir haben lange nicht gewonnen und bei uns stehen einige frühere Sechziger im Team", sagt van Lent. "Es würde gut zur Gesamtsituation passen, wenn wir das jetzt alles raushauen könnten." Allerdings fehlen in Dominik Stahl (Kreuzbandriss) und Stephan Hain (anhaltende Knieprobleme) zwei der ehemaligen Löwen weiterhin verletzungsbedingt, ein weiterer - Moritz Heinrich - ist gelbgesperrt. Aber da ist ja auch noch Kapitän Markus Schwabl, der sowieso immer unter Strom steht: "Ja, Markus ist richtig heiß", bestätigt Greger. "Aber das Spiel ist für uns alle eine große Chance zu zeigen, was wir können."

1860-Coach Köllner ist mit den jüngsten Ergebnissen unzufrieden: "Wir spielen nicht gerade die Sterne vom Himmel"

Auch bei den Löwen haben sie natürlich mitbekommen, dass beim Lokalrivalen mächtig was los ist. "Vor einem Jahr dachte man noch, Haching würde vielleicht in die zweite Liga raufgehen", sagte Trainer Michael Köllner. "Da sieht man, wie schnell es im Fußball gehen kann." Zu den Fanprotesten gegen seinen Kollegen könne er sich kein Urteil erlauben, weil er die Trainingsabläufe beim Konkurrenten nicht kenne: "Die Fans haben natürlich Sorgen, dass es in der nächsten Saison dort keinen Profifußball mehr gibt."

Er selbst wolle mit seiner Mannschaft das Derby am Freitag (19 Uhr, Grünwalder Stadion) nutzen, um nach drei sieglosen Partien wieder in die Erfolgsspur zurückzufinden. "Derzeit spielen wir nicht gerade die Sterne vom Himmel, mit den Ergebnissen sind wir extrem unzufrieden", sagte Köllner, der sich jedoch von der Tabelle nicht beeindrucken lassen will, in der Sechzig zuletzt auf Rang sechs abgerutscht ist: "Es geht nicht darum wo du gerade stehst, sondern in welche Verfassung du dich bringst für den Saisonendspurt." Gegen Haching muss Köllner auf die gesperrten Marius Willsch und Stefan Salger verzichten, Alternativen gebe es genügend, wie der Übungsleiter ausführte: So dürften etwa Leon Klassen oder Niklas Lang auf einen Einsatz von Beginn an hoffen.

Und dann galt es noch zu klären, warum der Trainer der Sechziger zuletzt oft ohne Brille unterwegs sei, habe er sich womöglich die Augen lasern lassen? "In den Kopf wollte ich mir schießen lassen nach den letzten Spielen", erwiderte Köllner wie immer ohne Schalldämpfer. Der Grund sei, dass ihm wegen der "blöden Maske" immer die Brille beschlage. "Deshalb habe ich mir wieder Linsen verschreiben lassen." Mehr Aufregung gibt es derzeit offenbar nicht an der Grünwalder Straße.

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