Der Kampf um die künftigen Spitzenposten im organisierten deutschen Sport geht in die entscheidende Phase. Vor fast vier Monaten hat Alfons Hörmann, 61, nach der Kritik an seinem Führungsstil und einer Untersuchung der Ethikkommission angekündigt, im Dezember als Präsident des mächtig kriselnden Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) abzutreten. Seitdem herrscht hinter den Kulissen eine erbitterte Auseinandersetzung um die Nachfolge. Bisher hat sich noch kein Kandidat aus der Deckung gewagt. Aber ziemlich genau zwei Monate vor dem Wahl-Konvent in Weimar gerät nun einiges in Bewegung.
Nach Informationen der SZ ist am Montag im Namen von 14 Spitzenverbänden ein Brief versandt worden, in dem sich diese für den Tischtennis-Funktionär Thomas Weikert, 59, als neuen DOSB-Präsidenten aussprechen. Der Adressat des Schreibens ist Ingo Weiss, Sprecher aller Spitzenverbände und zugleich Mitglied in der Findungskommission. Signiert wurde das Schreiben unter anderem im Namen diverser Kern-Verbände des olympischen Sports wie Leichtathletik, Turnen, Rudern, Kanu und Fechten. Weikert selbst äußerte sich auf Anfrage am Montag nicht zu dem Vorgang und seinen Ambitionen. Aber spätestens jetzt steht der Rechtsanwalt aus Limburg als Kandidat für das höchste Amt im deutschen Sport im Ring.
Weikert gilt schon seit Längerem als Anwärter für den DOSB-Posten. Er war viele Jahre lang Chef des deutschen Tischtennis-Verbandes, ehe er 2015 zum Präsidenten der internationalen Tischtennis-Föderation ITTF aufrückte. Dabei fiel er nicht nur auf, weil er sich schon früh für eine umfassende Reform der Spitzensportförderung aussprach und als einer der ersten Verbandsvertreter für ein Anti-Doping-Gesetz votierte, sondern auch, weil er sich öffentlich klar gegen Hörmann stellte. In einem Konflikt um die Führungsposten der Trainerakademie hielt er ihm "nachweislich falsche" Aussagen vor - was der scheidende DOSB-Boss bestritt.
2018 lehnte Weikert eine Kandidatur gegen Hörmann ab
Schon bei der letzten regulären Präsidentenwahl des Sportdachverbandes vor drei Jahren galt Weikert als möglicher Hörmann-Herausforderer, doch damals lehnte er mit Verweis auf seine internationale Tätigkeit ab. Dafür trat Triathlon-Boss Martin Engelhardt an, der mit 15 zu 85 Prozent gegen Hörmann verlor. Doch über den Sommer zeichnete sich immer stärker ab, dass sich Weikert in einem schon lange schwelenden Kampf gegen seine ITTF-Konkurrenten nicht mehr durchsetzen kann und sein Präsidentenamt dort aufgibt - und er für den DOSB-Posten zur Verfügung steht.
Die Kandidatur ist eine mit langem Vorlauf. Der Kern des Verbändeverbundes, der Weikert jetzt unterstützt, hat sich schon vor einigen Jahren zusammengeschlossen, weil er mit dem Auftreten von Hörmann unzufrieden war. Doch nur selten wagte er sich so aus der Deckung wie Engelhardt bei seiner offenen Gegenkandidatur 2018. Seit Hörmanns Rückzugsankündigung ist diese Gruppe noch einmal größer geworden, nun will sie das Vakuum in ihrem Sinn nutzen. Aus dem 14er-Kreis ist zu hören, dass ihm erkennbar daran lag, eine Persönlichkeit zu finden, die aus dem Sport kommt - und nicht von außen, wie zum Beispiel ein früherer Politiker.
Damit ist im Machtkampf zwar ein Pflock eingeschlagen. Doch entschieden dürfte die künftige Besetzung des Präsidentenpostens mit diesem Vorstoß noch nicht sein. 14 Spitzenverbände hinter sich zu versammeln, ist zwar schon ein ordentliches Votum, zumal es sich um wichtige olympische handelt und mancher andere noch folgen dürfte. Insgesamt gibt es im DOSB 39 olympische und 27 nicht-olympische Spitzenverbände. Aber für die Mehrheit bei der Mitgliederversammlung reicht das noch nicht, und der organisierte Sport ist gerade tief gespalten und voller divergierender Interessenslagen.
Es könnte noch zu weiteren Kandidaturen kommen
Die bisherige Führungsclique um Hörmann dürfte ihre eigenen Vorstellungen zur künftigen Formation an der Verbandsspitze haben. Auch aus dem Kreise der Landessportbünde, also den Repräsentanten des Breitensports, wird noch mit einer Kandidatur gerechnet. Dazu kommt, dass alle sechs Posten im Präsidium neu gewählt werden und die Vorstandsebene um die Vorsitzende Veronika Rücker ihre eigenen Interessen hat, weil sie schwer angeschlagen ist. Nach der Prüfung der in einem anonymen Brief formulierten Vorwürfe ("Kultur der Angst") durch die Ethikkommission stand zwar der Präsident Hörmann im Fokus. Aber tatsächlich war der Bericht auch eine heftige Kritik an allen anderen Präsidiums- und Vorstandsmitgliedern.
Über allem schwebt zudem die Frage, wie sich Thomas Bach die Zukunft des deutschen Sports vorstellt, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, der weiter immensen Einfluss auf die nationale Sportpolitik hat. Dass für Hörmann nach jahrelanger Kritik ausgerechnet die Vorgänge im Sommer das Aus bedeuteten, lag auch an Bachs Distanzierung, die sich auf ein Zerwürfnis rund um die gescheiterte Olympia-Bewerbung von Rhein/Ruhr für die Sommerspiele 2032 zurückführen ließ.
Das formale Prozedere sieht vor, dass ein Düsseldorfer Personalberater und eine achtköpfige Findungskommission um den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) die Kandidaten auf ihre Tauglichkeit prüfen und ein Ranking erstellen sollen. Dieses Verfahren monierten zuletzt neun der Spitzenverbände, die nun Weikert unterstützen, in einem Brief an Sprecher Weiss. Sie fürchteten, dass in einem kleinen Kreis intransparente Vorentscheidungen getroffen werden könnten. Das allein zeigt, wie tief das Misstrauen im Sport weiter ist.