Spitzensportförderung:Kompromittierendes in Paragraf 18

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Karla Borger, hier beim Beachvolleyball in München 20222, ist seit knapp zweieinhalb Jahren Präsidentin von Athleten Deutschland. (Foto: Tom Bloch/Imago/Beautiful Sports)

Eindringlicher Appell des Vereins Athleten Deutschland: Das geplante Sportfördergesetz gefährdet die Unabhängigkeit der Athletenvertretung im deutschen Spitzensport - für die man jahrelang gekämpft hatte.

Von Johannes Knuth

Das sportpolitische Wort der vergangenen Woche war zweifellos: unabhängig. Darum kreiselt ja munter der Krach zwischen Bund und organisiertem Sport, die mal wieder eine neue Spitzensportreform aufspielen: Die Politik darf ihre 300 Millionen Euro dem organisierten Sport künftig gerne weiter bereitstellen. Wie diese ins Spitzensportsystem fließen, soll aber bitte eine, obacht, unabhängige Instanz entscheiden, eine sogenannte Sportagentur ohne Veto aus der Politik. So etwa hätte das vor allem der organisierte Sport gerne. Wobei man umgekehrt fragen könnte, wie unabhängig eine Agentur, die kompetent über den Spitzensport richten soll, eigentlich vom organisierten Sport sein kann?

Ganz schön große, offene Fragen sind das, wenn man bedenkt, seit wie vielen Jahren am deutschen Spitzensport geschraubt wird - und dass die Regierung diese Fragen vor dem Ende der Legislaturperiode im kommenden Jahr beantworten will. Dabei hat die Sportlervertretung, der Verein Athleten Deutschland, nun einen weiteren wichtigen Aspekt ins Spiel gebracht, der ebenfalls auf die Unabhängigkeit zielt - und zwar von jenen, um die es sich ja zuvorderst drehen soll: die Athleten.

Der Gesetzentwurf sei zu schwammig formuliert, finden die Athleten

Als der Verein Athleten Deutschland vor rund fünf Jahren seinen Grundstein legte, schritt er tatsächlich in die Unabhängigkeit, unter großen Mühen. Bis dahin waren Athletenvertreter in einer Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) organisiert, und die Zwänge empfanden viele Vertreter als zunehmend untragbar: Athleten, die in stressigen Spitzensportkarrieren steckten, sollten nebenbei und ehrenamtlich etwa eine Haltung zu russischem Staatsdoping entwickeln, mitsamt aller juristischen und ethischen Fragen. Das könne man auf Dauer nur leisten, forderten damalige Vertreter, wenn man sich professioneller aufstelle, mit hauptamtlichen Mitarbeitern etwa, und vor allem: unabhängig vom DOSB, der die Russland-Frage vielleicht ganz anders bewertet.

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Dass das - trotz großer Widerstände aus dem organisierten Sport - eine gute Idee war, zeigten die vergangenen fünf Jahre, in denen Athleten Deutschland viele Impulse einbrachte. Versteht man die jüngste Kritik des Vereins aber richtig, ist diese Unabhängigkeit in Gefahr. Denn im Entwurf des sogenannten Sportfördergesetzes, in dem die viel debattierte Sportagentur verankert werden soll, steht in den Paragrafen 18 und 20 ein interessanter Passus. Demnach soll der DOSB die Athletenvertreter in jene zwei Gremien "entsenden", die dem Vorstand der neuen Agentur zuarbeiten sollen. Zwar besetzen die Vertreter von Athleten Deutschland derzeit auch sämtliche Posten der Athletenkommission des DOSB, die neben dem Verein weiter existiert. Sprich: Es gibt gerade keine anderen naheliegenden Kandidaten. Aber so allgemein, wie der Gesetzentwurf gefasst ist, könnte der DOSB künftig schlicht die entsenden, die er für geeigneter hält. Oder: weniger unbequem?

Athleten Deutschland sieht es jedenfalls so: Der Entwurf "kompromittiert faktisch das Prinzip unabhängiger Athletenvertretung" und mache die Vertreter "abhängig vom guten Willen des DOSB". Athleten müsse das Bestimm-Recht vorbehalten bleiben, von wem sie vertreten werden - zu diesem Prinzip der sogenannten Vereinigungsfreiheit habe sich der DOSB im Rahmen seiner Menschenrechts-Charta selbst verpflichtet. Auf Nachfrage schreibt der DOSB, dass er sich bei den Verhandlungen mit dem Bund "für einen verpflichtenden Platz" für Athletenvertreter in den Gremien "eingesetzt und dies im DOSB-Präsidium nochmals mit einem gesonderten Beschluss einstimmig abgesichert" habe. Die Forderung von Athleten Deutschland, dass dieser Platz "explizit" der unabhängigen Athletenvertretung zugesichert werden müsse? Lässt der DOSB unkommentiert.

Aus Politikkreisen ist zu hören, dass man bei den fraglichen Plätzen natürlich an Athleten Deutschland gedacht habe. Allerdings könne sich die Repräsentanz der Sportler künftig wieder auf andere Art organisieren, dann müsste man das Gesetz immer wieder anpassen. Wobei die Frage ist, wie häufig in der Praxis dies geschehen könnte, bedenkt man, wie kontinuierlich der Verein in seiner jungen Historie gearbeitet hat, maßgeblich finanziert übrigens vom Bund. Der wollte, als er damals das Geld bereitstellte, ja vor allem eines fördern: kompetente und unabhängige Athletenvertreter.

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