DOSB-Mitgliederversammlung:Wenn der Sport hinterherhinkt

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Neu an der Spitze: DOSB-Boss Hörmann. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der DOSB wählt auf seiner Mitgliederversammlung Alfons Hörmann zum Nachfolger von Thomas Bach - doch es geht auch um die Haltung zu einem Anti-Doping-Gesetz. Der deutsche Sport bleibt dabei weit hinter der Politik zurück.

Von Johannes Aumüller, Wiesbaden

Da konnten die Verantwortlichen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) wirklich froh sein, dass bei ihrer Mitgliederversammlung niemand die spontane Idee hatte, seine Kandidatur fürs Präsidentenamt zu erklären. Ansonsten wäre es mit dem vorgefertigten gelben Wahlzettel schwierig geworden. Da war nämlich kein Platz für Namen vorgesehen, da standen nur die beiden Kästchen "Ja" und "Nein". Alfons Hörmann Ja oder Alfons Hörmann Nein, das war die Frage.

423 zu 25, so endete dann die Abstimmung, und danach durfte sich der 53 Jahre alte Unternehmer und Ski-Funktionär nach zahlreichen Wochen als designierter DOSB-Präsident nun endlich als ganz regulärer DOSB-Präsident fühlen. Oben auf der Bühne verfolgte er dann recht beitragslos den Rest des Tagesprogramms, zum Beispiel die Vorstellung des schönen neuen Markennamens. DOSB schreibt sich jetzt nämlich mit schwarz-rot-goldenem O; auch in anderen schönen Wörtern, in denen ein O vorkommt, soll das als Wiedererkennungsmerkmal dienen. Zum Beispiel in solchen Wörtern wie Sport, Faszination oder Emotion.

Oder wie zum Beispiel beim schönen Wort Creaton.

Wäre der deutsche Sport eine Partei oder eine Gewerkschaft, hätte dieses Wort Creaton am Samstag in Wiesbaden eine ganz zentrale Rolle gespielt. Über viele Jahre war Hörmann Vorstandsvorsitzender eines Tondachziegelherstellers mit diesem Namen; 2008 verhängte das Kartellamt gegen Unternehmen und Personen aus der Branche eine hohe Strafe wegen "wettbewerbsbeschränkender Absprachen".

Wahl zum neuen DOSB-Präsidenten
:Neuer Mann, neuer Ballast

Alfons Hörmann ist zum neuen DOSB-Chef gewählt worden, als Nachfolger von IOC-Präsident Thomas Bach. Viele hoffen auf einen Neuanfang. Doch der Kandidat schimpft über Olympia-Gegner, verharmlost das Dopingproblem - und schweigt zu Details eines Bußgeldverfahrens.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Der dickste Brocken, 66 Millionen Euro, entfiel auf Creaton. Das Verfahren ist bis heute nicht abgeschlossen, weil manche der Betroffenen Einspruch eingelegt haben. Doch dabei sind rund um die Person Hörmann, der die Beteiligung an Preisabsprachen bestreitet, viele Fragen offen.

Beim Empfang am Vorabend und in den Gesprächen auf dem Gang ist bei den Delegierten diesbezüglich ein gewisses Grummeln zu vernehmen. Doch im Plenum tut der deutsche Sport so, als ginge ihn das gar nichts an. So erfahren die Anwesenden in Hörmanns Vorstellungsrede zwar, dass der gebürtige Sulzberger seinen Besuch bei den Tanzsportlern in der vergangenen Woche sehr eindrucksvoll fand - Substanzielles zum Bußgeldverfahren hingegen nicht.

Er habe alles dem Rechtsausschuss beim Deutschen Skiverband vorgelegt sowie Herrn Thumann, dem Corporate Governance Beauftragten des DOSB, und es sei "klar herausgearbeitet worden, dass keinerlei Auswirkungen auf die Arbeit in der Spitzenorganisation zu erwarten sind". Wortmeldungen von Seiten der Delegierten gibt es nicht; konkrete Nachfragen von Journalisten will Hörmann nicht beantworten. Nur so viel: Vor zwei, zweieinhalb Wochen habe er das Präsidium des DOSB in Gänze über den Fall informiert.

Neben Hörmanns Wahl geht es in Wiesbaden vor allem um die Haltung des deutschen Sports zu einem Anti-Doping- Gesetz. Jahrelang verhinderte hierzulande eine Allianz aus Politik und Sport ein solches Werkzeug, das in anderen europäischen Ländern längst üblich ist. Doch inzwischen legt die Politik ein neues Tempo vor, das Thema steht sogar im Koalitionsvertrag von Union und SPD, und daher sieht sich der Sport mittlerweile merklich in der Defensive. Vor ein paar Wochen brachte er den Vorschlag ein, doch einfach alle bisher schon im Arzneimittelgesetz gültigen Bestimmungen in Anti-Doping-Gesetz umzubenennen. In Wiesbaden hantierte er plötzlich offensiv mit Vokabeln wie Dopingbetrug oder Sportbetrug.

Ein Fortschritt also? Nun ja. Erstens lehnt der deutsche Sport ein für viele Experten zentrales Element weiterhin ab, nämlich die uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit. Dieses Instrument würde es den Staatsanwaltschaften erlauben, schon bei der ersten gefundenen Tablette im Umfeld des Athleten zu ermitteln. Der Sport argumentiert hingegen, dass dies die Sportgerichtsbarkeit gefährde.

Und zweitens schafft es der Sport zwar, dauernd die Begriffe Sport- und Dopingbetrug zu benutzen - zugleich aber zu vermeiden, dass im konkreten Beschluss explizit die Forderung nach einem Straftatbestand Sport- oder Dopingbetrug steht. Gemäß des Papiers spricht er sich lediglich für "weitergehende strafrechtliche Regelungen einschließlich einer Kronzeugenregelung" aus. Eine weitergehende strafrechtliche Regelung kann vieles sein.

Damit bleibt der Sport weit hinter dem Koalitionsvertrag zurück. Die Delegierten stimmen - mit Ausnahme der Leichtathleten - dennoch zu, und der neue Präsident Alfons Hörmann meint, dies sei doch ein "nennenswerter Schritt" gewesen.

Immerhin ist es dem neuen DOSB-Chef vorbehalten, für zwei der letzten Lacher in Wiesbaden zu sorgen. Im Saal bei den Delegierten, als er mitteilt, dass der Kaffee-Automat repariert sei und es nun auch wieder Cappuccino anstelle des üblichen Sitzungskaffees gebe. Und wenig später in der Pressekonferenz bei den Journalisten, als er auf die Frage, ob es für die Wahl seines Nachfolgers als Skipräsident eigentlich mehrere Kandidaten gebe, sagt: Es wäre doch traurig, wenn es nur einen gebe.

© SZ vom 09.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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