Doping im Radsport:Vernehmung in Erfurt

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"Eingeweiht in die Dopingvorgänge": Zeuge Bernhard Kohl belastet den früheren Gerolsteiner- und heutigen Milram-Arzt Mark Schmidt konkret.

Andreas Burkert und Thomas Kistner

Berührungsängste bei zumindest zeitweise umstrittenen Sportmedizinern sind dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) eher fremd, so führt der Verband den Freiburger Doktor Yorck Olaf Schumacher als "Koordinator Medizin/Verbandsärzte". Er folgte damit, trotz einiger Auffälligkeiten, dem langjährigen Freiburger Olympiaarzt Georg Huber nach, der nach den Enthüllungen zu seiner Doping-Vergangenheit nicht mehr zu halten war im BDR-Nebenjob. Daher überraschte es, als zuletzt bei der Straßenrad-WM in Mendrisio BDR-Vize Udo Sprenger betont haben wollte, er habe zwar schon von Gerüchten gehört, der Arzt Mark Schmidt solle engagiert werden - dieser werde aber ganz bestimmt nicht bei der WM-Betreuung helfen.

Bernhard Kohl bei der Touzr de France 2008. (Foto: Foto: dpa)

Eine bemerkenswerte Abwehrhaltung gibt es demnach sogar beim BDR gegenüber dem Erfurter Sportarzt. Motive für solche Irritationen liefert jetzt erneut der österreichische Dopingkronzeuge Bernhard Kohl. In der in Wien erscheinenden Zeitung Kurier belastet der gesperrte und zurückgetretene Profi erstmals direkt Mark Schmidt, seinen früheren Arzt beim Team Gerolsteiner, der mittlerweile beim letzten verbliebenen deutschen Profirennstall Milram angestellt ist. Schmidt bestreitet kategorisch jedes Mitwirken sowie jegliche Mitwisserschaft.

Kronzeuge Kohl indes behauptet jetzt öffentlich, einmal habe die Eigenbluttransfusion gar im Hotelzimmer von Teamarzt Schmidt stattgefunden. Sein einstiger Helfer und Manager Stefan Matschiner habe an jenem Julitag 2008 im Tour-de-France-Quartier in Aurillac keinen Raum mehr buchen können. "Ich fragte Teamarzt Schmidt, wo wir am besten die Blutzufuhr veranstalten könnten. Mark bot sein Zimmer an", sagt Kohl im Kurier. Schmidt sei während der Prozedur zum Abendessen gegangen.

Kohl behauptet zudem, Schmidt sei grundsätzlich "eingeweiht in die Dopingvorgänge" gewesen. Manager Matschiner habe dem Teamarzt bei einem Hotelbesuch zuvor ein Blutmessgerät ausgehändigt. Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer hatte derlei strikt verboten, wie der Schwabe betont: "Bei uns waren nur noch Fieberthermometer und Blutdruckmesser erlaubt." Dennoch: Mehrfach, so Kohl weiter, seien die selbst gemessenen Werte zu hoch gewesen, dann habe der Arzt sein Blut "mit einer Kochsalzlösung verdünnt".

Kohl sagt außerdem, er habe zu Schmidt ein Vertrauensverhältnis aufgebaut, dabei sei irgendwann die Rede auf Doping gekommen. Kohl: "Er sagte: ,Logisch, dass man es machen muss.' Er sagte einmal, dass ich nicht der Einzige im Team sei, der Blutdoping fabriziere." Bei polizeilichen Vernehmungen in Wien hatte Kohl auch ausgesagt, Schmidt sei schon bei der Tour 2007 in seine "Dopingpraktiken eingeweiht" gewesen.

Schmidt weist Vorwürfe zurück

Der SZ lässt Schmidt nun mitteilen, dass er Kohls Vorwürfe nicht nur bestreite, sondern als "ausdrücklich falsch" zurückweise. Sein Vater und Rechtsvertreter Ansgar Schmidt erklärte: "Generell ist festzuhalten, dass mein Mandant keine Kenntnis von der Dopingpraxis des Herrn Kohl während der Tour 2008 hatte, weder Herrn Kohl oder Herrn Matschiner sein Zimmer zu Dopingzwecken zu Verfügung gestellt hat und Herr Matschiner meinem Mandanten kein Messgerät übergeben hat." Auch sei "eine Behandlung mit Kochsalzlösung nicht erfolgt".

Doch auch die Wiener Ermittler wünschen nun Klarheit in diesen Punkten. Aus ihren Beschuldigtenvernehmungen geht hervor, dass unter anderem gegen Schmidt sowie auch gegen den ehemaligen Schweizer Profi Markus Zberg "Auslandsermittlungen bzw. Rechtshilfeersuchen eingeleitet" werden. Die Erfurter Staatsanwaltschaft hat das Wiener Ersuchen bereits auf dem Tisch, Oberstaatsanwältin Annette Schmitt bestätigt der SZ: "Herr Schmidt wird hier aufgrund des Rechtshilfeverfahrens vernommen."

Derweil hat Milram-Boss Gerry van Gerwen wegen Schmidt erneut seinen Anwalt kontaktiert. Nach Bekanntwerden erster vager Vorwürfe gegen den Rennarzt im Frühjahr hatte sich van Gerwen eine Erklärung von Schmidt unterschreiben lassen, dass er mit der Sache nichts zu tun habe - sollten jedoch weitere "konkrete Vorwürfe" auftauchen, werde Schmidt eine Eidesstattliche Versicherung nachlegen. Diese würde van Gerwen nun gerne sehen, der Holländer sagt: "Das muss jetzt der Anwalt klären: Kommt diese Eidesstattliche Versicherung für Schmidt in Frage?"

Schmidts einstiger Arbeitgeber Holczer hält sich noch bedeckt: "Da warten wir sehr interessiert, was bei den Ermittlungsbehörden rauskommt."Allerdings vermute er bei Kohl einen "ziemlich hohen Wahrheitsgehalt".

© SZ vom 12.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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