Im Fußball ist das Doping-Problembewusstsein seit jeher rudimentär. Ärzte in diesem stark pharmaziebedürtigen Sport argumentieren gern mit einem Bauerntrick: Balltechnik und Taktikverständnis könne Arznei ja nicht verbessern. Nur nutzt die beste Taktik und Technik keinem was, der im athletischen Hochtempofußball nicht auch körperlich mithalten kann. Und weil die Branche, wie zuletzt im Fall der verspätet erfolgten Dopingtests zweier Hoffenheimer Spieler, noch immer nicht weiß, dass es nur weniger Handgriffe und Sekunden bedarf, um eine positive Urinprobe in eine negative zu verwandeln, beunruhigt die Häufung von Ungereimtheiten bei Bundesliga-Test in jüngster Zeit.
Erst am Freitag musste der DFB im Fall der Hoffenheimer Kicker Ibertsberger und Janker zurückrudern. Gegen die Profis, die nach der Gladbach-Partie am 7. Februar regelwidrig "nach Spielende unbeobachtet in ihre Umkleidekabine gelangen und sich dort einige Minuten ohne Aufsicht aufhalten konnten", werde nicht mehr ermittelt, so der DFB. Vielmehr liege ein "schwerer Pflichtenverstoß" Hoffenheims vor: Der Klub habe die Spieler "nicht über die Kontrolle informierte und nicht in den Kontrollraum geführt". Die Strafe folgt nach.
Weil diese DFB-Testpraxis aber im Grundsatz ein krudes Kontrollverständnis offenbart, wenn Klubs das eigene teure Personal beaufsichtigen sollen, korrigiert der DFB eilig - ohne es groß herauszustellen - ein eigenes Versäumnis. Künftig müssen unabhängige Begleiter, so genannte Chaperons, zum Test ausgewählten Spieler in Manndeckung nehmen - so, wie es die Standardforderung der Nationalen Antidoping-Agentur Nada vorsieht: Laut Regel 3.2.2. darf das Kontrollpersonal "in keinem Interessenskonflikt zum Ergebnis der Probenahme" stehen. Es war bisher also grotesk, dass Ärzte oder Pfleger eigene Profis kontrollierten.
Der eine Brand ist nicht gelöscht, lodert schon der nächste auf: Beim Trainingstest Oktober 2008 in Gladbach soll Teamkapitän Filip Daems 45 Minuten zu spät zur Urinabgabe erschienen sein. Laut offiziellem Proben-Protokoll lief damals alles sauber ab, aber dann überlegte es sich der Kontrolleur anders. Als er den Job bei der Dopingkontrollfirma PWC verloren hatte, brachte er ein Papier in Umlauf, das auf die Verspätung hinwies. Daems räumt diese sogar ein, er habe sich "erst behandeln lassen und dann die Probe gemacht". Doch sei alles korrekt abgelaufen, "das hat mir der Kontrolleur bestätigt", sagte Daems am Samstag. PWC-Geschäftsführer Laakmann sagte im ZDF, er kenne dieses spätere Protokoll länger, habe aber auf eine Meldung an die Nada verzichtet, weil er es für einen "Racheakt" des entlassenen Arztes hielt. Sonntag versicherte Laakmann der Nada, die Entlassung des Kontrolleurs habe nichts mit dem mysteriösen Gladbach-Test zu tun gehabt, sondern mit genereller Unzuverlässigkeit.
Das aber reicht der Nada, die offenbar immer noch gern übergangen wird, zur Klärung des Vorgangs nicht aus. Sprecherin Ulrike Spitz: "Wir müssen lückenlos verifizieren, was dran ist der Sache. Ob der Kontrolleur bei der Behandlung des Spielers ständig dabei war, und wie es zu dem späteren Schreiben kam." Zumal das Memo ja lange vor dem Fall Hoffenheim entstand. Auch klingt das Motiv Rache eher diffus: Wem mochte der gefeuerte Kontrolleur schaden, indem er eigene Verfehlungen aufdeckt?