Doping-Affäre in Erfurt:Vor Olympia steigt der Druck

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Rund 30 Sportler ließen am Olympiastützpunkt in Erfurt ihr Blut mit UV-Licht bestrahlen - eine bizarre Maßnahme, die aus dem DDR-Staatsdoping überliefert und peinlicherweise auch mit Bundesmitteln finanziert worden ist. Jetzt fordert der Sport, die Justiz solle die Affäre bis zu den Spielen in London beenden.

Thomas Kistner

Es ist wieder Olympia-Jahr, in London stehen Sommerspiele an, die nationalen Medaillenschmieden erhöhen die Betriebstemperatur und die Funktionäre, klar, gehen an ihre Hochrechnungen bezüglich der vaterländischen Leistungseffizienz im Weltvergleich. Bei alldem wird eines immer lästiger: diese dumme Sache am Olympiastützpunkt Erfurt.

Ohne konkrete Ergebnisse ist die Sitzung des Sportausschusses zum Thema Erfurter Blutmanipulations-Affäre zu Ende gegangen. (Foto: dapd)

Rund 30 Sportler ließen dort ihr Blut mit UV-Licht bestrahlen, eine reichlich bizarre Maßnahme, die aus dem DDR-Staatsdoping überliefert und peinlicherweise auch jetzt mit Bundesmitteln finanziert worden ist.

Seitdem tobt ein Glaubenskrieg um die Frage, ob diese Methode der (ja nicht auf breiter sportärztlicher Basis erörterten) Blutentnahme, -bestrahlung und -rückführung Doping ist; oder ob sie sportjuristisch irgendwie haarscharf vorbeigelotst werden kann am Geist der internationalen Dopingregeln, die Eingriffe in den Blutkreislauf per se als manipulativ erachten. Dieses Thema belastet den nach London schielenden Sport.

Also wird jetzt Druck gemacht. Der Sport selbst fordert, die Affäre Erfurt solle bis zum Spiele-Beginn geklärt sein, auch Politiker im Sportausschuss haben diesen Wunsch geäußert. Wie darüber im traditionell sport- und medaillenaffinen Bundesinnenministerium gedacht wird, braucht keiner gesonderten Erwähnung, so kurz vor einem nationalen Großauftritt. Überdies begehrt der Deutsche Leichtathletik-Verband Einblick in die Ermittlungsakten.

Nun sieht sich die Staatsanwaltschaft bemüßigt, die Aufregung mit klaren Worten runterzupegeln. Man werde die Ermittlungen nicht abschließen, nur "wenn Verbände oder andere Personen das wollen", teilt der Staatsanwalt mit. Recht hat er.

Rechtssicherheit geht vor Startsicherheit in London; zur Not muss der Sport die Unwägbarkeiten ertragen, die er sich ja selbst eingebrockt hat an einer Einrichtung namens Olympia-Stützpunkt. Zeitdruck von der Politik auf die Justiz ist prinzipiell verdächtig - das führte schon 2005, bei der fußballinternen Blitzsäuberung um den Schiedsrichter-Betrüger Robert Hoyzer, zur Fokussierung auf just diesen einen Sünder. Der Gründlichkeit diente das nicht.

Was aber den Einblick für Verbände in staatliche Doping-Ermittlungsakten angeht: ein heikles Thema. Auch wenn das für den DLV eher nicht gilt, es hängen doch viele Verbände ab von ihrer Handvoll Helden. Und deren Nähe zu den Funktionären ist in der Regel größer als der Wille des Verbandes, Doping ohne Rücksicht auf Verluste zu bekämpfen.

© SZ vom 04.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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