DFL:Watzkes Wunschzettel

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Wird bald aller Wahrscheinlichkeit nach ständiger Begleiter der deutschen Fußball-Nationalmannschaft: Rudi Völler (rechts), hier mit Hans-Joachim Watzke. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Beim Neujahrsempfang der Deutschen Fußball-Liga will Aufsichtsratsboss Hans-Joachim Watzke die "Home-Office-Mentalität" vertreiben. Für das kommende Jahr präsentiert die DFL eine ambitionierte To-do-Liste.

Von Philipp Selldorf, Frankfurt am Main

Der deutsche Profifußball hat es zurzeit nicht leicht. Nach der für manchen Klub existenzbedrohenden Corona-Krise spürt die Branche nun die Folgen des Ukraine-Kriegs, mancher Traditionsverein mit großem Publikum hat sich im Notbetrieb eingerichtet, während die steinreiche englische Konkurrenz in den deutschen Spielerkabinen nach Belieben neues Personal rekrutiert. Auch die Nationalmannschaft hat als Repräsentant der Liga zuletzt keine gute Werbung für den heimischen Fußball gemacht, der DFB sieht sich einer nicht endenden Daseinsdebatte ausgeliefert, und die Standesorganisation DFL muss nach der mühsamen Suche nach einem Ersatz für den langjährigen Chefideologen Christian Seifert gleich die nächste Nachfolgediskussion führen.

In den Genuss, als Hausherrin die Gäste beim Neujahrsempfang begrüßen zu dürfen, ist Seiferts Nachfolgerin Donata Hopfen nicht mehr gekommen. Vor sechs Wochen erhielt sie ihre Abberufung vom Posten der Geschäftsführerin, an ihrer Stelle hießen am Dienstag die kommissarischen Chefs Oliver Leki, SC Freiburg, und Axel Hellmann, Eintracht Frankfurt, die aus dem ganzen Land herbeigereisten Besucher in einer Offenbacher Veranstaltungshalle willkommen.

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Kommentar von Philipp Selldorf

Den Eindruck von, siehe oben, bedrückter Stimmung wollten die führenden Herren der DFL aber nicht aufkommen lassen. Beim traditionellen Jahresmeeting der Ligen und ihrer Geschäftspartner regierten die trotzigen Töne und der Zweckoptimismus. Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke, momentan der tonangebende Mann im deutschen Fußball, nahm in seiner Begrüßungsrede ausdrücklich Abstand von den kritischen Momenten der Gegenwart und listete seinen persönlichen Wunschzettel auf - "einfach mal ein paar Wünsche, vielleicht geht ja was in Erfüllung", sagte er.

Der BVB-Chef verzichtete auf Programmatik und technische Details und orientierte sich an den moralisch aufbauenden Weihnachts- und Neujahrsansprachen von Bundeskanzler und Bundespräsident: Die Liga solle untereinander so solidarisch bleiben, wie er sie im vergangenen Jahr erlebt habe, und das Verhältnis mit dem DFB weiterhin so vertrauensvoll wie zuletzt; man solle wieder mehr die Chancen als das Risiko sehen und den Glauben in die eigenen Kräfte pflegen. Er wünsche sich, "dass wir mal wieder Selbstbewusstsein haben", sagte Watzke, "dass wir uns nicht pausenlos erzählen, in der Premier League, da fließt so viel Geld. Ja, und? Wo ist das Problem?"

Unter anderem das Thema 50+1 soll gelöst werden

Die Bundesliga stelle aktuell sieben Vereine im Europacup: "Das ist eine super Bilanz." Außer ermutigenden Worten trug der Dortmunder Manager auch ein paar Spitzen vor, indem er sich zum Beispiel gegen eine neumodische "Home-Office-Mentalität" und den hierzulande verbreiteten Hang zur negativen Weltsicht wandte - veranschaulicht am Beispiel des WM-Turniers in Katar: "Es nutzt niemandem, wenn man im Vorfeld eine Weltmeisterschaft schon derart kaputt schreibt. Da hat niemand etwas davon, nicht einmal die Gastarbeiter in Katar haben etwas davon."

Watzke blieb mit dem Kurs des Selbstbehauptens nicht allein auf der Bühne in Offenbach. Leki und Hellmann skizzierten für ihr auf sechs Monate begrenztes Interim eine ambitionierte To-do-Liste, die den Wunsch des Vorredners nach Ärmel-Hochkrempeln bestätigte. Innerhalb der nächsten drei Monate wollen sie im Gespräch mit dem Bundeskartellamt die rechtlichen Wirren um das Thema 50+1 lösen, das laut Leki den deutschen Profi-Fußball "schon viel zu lang umtreibt".

Sie wollen die Basis für den nächsten Grundlagenvertrag mit dem DFB herstellen und sich der Frage eines strategischen Finanzpartners für die DFL nähern - eine der Aufgaben, an denen Donata Hopfen letztlich gescheitert war. Wer dann im Sommer von dem Aushilfsduo die DFL-Führung übernehmen soll, war einer der Punkte, die später an den Stehtischen beim Mittagessen diskutiert wurden. Tendenz: Oliver Leki ist als ständige Lösung an der Spitze der DFL eher denkbar als Axel Hellmann, dann womöglich nicht mehr so alleinvertretend wie zu Seiferts Zeiten.

Folgt Rudi Völler Oliver Bierhoff nach? Völler dementiert das nicht

Beim ideellen Höhepunkt der Veranstaltung hatte die DFL Glück. Für die Vergabe des Ehrenpreises hatte sie Rudi Völler auserkoren und damit einen Mann, der gerade drauf und dran ist, ziemlich spektakulär aus dem selbstgewählten Vorruhestand in das nationale Scheinwerferlicht zurückzukehren. Noch hat Völler zwar nicht bestätigt, dass er bis zur EM als ständiger Begleiter der Nationalmannschaft den Bundestrainer unterstützen wird. Er hat es aber auch nicht dementiert, als er sich in Offenbach dazu äußern sollte. Schaun mer mal, sagte Völler und berief sich dabei auf Franz Beckenbauer.

Zweifel an der Berufung braucht niemand mehr zu haben. Weder der DFB noch Völler kommen aus der Nummer wieder raus. Einen Termin für die Premiere an der Seite von Hansi Flick gibt es nun auch. Offenbar ist es dem DFB gelungen, Gegner für die nächste Länderspielrunde zu akquirieren. Am 25. März soll die Nationalelf in Mainz mit einem Spiel gegen Peru aus der Pause zurückkehren, drei Tage später gibt es in Köln eine Partie gegen Belgien.

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