DFL-Konzept:Nur schauen, nicht feiern

Fussball Joshua Kimmich (Bayern) vor leeren Raengen in der Allianz Arena Muenchen, 10.06.2020, Fussball, DFB-Pokal, Hal

Geisterstundenstimmung: Fußball-Profis (im Vordergrund Joshua Kimmich) zur Nachtzeit in der fast leeren Münchner Arena.

(Foto: Lennart Preiss/Witters/Pool/Witters)

Das Papier der DFL zur geplanten Zulassung von Zuschauern in den Stadien enthält eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen. Die Demut hat ihren Grund - schließlich hofft der Fußball mal wieder auf eine Ausnahme.

Von Ulrich Hartmann

Keine Stehplätze und kein Alkoholausschank bis Ende Oktober, keine Gästefans und personalisierte Eintrittskarten bis Ende des Jahres - bevor Christian Seifert als Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und Sprecher des Präsidiums am Dienstag diese vier massiven Änderungen zu der am 18. September beginnenden Bundesliga-Saison verkündete, bat er in einem minutenlangen Monolog darum, die Einschränkungen als konstruktives, seriöses Mittel anzusehen - zu dem Zweck, zeitnah überhaupt wieder Zuschauer in die Stadien zu bringen. Einige organisierte Fans und Ultra-Gruppen hatten derlei Restriktionen vor der außerordentlichen Mitgliederversammlung der DFL bereits Absagen erteilt, indem sie mit Boykotten gedroht hatten.

Seifert aber bat um Demut und Zusammenhalt, als er sagte: "Glauben Sie mir, dass es in dieser für alle neuen Situation ausschließlich darum geht, den Profifußball in Etappen wieder zum Normalbetrieb zurückzuführen. Schritt für Schritt - ein Zuschauer-Ansatz 'Alle oder keiner' ist nicht zielführend." Seifert ergänzte: "Ich bitte darum, die Debatte um Stehplätze oder Fans im Allgemeinen auch nicht zu einer Grundsatzdiskussion zu machen - es geht hier darum, einem nicht zu unterschätzenden Infektionsgeschehen Rechnung zu tragen."

Die Entscheidungen wurden nach knapp dreistündiger Debatte in einer virtuellen DFL-Mitgliederversammlung im Paragrafen 3 der 'Richtlinien zur Spielordnung' festgezurrt. Maßgeblich ist und bleibt aber das Votum der Politik. Bis zum 31. Oktober sind Großveranstaltungen in Deutschland ohnehin noch verboten, und so hält Seifert mit Aufnahme des ersten Spieltages am 18. September drei Varianten für denkbar: "Spiele ohne Zuschauer, Spiele mit wenigen Zuschauern oder Spiele mit ein bisschen mehr Zuschauern." Kein einziger Klub fordere eine bestimmte Zuschauerzahl. "Wann dann wie viele Zuschauer wieder Großveranstaltungen besuchen dürfen, ist keine Entscheidung der DFL, sondern der politischen Verantwortlichen." Die vier Veränderungen im Detail:

Keine Gästetickets

Normalerweise steht jedem Gastverein ein Ticketkontingent zu, das mindestens zehn Prozent der verfügbaren Stadionkapazität umfasst. Diese Regelung, findet die DFL, trage einer Besonderheit der Fußball- und Fankultur in Deutschland Rechnung, die in anderen Ländern weniger stark ausgeprägt sei. Das Präsidium sei sich bewusst, dass Auswärtsfahrten und der Stimmungs-Wettstreit der Fans beider Mannschaften einen wichtigen Bestandteil der deutschen Fußballkultur ausmachten und zur weltweit geschätzten Atmosphäre in den Bundesligastadien beitragen; jedoch mache die aktuelle Corona-Gefährdungslage eine vorübergehende Aussetzung des Gästekarten-Kontingents erforderlich, um exzessive Reisetätigkeiten zu vermeiden. Vorerst bis Ende 2020 sollen Heimvereine den Gastvereinen kein Ticketkontingent mehr zur Verfügung stellen.

Keine Stehplätze

Auch Stehplätze als Teil der Zuschauerplätze in den Stadien erachtet die DFL als "wesentlichen Bestandteil der deutschen Fußball- und Fankultur". Stehplätze trügen zur besonderen Atmosphäre bei und spielten auch in der medialen Darstellung der Bundesliga eine Rolle. In keiner anderen der europäischen Top-Ligen könnten so viele Zuschauer das Spiel von einem Stehplatz aus verfolgen. "Das Präsidium bekennt sich zur Stehplatzkultur in Deutschland", heißt es in der Beschlussvorlage zur jüngsten Sitzung. In Zeiten einer Pandemie stellen sich allerdings die Fragen, ob das Konzept "Stehplatz" mit einer verantwortungsvollen Rückkehr der Fans in die Stadien vereinbart werden könne - und ob Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie dort immer lückenlos eingehalten und durchgesetzt werden könnten, wo viele Menschen auf engem Raum stehen. Deshalb sollen vorerst bis zum 31. Oktober alle Spiele in den Lizenzligen ohne Zuschauer in den Stehplatzbereichen des Stadions stattfinden. Die Klubs seien aber frei in ihrer Entscheidung, ob sie Stehplätze in Sitzplätze umrüsten. Am 31. Oktober könnte die DFL über die Frage der Zulassung von Stehplätzen neu entscheiden.

Alkoholverbot

Die DFL hat erörtert, ob der Verzicht auf die Ausgabe von alkoholischen Getränken im und am Stadion sinnvoll wäre - um zu unterstützen, dass die Zuschauer die Verhaltens- und Hygieneregeln einhalten. Das Präsidium regte daher an, dass sich die Klubs selbst verpflichten, zunächst bis Ende Oktober den an Spieltagen ausnahmslos keinen Alkohol mehr auszuschenken und auch keine behördliche Ausnahmegenehmigung dafür zu beantragen. Bislang galt nämlich die offizielle Regelung, dass alkoholische Getränke unabhängig von ihrem Alkoholgehalt bei Spielen der ersten und zweiten Bundesliga eigentlich nicht an Zuschauer ausgeschenkt werden dürfen; dass es im Bundesliga-Alltag aber gängige Praxis ist, dass die Klubs nach einer behördlichen Einwilligung bestimmte alkoholische Getränke doch an ihre Zuschauer ausschenken dürfen. Entsprechend sollen die Klubs also vorerst keine behördliche Genehmigung zum Ausschank von Alkohol mehr beantragen. Wie mit Fans umgegangen werde, die bereits stark alkoholisiert ins Stadion wollen, das müssten die Erfahrungen zeigen, ergänzte Seifert.

Personalisierte Tickets

Die DFL verpflichtet ihre Klubs zur Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen, durch die die Identität und die Kontaktdaten derjenigen Personen ermittelt und dem Gesundheitsamt auf Verlangen zur Verfügung gestellt werden können, die sich bei einem Spiel tatsächlich im Stadion befunden haben. Dahinter stehe die Überlegung, dass das Gesundheitsamt nur dann in der Lage ist, bestehende Infektionsketten früh und effektiv zu unterbrechen, wenn es diese Personen unkompliziert ermitteln und kontaktieren kann. "Die genaue Ausgestaltung dieser Regelung liegt im Verantwortungsbereich der einzelnen Klubs", betonte Seifert.

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