Steinhaus-Webb und der DFB:Wenn der Interimschef klingelt

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Bibiana Steinhaus, 42, beim Supercup 2020, dem letzten Spiel, in dem sie als Schiedsrichterin auf dem Platz stand. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

Wurde auf Bibiana Steinhaus-Webb ungebührlicher Druck ausgeübt, sich nicht an einer Reformgruppe zu beteiligen? Die Schiedsrichterin berichtet von einem "irritierenden" Gespräch mit Verbandsboss Rainer Koch.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt

Unter manchen europäischen Spitzenfunktionären haben sich Rainer Koch, 62, und Peter Peters, 58, bereits einen Spitznamen erarbeitet. Als German Twins firmieren die Interimschefs des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) da, die deutschen Zwillinge. In der Tat wirkt manches so, als hätten sich Amateur-Boss Koch und Liga-Vertreter Peters nach dem langen verbandsinternen Machtkampf und dem Aus von Präsident Fritz Keller schnell miteinander arrangiert für die anstehende Übergangsphase, die mindestens acht lange Monate dauern soll.

Jedoch sind die Twins schon kurz nach Amtsantritt mächtig in der Defensive. Es brodelt an allen Ecken des DFB, am Montag kommen einmal mehr die Landeschefs zum Krisentreff zusammen. Es geht unter anderem darum, ob es rasch einen außerordentlichen Bundestag braucht, um die Ära Koch/Peters zu beenden. Daneben rückt ein gravierender, zunehmend suspekt wirkender Vorgang um die neue Frauen-Initiative in den Fokus: mutmaßliche Drohungen aus dem DFB gegen die Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb und der Umgang des Verbandes damit. Denn Steinhaus sagt der SZ auf Anfrage, dass es in diesem Kontext mehrere Gespräche mit Koch gegeben habe - das letzte davon sei "irritierend" gewesen.

Führung des Deutschen Fußballbundes
:"Fußball kann mehr" - Frauen fordern Quote beim DFB

Das ehemalige HSV-Vorstandsmitglied Katja Kraus wird als mögliche neue Präsidentin des Verbandes positioniert. Das Sportgericht stellt derweil das Verfahren gegen Ex-Boss Fritz Keller ein.

Hintergrund der Vorgänge ist die Bildung einer Frauen-Initiative um Steinhaus, 42, und die Vermarktungsspezialistin Katja Kraus, 50, die vor etwas mehr als anderthalb Wochen das Positionspapier "Fußball kann mehr" publizierte. Seitdem rührt sie den deutschen Fußball auf, unterstützt von relevanten gesellschaftlichen Kräften. Sie fordert etwa eine Frauenquote in Führungsgremien, einen radikalen Wechsel in den Strukturen und "schnellstmöglich" einen Sonder-Bundestag für diese Weichenstellungen.

Unabhängig von Inhaltsfragen steht eine schwer erträgliche Schilderung im Raum: Auf die Schiedsrichterin Steinhaus-Webb sei ungebührlicher Druck ausgeübt worden - damit sie sich nicht der Reformgruppe anschließe. Steinhaus ist zwar seit September 2020 nicht mehr auf dem Platz aktiv, kommt allerdings noch im Kölner Videokeller zum Einsatz. "Den Hinweis aus dem DFB, mir genau zu überlegen, wofür ich mich einsetze, habe ich gehört. Und ich habe mich bewusst dafür entschieden, diesen Weg zu gehen", sagte sie am Samstag im FAZ-Interview.

Bisher ist nicht bekannt, wer in dem ominösen Gespräch was genau gesagt hat. Steinhaus selbst will keine Namen nennen. Dass es eine einflussreiche Figur gewesen sein muss, liegt ob der Umstände auf der Hand. Aus der Initiative und DFB-Kreisen wird darauf verwiesen, dass die Warnung angeblich aus der oberen Etage erfolgt sei.

Die nächste Aufregung: Die neue Kommunikationschefin geht schon wieder

Aus der Interimsführung kommen dazu sehr unterschiedliche Stellungnahmen. Peters teilt mit, er habe Steinhaus "zu keinem Zeitpunkt angerufen" und ihr Mitwirken in der Initiative thematisiert. Koch bestätigt, dass er zum Thema Kontakt mit Steinhaus hatte. Wer sein Statement liest, gewinnt aber leicht den Eindruck, als schlendere er mit Steinhaus harmonisch Hand in Hand in eine modern aufgestellte Zukunft: Er habe schon 2019 mit DFB-Vize Hannelore Ratzeburg die Aufgabe übernommen, bis 2022 Vorschläge für mehr Diversität zu entwickeln. Nachdem er von der Initiative gehört hatte, habe er Steinhaus, die er seit Langem gut kenne und schätze, angerufen. "In einem beidseitig sehr konstruktiv geführten Gespräch hatte ich sie gebeten, ihre Expertise in diese verbandsinternen Diskussionen einzubringen", teilt er mit.

Es geht aber nicht nur um die Hinweise an Steinhaus, sondern auch um den Umgang des DFB mit dem Thema Machtpolitik. Immerhin ist nun seit zwei Wochen der Vorwurf publik, die beste deutsche Unparteiische sei aus dem DFB bedrängt worden. Wäre es da naheliegend, ihr Hilfe und Aufklärung anzubieten? Peters sagt dazu, er selbst habe nie Kontakt zu Steinhaus gesucht und dass ihm Generalsekretärin Heike Ullrich und Koch erklärt hätten, "dass sie im Austausch mit Frau Steinhaus waren und bleiben". Koch wiederum sagt, er habe Steinhaus vergangene Woche in einem Telefonat noch einmal die "Unterstützung zu einer Kooperation" zwischen Initiative und DFB angeboten, zudem ein Gespräch zwischen ihr sowie anderen Funktionärinnen aus dem DFB und den Landesverbänden angeregt.

Nachgefragt bei Steinhaus - die Erstaunliches kundtut: "Rainer Koch hat mich bereits über Ihre aktuelle Anfrage informiert und hat seit Bekanntwerden der Initiative 'Fußball kann mehr' viermal telefonischen Kontakt zu mir aufgenommen." Dass der DFB-Interimsboss eine nur an ihn gerichtete Medienanfrage samt eigenen Antworten an die Betroffene weiterleitet, ist ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang: Welchen Eindruck sollte die Unterergebene davon erhalten? Umso interessanter, dass Koch seit Bekanntwerden der Initiative viel telefonischen Kontakt mit Steinhaus gepflegt haben soll. Die Schiedsrichterin bestätigt durchaus Teile von Kochs Darstellungen: Man habe sich über mögliche strukturelle Verbesserungen und mehr Diversität in den Fußballstrukturen ausgetauscht, auch habe Koch Kontakte zu Mitarbeiterinnen des Hauses angeboten. "Ich habe die Gespräche inhaltlich als konstruktiven Austausch erlebt", teilt Steinhaus mit, "darüber hinaus aber auch als emotional, und insbesondere unser letztes Gespräch war für mich irritierend."

Irritierend - das gilt es womöglich noch zu klären.

Diese neuerliche Konfusion an der Verbandsspitze müsste auch die Amateurvertreter beim Krisentreff am Montag interessieren. Dort kommt auch neue Aufregung um eine prominente Personalie hinzu. Kommunikationschefin Mirjam Berle, erst seit Oktober 2020 im Amt, geht schon wieder, wie zunächst Sportbuzzer berichtete. Berle bestätigte das, war aber empört, dass die Information bereits publik wurde und sie sich nicht mal von ihrem Team verabschieden konnte. Sie sei "fassungslos" über diese "weitere Indiskretion, die einmal mehr zeigt, wie wenig es möglich ist, in einem solchem Umfeld Veränderung zu leben".

Veränderung strebt Steinhaus mit ihren Kolleginnen an. Sie sagt, sie sehe sich nach vielen Jahren "Vorbildfunktion auf dem Fußballplatz" nun in der Verantwortung, den Fußball "für die kommenden Generationen" zu gestalten - gemeinsam "mit den vielen vorwärtsgewandten Menschen innerhalb des DFB". Ob damit auch die alteingesessene Interimsführung gemeint ist, lässt sich kaum vorstellen. Unter den Zwillingen nimmt das Chaos im DFB sogar noch erkennbar zu.

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