Testspiele des DFB-Teams:Brauchen wir das wirklich?

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Gemütlich geht anders: Bundestrainer Joachim Löw (li.) und Assistenztrainer Marcus Sorg beobachten das Training der Nationalmannschaft in Köln (Foto: dpa)

Der eng getaktete Herbst der Nationalmannschaft beginnt und die Verantwortlichen beim DFB stehen wieder vor der Frage: Wofür sind diese schlecht besuchten Testspiele im Nieselregen gut?

Von Philipp Selldorf, Köln

Jedes Jahr im Herbst, wenn das Nationalteam zu den üblichen Länderspielrunden zusammenkommt, sehen sich die Verantwortlichen des DFB ebenso üblicherweise vor die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt. Es geht vielleicht nicht unbedingt um die Existenz an sich, das Sein und das Nichts, aber aus Sicht der Vereine und des Publikums schon darum, ob man das jetzt wirklich braucht: Diese tendenziell schlecht besuchten Testspiele im Nieselregen gegen Norwegen oder Swasiland (wie Uli Hoeneß früher effektvoll polemisierte), wo doch gerade die Liga in die Gänge gekommen ist und der Europacup ohnehin für einen engen Terminkalender sorgt.

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Aktuell ist der durch die Corona-Krise durcheinander geratene Terminkalender sogar noch voller, und statt weniger finden 2020 erstaunlicherweise noch mehr Länderspiele statt, so dass Joachim Löw seine Elf im Schichtbetrieb einsetzen wird, um das gedrängte Programm zu bewältigen. Die Frühschicht mit Aushilfskräften wie Mo Dahoud, Jonas Hofmann oder Nico Schulz erledigt am Mittwoch in Köln das Testspiel gegen die Türkei, dann kommen die arrivierten Kollegen aus München, Leipzig und Madrid hinzu und übernehmen die Pflichtaufträge in der Nations League (am Samstag in der Ukraine, am Dienstag darauf gegen die Schweiz).

Mit dieser Form der Arbeitsteilung hat der Bundestrainer zweifellos eine sportlich vernünftige und verantwortungsbewusste Lösung entwickelt, doch da die Operation offensichtlich den Charakter eines Notbehelfs hat, sieht sich selbst der stets positiv eingestellte DFB-Manager Oliver Bierhoff genötigt, die Frage nach dem Sinn des Ganzen zu beantworten. "Die Diskussion, ob die Nationalelf Sinn macht, die gibt es stets im Herbst", stellte er allgemein fest, um im nächsten Moment die Trumpfkarte zu ziehen: "Aber wenn wir dann im Sommer bei den großen Turnieren sind, dann kann man sagen: Es lohnt sich."

Dort sieht Bierhoff auch den Punkt erreicht, an dem die Rücksicht auf Dritte endet: Der erste Gedanke dürfe nicht darin bestehen, den Vereinen in der Sorge um ihre wertvollen Spieler entgegenzukommen, sondern: "Was ist das Beste für unsere Nationalelf?" Zumal da die Spiele der Nations League "große Bedeutung" hätten, "um nicht das Risiko eines Abstiegs einzugehen". In dieser Hinsicht hat der Bundestrainer zuletzt erheblich an seiner Rhetorik gearbeitet: Nachdem er im September die Unentschieden gegen Spanien und die Schweiz mild desinteressiert zur Kenntnis genommen hatte, gab er nun bekannt, dass er sich später doch "wahnsinnig geärgert" habe über die verpassten Siege. Nun heißt laut Bierhoff das Ziel: "Zusammenfinden und Erfolgserlebnisse sammeln."

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Die Frage, ob man nicht wenigstens auf den Test am Mittwoch hätte verzichten können, hat sich für den DFB offenbar gar nicht erst gestellt. Es gebe "vertragliche Verpflichtungen gegenüber der Uefa" und einen vom Europaverband vorgegebenen Terminplan, erklärte Bierhoff. Der Bundestrainer hätte gern ein Veto eingelegt, so hat er immerhin den Gegner aussuchen dürfen. Auf seinen Wunsch wurde der DFB im Sommer in der Türkei vorstellig. Von der Hoffnung auf eine stimmungsvolle Atmosphäre ist jedoch auch nicht viel übrig, der Stand der Infektionen in Köln lässt wohl kein Publikum zu. "Meine Hoffnung, dass wir vor Zuschauern spielen, ist nicht sehr groß", berichtete Bierhoff am Montag.

Erleichtert hat man beim DFB registriert, dass sich die betroffenen Vereine bisher mit Kritik an der Länderspielrunde zurückgehalten haben. Spekulationen, wonach den Spielern die Reise ins Risikogebiet Ukraine von den Arbeitgebern untersagt werden könnte, haben sich nicht bewahrheitet. Besorgte Erkundigungen konnte der DFB entkräften: Wie in Köln werden die Profis auch in Kiew keinen Kontakt zur Außenwelt haben, das traditionelle Herbsttreffen der Nationalelf gleicht einer Klausur.

© SZ vom 06.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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