FC Bayern:Lewy und die müden Münchner

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Vier Tore gegen Hertha BSC: Robert Lewandowski. (Foto: AFP)

Der FC Bayern schlägt Berlin durch vier Tore von Robert Lewandowski mit 4:3 - und will nach der Länderspielpause wieder fehlerärmer spielen. Dabei dürften auch langersehnte Zugänge helfen.

Aus dem Stadion von Sebastian Fischer

Robert Lewandowski sah auf keinen Fall genervt aus, weil er es schon wieder tun musste, gelangweilt auch nicht. Es ist ja in der Karriere des 32 Jahre alten, gerade erstmals zu Europas Fußballer des Jahres gekürten Stürmers schon öfter vorgekommen, dass er den FC Bayern mit seinen Toren scheinbar ganz allein zum Erfolg schießen musste. Gegen Wolfsburg erzielte er einmal fünf Treffer in neun Minuten. Auch vier in einem Spiel schoss er für die Bayern schon mal, in der Champions League gegen Belgrad. Als ihm das nun wieder gelungen war, nachdem er beim 4:3 gegen Hertha BSC den entscheidenden Elfmeter in der Nachspielzeit verwandelt hatte, streckte er fürs Foto vier Finger aus und zwinkerte.

Wer das Bild des triumphierenden Angreifers sah, umringt von Gratulanten, der konnte das nun leicht missverstehen: Die Bayern gewinnen, Lewandowski trifft, alles wie immer. Dabei war ein Thema am Sonntag beim sogenannten Quadruple-Sieger aus München ja eigentlich, die Abhängigkeit von einem immer spielenden, immer treffenden Lewandowski zu verringern - doch dazu später. Nach dem Spiel ging es allen Beteiligten erst mal darum, dass sie so eine Partie wie die gegen Berlin so bald nicht mehr erleben wollen. Jedenfalls manche Phasen dieser Partie.

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Aus dem Stadion von Sebastian Fischer

"Wir können natürlich nicht zufrieden sein, wie wir aktuell unser eigenes Tor verteidigen", sagte zum Beispiel Thomas Müller im Sky-Interview. Die Analysen der Protagonisten ähnelten sich, doch der frühere Nationalspieler wurde dabei am deutlichsten. Es gehe nicht um müde Beine, es gehe vielmehr um müde Gedanken. "Wenn du fünf Titel eingesackt hast", sagte er, "dann ist der Schritt zu diesem Stehenbleiben, wenn man in Führung ist, nah. Das ist irgendwo logisch und vielleicht auch verständlich. Aber wir sind nicht auf dem Platz, um verständliche Dinge zu tun."

In Müllers Worten fehlte "die Mentalität, nach einer 2:0-Führung weiter dranzubleiben"

Gegen Berlin spielten die Bayern nach dem Saisonstart vor rund zwei Wochen bereits ihr fünftes Spiel, im Vergleich zum Sieg im Supercup gegen Dortmund unter der Woche wechselte Trainer Hansi Flick seine Elf zu Regenerationszwecken mal wieder durch, diesmal begann zum Beispiel erstmals der 20 Jahre alte Chris Richards als Rechtsverteidiger, und Linksverteidiger Alphonso Davies spielte als Linksaußen. Lange sah viel nach einem zwar arbeitsreichen, aber doch souveränen Sieg aus. 2:0 führte der FC Bayern nach rund einer Stunde, Lewandowski hatte in der ersten Halbzeit auf Vorlage von Serge Gnabry getroffen (40.), in der zweiten mit einem unnachahmlich präzisen Schuss von der Strafraumgrenze nach Assist des Debütanten Richards (51.). Doch dann fehlte in Müllers Worten "die Mentalität, nach einer 2:0-Führung weiter dranzubleiben".

Es war zunächst die Unnachgiebigkeit des Berliners Jhon Cordoba, die die Gäste zurück ins Spiel brachte: Der Stürmer bearbeitete seine Gegenspieler pausenlos mit Händen und Füßen, dann traf er in der 59. Minute per Kopf. Wenig später schoss Matheus Cunha gegen eine nun unorganisierte und scheinbar einfach auszuspielende Münchner Abwehr das 2:2 (71.). Und auch nach Lewandowskis drittem Tor in der 85. Minute, erzielt aus Mittelstürmerposition, vorbereitet von Müller, erzwungen von wütend angreifenden Bayern, glich die Hertha wieder aus: durch einen Kopfball von Jessic Ngankam (88.). Im leeren Stadion hatte man kurz das Gefühl, dass es den Münchnern jetzt einfach ein bisschen zu viel wurde mit diesen Berlinern, die einfach nicht aufhören wollten, ihnen auf die Nerven zu gehen.

"Die ganze Situation, die ganzen Bedingungen, wie wir in die Saison gestartet sind, waren nicht so ganz einfach. Wir hetzen praktisch von einem Spiel zum anderen", sagte Flick, so warb er um Verständnis für die Mannschaft, die ja trotzdem noch eine Antwort fand, auch auf den zweiten Ausgleich, um das zweite von drei Ligaspielen dieser Saison zu gewinnen: In der Nachspielzeit traf der selbst gefoulte Lewandowski vom Elfmeterpunkt. "Die Mentalität der Mannschaft ist bei 100 Prozent", sagte Flick. "Nach der Länderspielpause müssen wir aber versuchen, wieder gut Fußball zu spielen."

Doch nach der Länderspielpause, das war ja die andere Geschichte des Abends, dürfte es sich ohnehin um eine noch mal entscheidend veränderte Mannschaft handeln. Die vergangenen Wochen hat Flick das Thema begleitet, dass die Verstärkungen für den kleinen Kader, die er sich gewünscht hatte, noch nicht da waren. Am Sonntag, am Tag vor dem Ende der Transferperiode an diesem Montag, zeichneten sich dann allerdings so viele mögliche Transfers ab, dass es sogar die Zahl von drei Ergänzungen für den Kader überstieg, von denen meistens die Rede gewesen war: einem Rechtsverteidiger, einen Mittelfeldspieler, einen Flügelspieler.

Dass Marc Roca, 23, von Espanyol Barcelona nach München wechselt, gab der Klub bereits selbst bekannt. Der Mittelfeldspieler, an dem die Bayern schon vor einem Jahr interessiert waren, unterschreibt einen Fünfjahresvertrag und soll im Vergleich zu den Verhandlungen im Vorjahr, als es wohl um eine festgeschriebene Ablöse von 40 Millionen Euro ging, geradezu preiswert sein und unter zehn Millionen kosten. Als Rechtsverteidiger und Ersatz für den am Sonntag nur eingewechselten, nach seiner Verletzung noch formschwachen Benjamin Pavard soll von Olympique Marseille Bouna Sarr kommen, und als Flügelspieler angeblich Douglas Costa von Juventus Turin zur Leihe nach München zurückkehren, wie der Kicker berichtet - beides ist vom Klub allerdings bislang unbestätigt.

Und dann soll noch ein vierter später Zugang kommen: Eric Maxim Choupo-Moting, gerade vereinslos, als Ersatz für Robert Lewandowski. Der gebürtige Hamburger, 31, in den vergangenen zwei Jahren Ergänzung der berühmten Stürmer bei Paris Saint-Germain, könnte gelassen genug sein, um nur im Notfall einzuspringen, sich aber meistens auf die Bank zu setzen. Sollte er das Spiel am Sonntag am Fernseher verfolgt haben, dann hätte er noch mal sehr genau gesehen, was ihn erwartet.

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