DFB-Sieg gegen Irland:Befreiung aus der Herbst-Depression

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Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft beendet mit einem souveränen 6:1-Sieg in Dublin gegen Irland vorerst alle Debatten über ihre fragile innere Verfassung. Schmelzer meldet sich nach der Kritik von Löw zurück, Reus und Kroos treffen jeweils doppelt.

Mesut Özil umarmt nach seinem Treffer Per Mertesacker.  (Foto: dapd)

Es ist nun doch ein ansehnlicher Start in die WM-Qualifikation geworden für die deutsche Fußball-Auswahl, das 6:1 (2:0)-Schützenfest Freitagabend gegen Irland in Dublin überstrahlt die mühsam erstocherten Siege über die Faröer-Inseln und Österreich. Allerdings brachen die Iren nach der deutschen Führung durch Marco Reus förmlich zusammen, weiteren Toren vor 51 000 Zuschauern durch erneut Reus, zweimal Kroos sowie Klose und Özil hatten die spielerisch stark limitierten Insel-Kicker nichts entgegen zu setzen. Ein souveräner Auftritt, der die befürchtete Herbst-Depression um die DFB-Auswahl vorerst verhindert hat.

Befürchtet worden war ja ein weiterer zäher Auftritt, das nächste Suchspiel nach dem Glanz früherer Jahre. Die Kernfrage: Liegt das (von Bundestrainer Joachim Löw taktisch) vergeigte EM-Halbfinale gegen Italien weiter wie Mehltau über dem deutschen Spiel? Über dieser Verheißung einer "Goldenen Generation" aus Özils und Götzes und Khediras und Reus', der seit dem Italien-Spiel die jugendliche Frische so abhanden kam wie dem Bundestrainer? Seit jener Partie sehen sich Team und Löw unter stetem Rechtfertigungszwang; Stimmungsanalysen hatten auch vorm Irland-Spiel die Debatten beherrscht. Von Bastian Schweinsteiger, der seine Kritik am mangelnden Korpsgeist der Auswahl auch nach intensivem Zwiegespräch mit dem Übungsleiter nicht zurückzog - bis zu Löw selbst. Der zertrümmerte die jüngst von Bayern-Manager Uli Hoeneß gerügte DFB-Kuschel-Atmosphäre am Tag vorm Spiel gleich selbst mit dem Vorschlaghammer.

"Er hat gegen Österreich kein gutes Spiel gemacht", sagte er über Linskverteidiger Marcel Schmelzer. Aber: "Viele Alternativen gibt es nicht, also müssen wir mit Schmelzer die nächsten zwei, drei, vier fünf Monate weiterarbeiten." Er könne sich ja keinen anderen Spieler "schnitzen".

Derart bedient, stand der offiziell unvermeidliche Dortmunder in einer Abwehr, die die Stammkräfte Hummels (verletzt) und Lahm (gesperrt) ersetzen musste. Ein Grund mehr, das Heil im Vorwärtsgang zu suchen, was sich zunächst als mühsam erwies gegen die grüne Mauer der Iren. Bei denen führt ja in Coach Giovanni Trapattoni ein ausgewiesener Sicherheitsexperte Regie, weshalb die Hausherren eine Art doppelte Fünfer-Kette vorführten, als Vorhängeschloss am eigenen Strafraum. Zugleich suchten sie tapfer Konterchancen, was immerhin dazu führte, dass es in der ersten halben Stunde vorm deutschen Tor spannender zuging als vor dem irischen. Da erwies sich als hilfreich, dass den Grünen in Stürmer Robbie Keane ihr Bester abging, der Kapitän und Rekordtorschütze.

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Dann, nach exakt einer halben Stunde, durchbrach Marco Reus die Gleichtönigkeit im deutschen Spiel per aggressiver Balleroberung gegen O'She. Der Abwehrchef bedrängte ihn im Strafraum, Reus fiel etwas stolpernd - und sah die gelbe Karte. Alle Wut über dieses Malheur legte er zwei Minuten später in den Schuss zum 1:0, er wuchtete den Ball unter die Latte - aufgelegt hatte es ihm ein Dortmunder Leidensgenosse, Verlegenheitslösung Schmelzer.

"Wir müssen uns auf 90 Minuten Kampf einstellen", hatte Löw vor der Partie orakelt, und manchmal ist es von Vorteil, wenn sich fachliche Einschätzungen des Bundestrainers als völlig daneben erweisen. Die Iren waren mit ihrer kargen Kunst nun schon am Ende, sie versuchten, den knappen Rückstand in die Pause zu retten. Das klappte nur sieben Minuten lang, dann war Reus erneut zur Stelle, halblinks erreichte ihn Boatengs Querpass, vier, fünf Schritte, ein prüfender Blick - patsch, saß die Kugel rechts unten im Toreck (39.).

Die zweite Halbzeit begann mit Kroos für Khedira und einer Großchance für Klose, die vielgerühmte Sangeslaune kam erst gar nicht auf im Aviva-Stadion. Vielleicht lag's ja daran, dass Trapattoni schon in der 51. Minute Stürmer Long für Abwehrspieler Fahey einwechselte. Die Tore fielen weiter auf der anderen Seite: Nach O'Deas Foul an Klose verwandelte Özil den Strafstoß aufreizend lässig zum 3:0 (55.).

Gleich darauf war Klose selbst dran, der 34-jährige Berufsrömer umkurvte Torwart Westwood und schob zum 4:0 ein. Es war beim 125. Auftritt im DFB-Dress Kloses 65. Länderspieltor, nur drei fehlen ihm noch, um zum Rekordschützen aufzuschließen. Der heißt Gerd Müller und hat seine 68 Treffer in allerdings nur 62 Spielen erzielt; und dies, wie jüngst Hoeneß gallig bemerkte, gegen weitaus stärkere Gegner als es Klose "bei achtzig Prozent seiner Länderspieltore" gelungen sei.

Letzte Zweifel daran, dass es sich bei diesen Iren am Freitagabend tatsächlich nur um einen Fußballzwerg handelte, zerstreute Kroos zwei weitere Minuten später per Volleyschuss zum 5:0. An Trapattonis Truppe gemessen, waren die Fischer und Schafhüter von den Faröer-Inseln vor einigen Wochen fraglos ein größeres Kaliber.

Für Reus durfte Podolski ran, Klose machte Platz für Schürrle - Löws Jungs hatten den Spaß am Spiel wiedergefunden. Ernsthafte Wettkampfbedingungen waren nicht mehr gegeben, auch als Sichtungstest für die schwierigere Aufgabe am nächsten Dienstag gegen Schweden taugte diese Partie nicht. Was also tun mit dem angebrochenen Fußball-Abend? Das halbe Dutzend noch vollmachen, ohne es allzu schweißtreibend zu gestalten, lautete die Verabredung. Leicht lief die Kugel über 20 Stationen, kein Ire störte ihren Lauf - dann nagelte sie Kroos aus 20 Metern ins Toreck (83.). Womit es 2:2 stand im stillen internen Wettstreit zwischen Dortmundern und Bayern; in Dublin ausgetragen von den Kunstschützen Kroos und Reus.

Keoghs Ehrentreffer per Kopf war die letzte Aktion der Partie; sie brachte endlich das Stadion zum Kochen. "Es gilt nun, diese Stimmung ins Schweden-Spiel mitzunehmen", befand Trainer Löw nach dem Abpfiff. "Wir sind auf einem guten Weg", setzte hingegen Schweinsteiger, der Kapitän von Dublin, die Standortdebatte gleich wieder fort. "Es geht aber darum, auch gegen große Teams zu bestehen." Irland war leider nur ein ganz kleines.

© SZ vom 13.10.12 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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