DFB-Pokal:Es rumpelt, ächzt und knarzt wie noch nie unter Guardiola

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Bayerns neues Kopfball-Ungeheuer: Thomas Müller (Mitte) feiert seinen Treffer zum 1:0. (Foto: imago)

Die Pokalpartie gegen Bremen macht deutlich, dass der Bayern-Trainer nur noch kurzfristig denkt.

Von Christof Kneer, München

Pep Guardiola versteht inzwischen die meisten deutschen Fragen, nur manchmal kommt es noch vor, dass er erst beim Mediendirektor nachfragen muss. Hilfe braucht er nur dann, wenn ein Fragesteller viel zu schnell spricht, oder wenn jemand einen Fragesatz baut, der aus hundert Nebensätzen besteht, die ihrerseits wieder in Fragesätze münden. Selten hingegen kommt es vor, dass Pep Guardiola ein Wort nicht kennt. Guardiola weiß sogar, was "Umschaltspiel" bedeutet, aber dieses Wort, das da nach dem Pokal-Halbfinale gegen Werder Bremen an ihn herangetragen wurde, das hatte er noch nie gehört. Ratlos schaute er seinen Mediendirektor an, und der erklärte ihm in geflüstertem Englisch, was "Bayern-Dusel" bedeutet.

Auf den letzten Metern der Saison feiert beim FC Bayern also ein alter Bekannter sein Comeback, aber es ist einer, den die Bayern nicht sonderlich vermisst haben. Die Münchner haben zwar nicht immer "juberragend" gespielt in der Ära Guardiola, auch wenn es immer sehr schön war, den Katalanen das Wort "überragend" aussprechen zu hören. Die Münchner waren manchmal auch nur sehr gut oder sehr dominant, und es gab sogar Tage, da waren sie nicht so sehr gut und nicht so dominant. Aber Bayern-Dusel? Das hat diesem hemmungslos akribischen Trainer, der alles Duselhafte so gern aus dem Spiel verbannen würde, noch keiner unterstellt.

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Der Sieg, den der FC Bayern gegen tüchtige Bremer landete, roch ein bisschen wie früher. Die Münchner hatten wie früher und wie überhaupt immer die teurere und bessere Mannschaft auf dem Platz, aber um diese Eigenschaften auch verdient ins Ziel zu bringen, brauchten sie erst zwei Tore von jener Sorte, für die einst der sportwissenschaftliche Terminus "Bayern-Dusel" erfunden wurde. Zum 1:0 traf Thomas Müller per Kopf, weil er das dazu nötige Kopfballduell nicht mit dem ausgerutschten Werder-Kapitän Clemens Fritz führen musste, sondern nur mit sich selbst. Und zum 2:0 traf Müller per Elfmeter, weil Mitspieler Arturo Vidal im Strafraum auch so etwas Ähnliches wie ausgerutscht war ( siehe Text oben). "Wir haben das getan, was mir persönlich am wichtigsten ist, nämlich weiterkommen", sagte Müller, "aber es war ein hartes Stück Arbeit, wir haben viel zu viele Fehler gemacht."

Die Bayern haben gegen Bremen den Trend der vergangenen Wochen fortgesetzt und zugespitzt, in jeder Hinsicht. Sie haben wie in den vergangenen Wochen gewonnen, diesmal sogar ein Spiel, das sie direkt ins Berliner Finale brachte; und wie in den vergangenen Wochen war der Sieg dabei die einzig juberragende Nachricht. "Der Inhalt des Spiels war über 90 Minuten nicht so, wie er sein soll", sagte Müller. Was Müller allerdings nicht sagte: Der Inhalt des Spiels war, anders als in den vergangenen Wochen, fast ein wenig bedenklich. Zuletzt hatte die Münchner mit ihren maschinell erstellten Siegen zwar kein Herz erwärmt, aber sie hatten doch den Eindruck mechanischer Professionalität hinterlassen; diesmal aber rumpelte, ächzte und knarzte die Münchner Siegmaschine, wie man sie in der Ära Guardiola noch nie rumpeln, ächzen und knarzen sah.

Bisher galt es als nicht so gutes Bayern-Spiel, wenn der Ballbesitz mal zum Selbstzweck wurde oder wenn das optimistische Defensivverhalten wieder mal einen gegnerischen Konter provozierte. Eines aber hat man praktisch nie erlebt: dass die Bayern die Kontrolle verloren. Dass sie eigene Fehler in industriellen Mengen produzierten, dass sie Bälle einbüßten, Pässe unsauber spielten. "Wir waren zu wenig präzise, um das Spiel wirklich im Griff zu haben", sagte Thomas Müller, und Philipp Lahm merkte bei allem berechtigten Lob für die robusten Bremer an, "dass es immer an unserem eigenen Spiel liegt. Wenn wir wie gewohnt den Ball laufen lassen, kommt der Gegner gar nicht erst in die Zweikämpfe".

Es ist ein eigenartiges Szenario, so kurz vor den entscheidenden Spielen: Die Bayern überzeugen immer weniger, gewinnen aber immer mehr. Erstaunlich milde hat Pep Guardiola das nach dem Bremen-Spiel zur Kenntnis genommen, er hat seinen Spielern sogar "vielen, vielen Dank" gesagt, dass er sie dank des Pokalfinales jetzt mindestens eine Woche länger betreuen darf. Im Angesicht des nahenden Abschieds schaut Guardiola offenkundig anders auf die Dinge, er hat sich für eine Art finales Coaching entschieden.

Auch deshalb spielt seine Elf ja keinen reinrassigen Pep-Fußball mehr: Weil der Trainer inzwischen eine andere Agenda hat. Er muss nicht mehr am Spielstil der Zukunft feilen, es geht jetzt nur noch darum, die Formstärksten zu ermitteln, die Kräfte zu dosieren und das Binnenklima für die letzten gemeinsamen Ziele so zu beeinflussen, dass sich alle gewollt und gebraucht fühlen. Guardiola muss Franck Ribéry keine Laufwege mehr anerziehen, die der gar nicht mag; und er kann den militant präsenten Arturo Vidal jetzt einfach Arturo Vidal sein lassen, er muss ihn nicht mehr missionieren.

Javi Martínez wird für Guardiola zur richtigen Zeit wieder fit

So haben sich zunehmend unkatalanische Elemente ins Spiel eingeschlichen, aber nach allem, was aus dem Team zu hören ist, wird Guardiola sie auch nicht mehr radikal einfordern. Er muss nicht mehr zwingend mit Pep-Fußball den DFB-Pokal und die Champions League gewinnen; sie zu gewinnen, würde ihm vollauf genügen.

Die Kunst des Last-Minute-Coachings wird nun darin bestehen, den Pragmatismus so zu steuern, dass die Souveränität des Teams darunter nicht leidet. Die jüngsten Formeinbußen seiner Elf sind dem Trainer natürlich nicht entgangen, umso erleichterter hat er registriert, dass sich gegen Bremen ein alter Stabilisator pünktlich zurück gemeldet hat. Javi Martínez ist auf dem besten Weg, wieder jene defensive Autorität zu werden, die er vor seinen zahlreichen Verletzungen war. Einen seriösen Athleten wie Martínez kann Guardiola gut gebrauchen gegen die wilden Kämpfer von Atlético Madrid, die möglicherweise noch ein bisschen besser sind als die von Werder Bremen.

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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