Bayer Leverkusen:Mit Risiken und Nebenwirkungen

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Für Kai Havertz (Mitte) war es quasi ein Heimspiel. (Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images)
  • Bayer Leverkusen gewinnt sein Pokalspiel bei Alemannia Aachen 4:1.
  • Es ist ein wichtiger Sieg, denn die Testspiele des Bundesligisten verlaufen eher trüb.
  • Trainer Peter Bosz hat dennoch Vertrauen in sein System.

Von Ulrich Hartmann, Aachen

Über den 20 Jahre jungen Fußballer Kai Havertz wurde zuletzt vor allem fleißig spekuliert, wo er ab dem Sommer wohl spielen wird: beim FC Bayern, bei Real Madrid, beim FC Barcelona? Gemeint wohlgemerkt: der Sommer 2020!

Am Samstag ging es nun ausnahmsweise mal darum, wo Deutschlands größtes Mittelfeldtalent eigentlich herkommt: aus Alsdorf bei Aachen nämlich. Dort hat Havertz seine Kinderfußballzeit verbracht, bei Alemannia Mariadorf und danach bei Alemannia Aachen, bevor er 2010 mit elf Jahren zu Bayer Leverkusen gewechselt war. Am Samstag ist Havertz mit Leverkusen nun nach Aachen zurückgekehrt, um den Viertligisten aus dem DFB-Pokal zu schießen; er selbst hat das finale Tor zum 4:1-Sieg beigetragen. Verschonen konnte er jenen Klub, bei dem er als Kind auf der Tribüne gestanden hat, also nicht. Dazu hat er zu viel vor mit den Leverkusenern in seiner womöglich letzten Saison dort.

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Es müsste eigentlich eine verheißungsvolle Spielzeit werden für den Klub. Aus jenem Kader, mit dem sie in der Vorsaison am letzten Spieltag noch Platz vier und damit die Champions League erreicht hatten, verlor Bayer nur einen relevanten Spieler: Julian Brandt (Borussia Dortmund). Im Gegenzug holte Leverkusen in Kerem Demirbay und Nadiem Amiri von der TSG Hoffenheim zwei starke offensive Mittelfeldspieler (für fast 40 Millionen Euro). Dazu den jungen Flügelstürmer Moussa Diaby von Paris St. Germain, einen der schnellsten Spieler Europas - und Daley Sinkgraven von Ajax Amsterdam, einen hochveranlagten Außenverteidiger.

Mit einem verstärkten Team und mit dem vorerst gebliebenen Juwel Havertz könnte Leverkusen genau dort weitermachen, wo man in der vorigen Saison aufgehört hat. Doch in der Vorbereitung ging viel schief: Sieben internationale Testspiele haben die Leverkusener zuletzt bestritten, die Ergebnisse waren bescheiden. Nach ansteigenden Gegentoren geordnet, lautet die Liste wie folgt: 0:1 gegen Sittard, 1:1 gegen Arnheim, 2:2 gegen Eibar, 1:2 gegen Watford, 1:2 gegen Valencia, 3:4 gegen Almelo und 3:4 gegen Eupen. Sieben Spiele, kein Sieg, 16 Gegentore.

Leverkusen zeigte ein schlechtes Umschaltspiel und war so sehr konteranfällig. Unter diesem Aspekt dürfte der Liga-Auftakt am kommenden Samstag gegen den konterstarken Aufsteiger SC Paderborn interessant werden - auch wenn Paderborn im Pokal gegen den Regionalligist Rödinghausen erst im Elfmeterschießen gewann.

Leverkusen zeigt ein begrenzt flottes Spiel und fatale Fehlpässe

Die Gründe für die hohen Erwartungen an ihre Mannschaft kennen die Leverkusener selbst am besten: "Wir haben große Qualität", weiß Havertz. "Wir haben einen sehr guten Kader mit viel Tempo über die Außen", sagt Mittelstürmer Kevin Volland. "Wir sind eine Ballbesitzmannschaft und müssen Kontrolle ausüben", sagt Trainer Peter Bosz - aber genau daran haperte es in fast allen Tests. Auch im Pokal erlaubten sich die qualitativ hochwertigen Leverkusener trotz eines begrenzt flotten Spiels fatale Fehlpässe und profitierten nur davon, dass der Regionalligist Aachen seine Konter nicht mit dem nötigen Tempo ausspielte. In der Bundesliga könnte sich das für Leverkusen verhängnisvoller auswirken: "Ab sofort denken wir an Paderborn!", sagte Sportchef Rudi Völler, es klang wie eine Warnung an Trainer und Team.

Bosz lässt sich allerdings von der mauen Vorbereitung nicht irritieren. Er kennt die Gefahren seines auf Tempo, Mut und reflexartiges Umschalten nach Ballverlust angelegten Fußballs. Diese Gefahren haben ihn 2017 nach nur einem halben Jahr bei Borussia Dortmund den Trainerjob gekostet. Auch in Leverkusen gingen in den ersten Wochen einige Spiele auf diese Art verloren, aber je länger die Saison dauerte, desto besser setzte Bayer den Hochrisiko-Fußball um. Und umso auffälliger ist nun, wie schwer sich die Auswahl jetzt mit der Tempo-Aufnahme im Bosz-System tut.

Womöglich liegt das auch daran, dass das neue Offensivtrio Demirbay, Amiri und Diaby den Fußball von Bosz noch kennenlernen muss. Das Leverkusener Spiel benötigt eine neue Geschmeidigkeit, um die sich der Trainer kurz vor dem Ligastart aber wenig sorgt: "Wir sind in einem neuen Aufbau", sagt Bosz, "da sind mir die Ergebnisse in den Testspielen eigentlich nicht wichtig." Wichtig aber, fügt er hinzu, "war dieser Sieg gegen Aachen".

Zuvor gewann Leverkusen nur gegen den Aachener Regionalliga-Konkurrenten Wuppertal 4:0 - es war der einzige Sommertest ohne Gegentor. Aus zwei Siegen gegen zwei Viertligisten muss Leverkusen also seine Zuversicht für den Saisonauftakt speisen. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob das wirklich angemessen oder bloß zweckoptimistisch ist.

© SZ vom 12.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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