DFB-Elf:Gündoğan ist eine Natter

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Stark gegen San Marino: İlkay Gündoğan. (Foto: AP)

Im DFB-Team spielt İlkay Gündoğan die Pässe genauso gut wie der zweite DFB-Stratege Toni Kroos - aber doch anders.

Von Martin Schneider, Serravalle

Ein Pass durch die Abwehr von San Marino hat die Welt noch nie verändert. Auch der Lupfer von İlkay Gündoğan wird da keine Ausnahme werden, obwohl es wirklich ein sehr schöner Lupfer war. Eingeleitet mit einer eleganten Bewegung, exakt auf den Fuß von Sami Khedira, der zum 1:0 traf. Auch das vorletzte Zuspiel vor dem 3:0 war ein sehr hübscher Pass von Gündogan, nicht gelupft oder gechippt, wie man heute gerne sagt, sondern scharf und flach zu Mario Götze, der den Ball zum Torschützen Jonas Hector weiterleitete.

İlkay Gündoğan hat noch mehr schöne Pässe gespielt im strömenden Regen von Serravalle, aber weil dieser Gegner nun mal dieser Gegner war, wird man natürlich immer sagen können: Schön und gut mit den Pässen, aber das war halt nun mal San Marino. Das stimmt natürlich, aber wenn man aus sportlicher Sicht Erkenntnisse aus dem Spiel ziehen will, dann nicht nur die, dass Serge Gnabry noch ein paar Einsätze in der Nationalmannschaft bekommen dürfte. Sondern auch, dass dieser İlkay Gündoğan offenbar in Form kommt.

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Dieser hoch begabte Fußballer, den Pep Guardiola unbedingt zu Manchester City holen wollte, hat ja erst 19 Länderspiele in seiner Akte stehen, sechs weniger als Jonas Hector. Gündoğan, man muss das so hart sagen, fand in der Nationalelf wegen vieler, vieler Verletzungen bisher noch nie richtig statt. "Ich werde immer fitter, fühle mich immer wohler", sagte er nach dem Spiel im Zwergstaat. "Das liegt natürlich am Verein, aber auch bei der Nationalmannschaft ist es immer ein besonderes Gefühl. Ich habe momentan einfach viel Spaß am Fußball." Und auch gegen einen nicht wirklich konkurrenzfähigen Gegner konnte man sehen, dass Joachim Löw Gündoğans Fähigkeiten gebrauchen kann.

Das Duo Kroos/Gündoğan stand in Pflichtspielen erst dreimal zusammen in der Startaufstellung

Gündoğan spielt die Pässe genauso gut wie der zweite große DFB-Stratege Toni Kroos, aber doch anders. Gündoğans Zuspiele sind vertikaler, früher hätte man "steiler" gesagt. Kroos sortiert das Spiel und legt sich den Gegner langsam zurecht, Gündoğan kann eine Abwehr schneller durchstoßen. Kroos ist eine Würgeschlange, Gündoğan eine Natter. Und er kann im Gegensatz zu Kroos auch mal ins Dribbling gehen, um sich in eine bessere Passposition zu bringen. Außerdem besitzt er anscheinend die Fähigkeit, Lücken zu erahnen, bevor sie entstehen, und er verliert den Ball nicht in der gefährlichen Zone. In der Premier League hat er von allen Spielern, die regelmäßig spielen, die höchste Passsicherheit - und das, obwohl ihn Guardiola recht offensiv einsetzt, da, wo die Räume eng und die Gegner aggressiv sind.

Mit seinem Sechser-Trio Khedira-Kroos-Gündoğan kann Joachim Löw zwischen zahlreichen offensiven und defensiven Varianten im Mittelfeld variieren. Das Duo Toni Kroos/İlkay Gündoğan wäre quasi eine neue Achse, beide standen in Pflichtspielen erst dreimal zusammen in der Startaufstellung.

Groß gesprochen über Gündoğan wurde nach dem 8:0 nicht. Joachim Löw lobte die Debütanten Serge Gnabry und Benjamin Henrichs; alle waren froh, dass sie den Ausflug in den 30 000-Einwohner-Staat am Fuße des Monte Titano verletzungsfrei hinter sich gebracht hatten. Pässe gegen San Marino sind eben nicht der Maßstab für İlkay Gündoğan. Aber wenn sein Körper mitmacht, dann stehen die Chancen gut, dass größere Gegner gegen seine Pässe auch mal so aussehen, als seien sie San Marino.

© SZ vom 14.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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