DFB:Plötzlich ist da ein Verfahren

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Muss derzeit viel telefonieren: DFB-Interimspräsident Rainer Koch steht wegen des Umgangs des Verbandes mit der Ethikkommission in der Kritik. (Foto: Maik Hölter/Imago/Team 2)

In der Affäre um die Auflösung des DFB-Ethikgremiums gibt es eine neue Volte, die der Verbandsspitze zupass kommt. Doch der Vorgang bleibt rätselhaft.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt

Die Not ist immens an der Spitze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) um Interimspräsident Rainer Koch. Sie muss sich des Vorwurfs erwehren, mit üblen Tricks die Ablösung des ihr unangenehmen Ethik-Chefs Bernd Knobloch durch die umstrittene Irina Kummert forciert und die Sprengung der eigenen Ethikkommission in Kauf genommen zu haben. Sogar im Amateurlager, lange Zeit Kochs Basis, ist der Unmut so immens, dass beim Treffen an diesem Mittwoch peinliche Fragen zu erwarten sind. Aber jetzt gibt es, passgenau vor der Zusammenkunft, eine neue, verblüffende Volte in der Causa.

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Am Dienstag legten die abgetretenen drei Ethiker einen gemeinsamen Protestbrief vor - und simsalabim: Minuten später hielt der DFB eine Mitteilung von Hans Lorenz dagegen. Darin tut der Chef des DFB-Sportgerichts Verblüffendes kund: Bei ihm sei ein Verfahren gegen Knobloch anhängig. Das ist bedeutsam im Beharrungskampf von Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge, weil in der Präsidiumssitzung letzte Woche unmittelbar vor Knoblochs Demontage als Ethik-Boss ein Verfahren gegen den Münchner Juristen thematisiert worden war. Nur gab es dafür keinen Beleg, Knobloch wies das heftig zurück. Nun die wundersame Bestätigung eines Verfahrens, das den DFB-Granden auf die Beine hilft. Was hat es damit auf sich?

Der DFB und Lorenz äußern sich dazu nicht, trotz der außerordentlichen Bedeutung. Knobloch sagt, ihm sei neben einem am 3. Mai beendeten Verfahren kein weiteres bekannt - tatsächlich wurde der damalige Antrag "zurückgewiesen". Erledigt. Ein weiteres Ex-Ethikmitglied bestätigt, es sei kein hängiges Verfahren gegen Knobloch bekannt. Und die Ethiker müssten es wissen - weil nur sie Anzeigen vors Sportgericht bringen können. Oder ist die mysteriöse Anzeige erst nach dem Zerfall des Gremiums erfolgt?

Die Sache wird bizarr. Knobloch amtierte seit Herbst 2020 kommissarisch als Ethik-Chef. Das beschlossen die Mitglieder, neben ihm und Kummert der Theologe Nikolaus Schneider und die Korruptionsexpertin Birgit Galley. Anfang Juni landeten bei ihnen zwei Anzeigen gegen Koch. Es geht um mögliches Fehlverhalten des Interimschefs rund um die Reform-Initiative "Fußball kann mehr" - und um detaillierte Angriffe des Ex-Präsidenten Reinhard Grindel gegen Koch. Gleich darauf rückte das Thema "Ethik-Vorsitz" auf die Agenda. Im DFB-Präsidium wurde dann Kummert gekürt - und parallel ein angebliches Verfahren gegen Knobloch thematisiert. Der Jurist unterlag der Personalberaterin mit 5:7.

Insbesondere der Umgang mit dem Theologen Schneider war ungeheuerlich

Doch zu dem angeblichen Verfahren gibt es Widersprüche. Osnabrügge erklärte seinen Einwurf den Kollegen so: Er habe vor Längerem eine als Anzeige zu wertende Beschwerde einer Mitarbeiterin an die Ethiker weitergereicht, die auch Knobloch betreffe. Ob dieses Verfahren erledigt sei, habe nicht geklärt werden können, da hierüber "niemand informiert" sei. Dieser Vorgang wurde im Rahmen eines Befangenheitsantrags am 3. Mai behandelt und erledigt. Der Geschäftsführer der Kommission versandte den Beschluss, wonach das Sportgericht den Antrag auf Befangenheit zurückgewiesen habe, am 12. Mai an Osnabrügge. Das soll Osnabrügge inzwischen intern auch einräumen.

Die Argumentation läuft nun offenbar darauf hinaus: Das eine, die Befangenheits-Causa, habe nichts mit dem aktuellen zu tun - da ginge es um einen isolierten Fall in der Causa der Mitarbeiterin. Diese auch für kundige Beobachter arg verschraubte Darlegung passt nicht zur Tatsache, dass den drei abgetretenen Mitgliedern kein Knobloch-Verfahren bekannt ist. Und warum wurde ein so wichtiger Sachverhalt nicht vor der Wahl geklärt: Weil er ganz neu ist? Das wäre eine schlüssige, jedoch hochbrisante Erklärung.

Im Kampf um prozessuale Spitzfindigkeiten droht völlig unterzugehen, dass es am Tag vor der Wahl im Kreis der Amateurvertreter eine noch größere Ungeheuerlichkeit gab, die sich auf die Wahl auswirkte: Dort wurde die gesundheitliche Verfassung Schneiders, der sich wie Kummert und Knobloch zur Kandidatur für das Chefamt bereit erklärt hatte, thematisiert. Schneider stand als "Vorschlag" auf der Agenda - war aber bei der Kür gar kein Thema mehr. Dass seine Privatsphäre ins Strategiespiel der DFB-Spitze gezerrt wurde, hat den langjährigen Ratspräsidenten der Evangelischen Kirchen nun sogar zu einer öffentlichen Klarstellung genötigt: Keiner aus dem Spitzentrio - Koch, Osnabrügge und Peter Peters - habe ihn je "auf seinen Gesundheitszustand angesprochen".

Dafür meldet sich ein früherer DFB-Präsident zu Wort. Theo Zwanziger sagte der SZ: "Als ich von der Abstimmung des DFB-Präsidiums hörte und der Entmachtung der Ethikkommission, war ich erschüttert. Es geht um hochkarätige Persönlichkeiten unserer Gesellschaft, besonders Dr. Schneider war und ist als früherer EKD-Ratspräsident eine herausragende Persönlichkeit unseres Landes. Wenn sich solche Menschen dem Fußball zur Verfügung stellen, geht man so nicht mit ihnen um." Die Causa Schneider überschattet auch die bizarre Knobloch-Debatte. Alt-Präsident Zwanziger zielt mit seiner Einschätzung nun in die Mitte der Gesellschaft: "Ich frage mich ernsthaft, wie lange all das nach den würdelosen Geschehnissen der letzten Monate noch weitergehen soll!"

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