DFB-Team gegen Vietnam:Die Bundestrainerin ist sauer

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Martina Voss-Tecklenburg war mit dem Auftritt der deutschen Nationalmannschaft nicht zufrieden. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

"Das ist nicht die Idee, wie wir Fußball spielen wollen", sagt Martina Voss-Tecklenburg nach dem Auftritt ihres Teams beim 2:1 gegen Vietnam. Bis zur WM setzt sie auf die Rückkehr von Stammkräften - und auf Steigerungen in vielen Bereichen.

Von Frank Hellmann

Ziemlich viele Menschen schwenkten am Samstag auf der sonnenüberfluteten Gegengerade der traditionsreichen Spielstätte am Bieberer Berg ihre roten Flaggen mit gelbem Stern. Dass ihr Nationalteam in Offenbach vorspielte, versetzte etliche Landsleute aus Vietnam in Aufregung. Bei der kommenden Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) ist Vietnam als Neuling dabei, es geht für die Fußballerinnen aus Südostasien dort um ein ehrbares Abschneiden. Dagegen haben sich die deutschen Spielerinnen eigentlich vorgenommen, den dritten Stern - also den nächsten Titel nach 2003 und 2007 - zu gewinnen.

Doch diesem Anspruch konnte die DFB-Auswahl im ersten WM-Vorbereitungsspiel nicht ansatzweise gerecht werden. Unterm Strich stand ein mühsamer 2:1-Arbeitssieg, der nicht geeignet war, eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen - auch wenn in der Aufstellung viele Stammkräfte fehlten. Die extra eingeladenen Weltmeisterinnen von 2003 mit der damaligen Bundestrainerin Tina Theune, der einstigen Co-Trainerin Silvia Neid und Torschützin Nia Künzer, die damals das Golden Goal im Finale per Kopfball erzielte, dürften ebenfalls mehr erwartet haben.

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Unter den 13.652 Zuschauern feierte am Ende nur die asiatische Abordnung frenetisch. Wegen des späten Anschlusstreffers von Thanh Nha Nguyen in der Nachspielzeit (90.+2) folgte sogar noch eine Ehrenrunde - und reichlich Erinnerungsfotos. Derweil sprach Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg an die deutschen Fans fast schon eine Entschuldigung aus. "Das ist nicht die Idee, wie wir Fußball spielen wollen. Es gibt in allen Bereichen noch ganz viel zu arbeiten und ganz viel zu tun. Wir sind bei 40 Prozent", sagte die 55-Jährige im ZDF.

Trotzdem hätte sie sich gewünscht, dass ihr Ensemble die von ihr ausgegebene "Fehlertoleranz" nicht dermaßen ausreizt. Im athletischen Bereich werde man die nächste Zeit vorankommen, "die Fitness schieben wir nach oben, aber ich weiß nicht, ob jede Spielerin unsere Prinzipien bei der Positionierung verstanden hat". Außerdem habe die Bundestrainerin bei einigen Basistugenden "einen anderen Anspruch" an ihre Spielerinnen.

Die meisten Spielerinnen aus Wolfsburg und München fehlten

Ein feiner Hackentreffer von Paulina Krumbiegel auf Vorlage von Nicole Anyomi (3.) weckte frühe Erwartungen, die lange nicht erfüllt wurden. Immerhin schaffte die eingewechselte Janina Minge noch einen zweiten Treffer (80.). Lena Lattwein fand deutliche Worte für den zusammenhanglosen Auftritt: "Das war eine zusammengewürfelte Mannschaft, aber so wild haben wir auch gespielt. Wir müssen uns in vielen Bereichen steigern. Wir hatten offensiv keinen Zug zum Tor und defensiv eine schlechte Positionierung."

Erst am vergangenen Dienstag war die Vorbereitung angelaufen. Zudem bleibt als Erklärung für die entäuschende Vorstellung, dass bis dahin nur drei Trainingseinheiten stattfanden und die meisten Spielerinnen vom VfL Wolfsburg und vom FC Bayern noch fehlten. Die Münchnerinnen hatten mit ihrer verspäteten Abstellung von fünf Akteuren Mitschuld am unrunden Auftritt, weil niemand aus dem Quintett mitspielte.

An Laura Freigang läuft das Spiel weitgehend vorbei

Dass der Rest des Kaders physische Vorteile gegen diesen im Schnitt um einen halben Kopf kleineren Gegner nicht ausspielte, sah verstörend aus. Ein Glück aus deutscher Sicht war, dass von den vor drei Wochen noch im Champions-League-Finale geforderten Akteuren des VfL Wolfsburg nicht noch Torhüterin Merle Frohms geschont wurde. Sie rettete unter anderem beim Fernschuss von Thin Van Duong famos (42.). Glück hatte das Team, als Sophia Kleinherne einen Fehlpass spielte, und Kapitänin Hai Yen Pham zum Leidwesen ihrer Anhänger nur das Außennetz (77.) traf.

Auch im Vorwärtsgang klappte bei den Deutschen nicht viel. So lief das Spiel beispielweise an Laura Freigang vorbei, obwohl diese auf mehr Einsatzzeit gedrängt hatte. So wichtig die Führungsspielerin von Eintracht Frankfurt für die Harmonie im Nationalteam ist, so sehr sucht sie im DFB-Dress noch weiter ihre Rolle. Dabei sollten sich laut Voss-Tecklenburg doch die "Spielerinnen im Selektionsprozess" zeigen.

Der Auftakt war elegant: Paulina Krumbiegel trifft per Hacke zum 1:0. (Foto: Mirko Kappes/foto2press/Imago)

Doch unendlich viel Zeit, um an der Abstimmung des Teams zu feilen, bleibt nicht: Abflug nach Sydney ist am 11. Juli. Das erste Trainingslager endet bereits am Dienstag, ein zweites steigt dann vom 2. bis 8. Juli, wobei die darin enthaltene WM-Generalprobe gegen Sambia in Fürth (7. Juli/20.30 Uhr/ARD) dem Team einen "emotionalen Push" (Voss-Tecklenburg) geben soll.

Diesen klaren Schub braucht es noch im deutschen Spiel, wenn dieses Team nach der machbaren Vorrunde gegen Marokko (24. Juli), Kolumbien (30. Juli) und Südkorea (3. August) vor einer Achtelfinalhürde wie Brasilien oder Frankreich stehen sollte. Sonst könnte die in deutschen Großstädten angelaufene WM-Kampagne zum Erwerb des dritten Sterns schnell ins Leere laufen.

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