Deutschland nach der Handball-EM:Schon wieder Österreich

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Bis bald: Nach dem Remis bei der EM schleichen die deutschen Spieler vom Platz, während die Österreicher im Hintergrund jubeln. Das soll sich in der Olympia-Qualifikation in knapp sechs Wochen ändern. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Die Handball-EM ist vorbei, doch bereits Mitte März geht es in die Olympia-Qualifikation gegen Österreich, Kroatien und Algerien. Vorher soll in einer DHB-Präsidiumssitzung die Zukunft von Bundestrainer Alfred Gislason geklärt werden.

Von Ralf Tögel, Köln

Österreich, natürlich, wer sonst. Und Kroatien. Bei der Olympia-Qualifikation Mitte März treffen die deutschen Handballer auf zwei gute Bekannte. Genauer gesagt auf jene Gegner, die dem Vierten der Heim-EM soeben unerwartet große Probleme bereitet haben. Die Österreicher flogen mit ungeahnter Leichtigkeit als Überraschung durch dieses Turnier, holten mit dem 22:22 ein für die Deutschen schmeichelhaftes Remis. Spielmacher Lukas Hutecek meint sogar, dass die Mannschaft noch lange nicht gelandet ist: "Man kann noch einiges von uns erwarten", warum nicht schon bei den Olympischen Spielen in Paris? Rechtsaußen Robert Weber schickte schon mal einen Gruß an den Favoriten: "Wir haben immer Respekt, aber Angst haben wir vor denen keine mehr." Weber wurde im Übrigen ins Allstar-Team des Turniers gewählt, ein weiterer Beleg für die Qualität der Österreicher.

Und die Kroaten haben dem zweiten Anzug der Deutschen im letzten Hauptrundenspiel Grenzen aufgezeigt. Dabei hatte Anführer Domagoj Duvnjak angesichts des feststehenden Ausscheidens noch mit leidendem Hundeblick angemerkt, dass es "sehr, sehr schwer" werde, sich in so einer bedeutungslosen Partie nochmals aufzuraffen. Ein Bluff, das abgezockte Team vom Balkan fügte den jungen Mannen von Alfred Gislason mit dem 30:24 die deftigste Niederlage des Turniers zu. Zur Erinnerung: Die Spiele gegen Frankreich, Dänemark und Schweden, die Weltbesten (eine EM ist wegen fehlender Exoten höher einzuschätzen als eine WM und Olympia) gingen jeweils nur mit drei Treffern Unterschied verloren.

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Gislason begegnet dieser Aufgabe, die wohl in Hannover stattfinden wird, weil Deutschland sich als WM-Fünfter dafür bewerben darf, mit großer Gelassenheit. Zunächst einmal werde man auch den dritten Gegner Algerien, den Zweiten der Afrikameisterschaft, keinesfalls unterschätzen. Deutschland genießt nach Lage der Dinge erneut den Heimvorteil, hätte mehr als 10 000 Fans in der Arena zu Hannover im Rücken und gilt als klarer Favorit - zumal die ersten beiden in jedem der drei Vierer-Qualifikationsturniere ein Ticket nach Paris erhalten. Ferner bietet diese Qualifikation den deutschen Handballern die schnelle Gelegenheit, wieder etwas geradezurücken. Gislason teilt seine Absichten unmissverständlich mit: "Gegen Österreich haben wir sehr schlecht gespielt, das wird uns nicht mehr passieren. Und gegen Kroatien habe ich die erste Besetzung geschont. Hätten wir unbedingt gewinnen müssen, dann hätten wir das geschafft."

Gislason hat einen jungen, leistungsfähigen Kader gebaut, der viel Gutes für die Zukunft verspricht

Klare Worte von Bundestrainer, die er dem Präsidium des Deutschen Handballbunds (DHB) demnächst erläutern muss. Das tagt am 9. und 10. Februar passenderweise in Hannover, dort müssen die beiden Bundestrainer ein Resümee des vergangenen Turniers ziehen und ihre Pläne für die Zukunft erläutern. Frauen-Chefcoach Markus Gaugisch hat mit seinem Team im Gegensatz zum Kollegen Gislason das anvisierte Viertelfinale bei der WM im Dezember verpasst, nun steht in Neu-Ulm (11. bis 14. April) die Olympia-Qualifikation gegen Montenegro, Slowenien und Paraguay auf dem Programm. Für den WM-Sechsten ebenfalls lösbar, denn alle drei Gegner (Montenegro Siebter, Slowenien 11. und Paraguay 29.) waren hinter der DHB-Auswahl platziert. Sollte Gaugisch das Ticket nach Paris lösen, verlängert sich sein Vertrag automatisch bis 2026.

In Renars Uscins und Torhüter David Späth haben sich zwei 21-Jährige in die Stammbesetzung gespielt

Eine Klausel, die Gislason auch gerne in seinem Vertragswerk wüsste. Er hat bei der EM mit dem Halbfinaleinzug das Wunschziel erreicht, hat darüber hinaus die Mannschaft erfolgreich verjüngt - allein vier U21-Weltmeister konnten sich bei der EM zeigen. Zudem hat er öffentlich hinterlegt, dass er mit diesem Kader gerne bis zur Heim-WM 2027 weitermachen würde. Es ist dennoch nicht zu erwarten, dass die DHB-Granden schon nach ihrer Sitzung in knapp zwei Wochen ein Kommuniqué zur vertraglichen Zukunft des ersten sportlichen Angestellten veröffentlichen lassen. Anzunehmen ist, dass man sich hinter den Kulissen darauf einigen wird, Gislason das olympische Turnier anzuvertrauen - kaum jemand im DHB zweifelt an einer erfolgreichen Qualifikation -, und danach die Situation erneut bewerten wird.

Gislason wäre zur Heim-WM 2027 reife 67 Jahre alt, daher tauchten bereits im Umfeld der EM die Namen Florian Kehrmann und Maik Machulla auf. Beide haben Titel der Bundesliga gewonnen (Kehrmann mit Lemgo den Pokal, Machulla mit Flensburg zwei Meisterschaften), vor allem Kehrmann hat DHB-Stallgeruch, war sogar Teil des Wintermärchens 2007; aber keiner von beiden hat als Trainer einen internationalen Erfolg vorzuweisen. Gislason sehr wohl: unzählige auf Vereinsebene und nun den vierten Platz bei der EM.

Der Kader hat mittlerweile exzellente Zukunftsperspektiven: In Renars Uscins und Torhüter David Späth haben sich zwei 21-Jährige in die Stammbesetzung gespielt, in Nils Lichtlein, Justus Fischer und Martin Hanne stehen die nächsten Hochtalentierten bereit. Die Achse um Spielmacher Juri Knorr und Rückraumspieler Julian Köster ist 23 Jahre alt, Kapitän Johannes Golla nur drei Jahre älter. Sebastian Heymann hat angedeutet, dass er das Problem der fehlenden Wurfkraft beenden kann. Auf Außen und am Kreis ist das Team traditionell tief und stark besetzt, die Bundesliga bringt zuverlässig Topspieler hervor. Und die Abwehr inklusive Andreas Wolff im Tor hat sich spätestens bei diesem Turnier das Prädikat Weltklasse verliehen.

Jannik Kohlbacher, mit 28 Jahren einer der älteren Recken und eine Art personifizierte Schraubzwinge in der Defensive, findet, dass "wir langsam einen Kader finden, mit dem wir in die Zukunft gehen können". Dann fügt er an: "Am liebsten mit Alfred."

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