Olympia:Der Tag des alten Mannes

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DFB-Trainer Hrubesch: Letzter großer Auftritt (Foto: dpa)

Lange wurden die deutschen Olympia-Fußballer skeptisch beäugt. Nach dem 4:0-Erfolg im Viertelfinale ist alles anders. Das liegt vor allem an Trainer Horst Hrubesch.

Von Sebastian Fischer, Brasilia/München

Es wären die passenden Bilder des Scheiterns gewesen, die zur Ortszeit am Samstagmorgen im Estadio Mané Garrincha in Brasilia entstanden. Dort stand ein, mit Verlaub, älterer Herr aus Deutschland am Rande des Fußballfelds, unruhig lief er hin und her, 28 Grad im Schatten setzten ihm zu, seine Augen waren zu kleinen Schlitzen verengt.

Doch dann geschah das: Er baute sich auf wie ein Bodybuilder, die Hände zu Fäusten geballt, die Brust angespannt, auf den Lippen ein triumphierendes Lächeln. Es wurde der perfekte Tag für den alten Mann.

Horst Hrubesch, 65, bestreitet mit der deutschen U21-Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen in Rio sein letztes Turnier nach 16 Jahren als Trainer beim Deutschen Fußball-Bund. Bis Samstag war es ein Turnier, das für Hrubesch unter erschwerten Bedingungen begann und in der Heimat mit Skepsis beäugt wurde. Das Viertelfinale gegen Portugal am Samstag hätte sein letztes Spiel als Trainer sein können.

Doch nun, nach einem begeisternden 4:0 (1:0)-Erfolg, ist es das Turnier, das für Hrubesch das erfolgreichste seiner längst erfolgreichen Trainerkarriere werden könnte. Bei der ersten Olympia-Teilnahme seit 1988 spielt die deutsche Nationalmannschaft um eine Medaille, am Mittwoch im Halbfinale gegen Nigeria, das 2:0 gegen Dänemark gewann.

Das 0:5 von vor einem Jahr ist nun vergessen

"Kompliment, wir stehen unter den letzten Vier, das hätte so vorher keiner gedacht", sagte DFB-Sportdirektor Hansi Flick, und das war keine Übertreibung. Zunächst hatten viele Vereine Flick ja die Freigabe ihrer Spieler verweigert, dann war die Vorbereitung mehr als dürftig ausgefallen, nur ein paar Tage lang spielte sich die erstmals in dieser Form zusammengestellte Mannschaft im Training ein. Die Vorrunde mit Unentschieden gegen Mexiko (2:2) und Südkorea (3:3) sowie einem 10:0-Sieg gegen Fidschi diente als Ersatz-Training.

Und dann fällt das olympische Turnier ja auch noch in einen Sommer der vorsichtigen Veränderung im deutschen Fußball, nicht nur wegen Hrubeschs Abschied. Die Verantwortlichen im DFB verrieten am Rande der U19-Europameisterschaft in Baden-Württemberg, dass es nach der Rückkehr der Mannschaft aus Brasilien eine Analyse der Trainings- und Ausbildungskonzepte geben werde. Deutschland sucht Mittelstürmer, es fehlen in den jungen Jahrgängen auch ein paar talentierte Individualisten, wie sie zum Beispiel die Portugiesen haben.

Und nun? Ausgerechnet gegen jene Portugiesen, die Deutschlands U21 bei der EM vor einem Jahr mit einem krachenden 5:0 aus dem Turnier warfen, zeigten die Deutschen nun, dass die Analyse doch gar nicht allzu negativ ausfallen muss.

Deutschland dominierte den Gegner mit Ballbesitz und Zielstrebigkeit, die Mannschaft wirkte gar nicht mehr wahllos zusammengestellt, sondern gut aufeinander abgestimmt - Hrubeschs Werk. Es war vor allem seine Idee gewesen, die Zwillinge Lars und Sven Bender als Gegengewicht zu den flinken Mittelfeldspielern zu nominieren, die es in der U21-Generation in großer Zahl gibt.

Gnabry und Brandt sind die Schlüsselspieler

Gegen Portugal ging dieser Plan bravourös auf. Max Meyer, Serge Gnabry und Julian Brandt beschäftigten die portugiesische Abwehr ununterbrochen, die Benders schwangen dahinter den Taktstock und unterbanden jegliche Ansätze portugiesischen Konterspiels.

Gnabry und Brandt sind in diesen Tagen in besonders starker Form, der eine ist Deutschlands bester Turniertorschütze, der andere Deutschlands bester Vorbereiter - sie veredelten das starke Spiel. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte passte Brandt den Ball aus dem Zentrum zu Gnabry - er traf, zum sechsten Mal in Brasilien. Horst Hrubesch warf sich an der Seitenlinie in Bodybuilderpose.

Noch einen Sieg mehr als 1988

Und in der zweiten Halbzeit wurde er immer gelöster: Brandt bereitete per Eckstoß auch das 2:0 durch ein Kopfballtor von Matthias Ginter und das 4:0 durch den eingewechselten Philipp Max vor, zwischendrin hatte sogar Davie Selke getroffen, mit seiner fünften Großchance gelang ihm das 3:0. Flick sprach von einer "beeindruckenden Leistung". Eine mehr sollte für den Finaleinzug in Rio reichen, an dem 1988 die letzte deutsche Olympiamannschaft scheiterte.

Damals spielten Thomas Häßler und der famose Wolfram Wuttke im deutschen Mittelfeld, vorne schoss Jürgen Klinsmann die Tore, im Tor stand Uwe Kamps, Trainer war der Kölner Hannes Löhr, den sie nach dem Spiel um Platz drei gegen Italien auf Händen durchs Stadion in Seoul trugen. Den 1,88 Meter großen und, mit Verlaub, durchaus wuchtigen Hrubesch zu tragen, das dürfte etwas schwerer werden. Gnabry, Brandt, die Benders - sie sollten schon mal überlegen, wie sie das hinkriegen.

© SZ vom 14.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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