Deutsche U 21 nach dem EM-Auftakt:"Das darf uns nicht mehr passieren"

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Überzeugt nach seienr Einwechslung: Joshua Kimmich. (Foto: AFP)
  • Serbien spielt wuchtig und raffiniert - die Deutschen schauen zu: Der Auftakt der U-21-EM verläuft anders als erwartet. Das Spiel endet 1:1.
  • Erst als Joshua Kimmich, ein junger Zugang des FC Bayern eingewechselt wird, ändert sich das Spiel.
  • Zu den Ergebnissen und Spielplan der U-21-EM geht es hier.

Von Matthias Schmid, Prag

Der Motor lief schon, das Tor hinaus in die Prager Dunkelheit stand offen. Aber diese eine letzte Frage wollte Horst Hrubesch noch beantworten, ehe er im Bus verschwand, der die deutsche U-21-Mannschaft vom Letna-Stadion zurück ins Hotel bringen sollte. Warum er denn in der Pause Moritz Leitner in der Kabine gelassen habe, wollte jemand von ihm wissen?

Horst Hrubesch lächelte dieses sanfte Horst-Hrubesch-Lächeln, es ist ein zufriedenes Lächeln, der Bundestrainer ist ein Mensch, der sich selbst nicht zu wichtig nimmt, der nicht den ganzen Tag über Fußball nachdenkt. Er ist kein Grübler, der sich in sein Büro verkriecht wie Pep Guardiola und sich das Gehirn darüber zermartert, wie er dem Gegner am besten die Lust am Spielen nimmt, der alle Eventualitäten durchspielt. Er sieht die Dinge eher pragmatisch, entscheidet mit Menschenverstand, er interessiert sich auch dafür, was seine Spieler abseits des Rasens so machen.

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Also entgegnete Hrubesch mit einer Gegenfrage: "Wie hätte ich in der zweiten Halbzeit, in der wir aggressiver spielen wollten, jemanden in die Zentrale stellen sollen, der schon die gelbe Karte gesehen hat?" Er lieferte die Antwort gleich selbst, in dem er wieder sein Hrubesch-Lächeln aufsetzte. Es gab keine Nachfragen. Hrubesch wollte keine öffentliche Diskussion darüber eröffnen, ob Moritz Leitner vielleicht doch der falsche Mann gewesen sei für diese Position, in diesem Spiel, nach seiner Vorgeschichte auf der Tribüne beim Abstiegskandidaten VfB Stuttgart.

Doch der Reihe nach: Das 1:1-Unentschieden im Eröffnungsspiel der U-21-Europameisterschaft in Tschechien gegen Serbien am Mittwochabend stellte auch Hrubesch nicht zufrieden, der im Vorfeld kein Gelegenheit entgehen ließ, hervorzugeben, dass seine Mannschaft hier nur um den Titel spielt. Mehr noch: Er hob ständig das Alleinstellungsmerkmal seiner Spieler hervor, die stets nach vorne kombinieren, das Tempo bestimmen würden: "Alle Mannschaften werden uns die Initiative überlassen". Davon war der 64-Jährige ausgegangen. Doch er sollte sich täuschen.

Die Serbien begnügten sich nicht damit, den hochbegabten Deutschen dabei zuzusehen, wie sie flott den Ball zirkulieren lassen und den schnellsten Weg zum Tor suchen, im Gegenteil. Sie hatten in der Anfangsphase die Spielgeschwindigkeit geprägt, wuchtig und raffiniert gespielt. "Wir sind nur hinterhergelaufen", monierte Matthias Ginter. Der Dortmunder Innenverteidiger hatte erheblichen Anteil daran, dass die Serben, die sich in den Playoffs gegen Titelverteidiger Spanien durchsetzten, in Führung gegangen waren.

Sein Fehlpass erst hatte Filip Djurcic ins Spiel gebracht, der Mainzer, der im vergangenen halben Jahr an Benfica Lissabon ausgeliehen war, rannte los, tunnelte auf dem Weg zum Tor nebenbei noch Robin Knoche, um schließlich an Marce-André ter Stegen vorbei zum 1:0 (8.) einzuschießen.

Es war die deutsche Mannschaft, die den Serben beim Fußball spielen zugeschaut hat. "Das darf uns nicht mehr passieren", kritisierte Kapitän Kevin Volland. Sein Rückpass auf Emre Can hatte den schnellen Ausgleich ermöglicht. Der Profi des FC Liverpool legte sich in seinem Rücken mit links den Ball vor, um mit rechts platziert abzuschließen - ein formidables Tor. "Wir wollen das Spiel gewinnen, immerhin haben wir es nicht verloren", fasste der frühere Bayern-Spieler zusammen.

Diesen Satz haben sie zum Motto des Abends erhoben: Es hätte ja noch schlimmer kommen können. Die beste Chance des Spiels hatten die Serben noch durch einen wuchtigen Schuss aus 28 Metern von Goran Causic, den ter Stegens Fingerspitzen noch an die Unterlatte lenken konnten.

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Auch wenn Hrubesch die Hereinnahme von Joshua Kimmich für Leitner als taktisch zwingend und nicht als nachträgliche Korrektur interpretierte, weil Leitner nach seiner Leidenszeit in Stuttgart die Form und die Selbstsicherheit fehlt, änderte sich etwas am Spiel. "Wir standen kompakter, agierten aggressiver und haben keine Chance mehr zugelassen", erkannte Ginter. Kimmich habe seine Sache gut gemacht, lobte der Weltmeister noch.

Der künftige Bayern-Profi spielte nicht spektakulär, er spielte einfach, aber seine Pässe landeten wenigstens beim Mitspieler. Auch Hrubesch war nicht entgangen, dass das Spiel fortan mehr Struktur und Genauigkeit hatte. Philipp Hoffmann vergab per Kopf noch die Führung (57.), auch Volland hatte nach feiner Vorarbeit des eingewechselten Leonardo Bittencourt noch eine gute Gelegenheit (86.). "Wir sind erst in der zweiten Hälfte im Turnier angekommen", gestand Hrubesch. Und das obwohl der spanische Schiedsrichter Javier Estrada Fernandez den linken Außenverteidiger Christian Günter wegen einer Schwalbe ("Er hat mich leicht berührt") mit Gelb-Rot vom Platz schickte (69.).

Am Samstag im zweiten Gruppenspiel gegen Dänemark (zum Auftakt 2:1 gegen Tschechien) erwartet Hrubesch eine verwandelte Mannschaft, eine, die nicht mehr zuschaut, sondern dazwischenhaut. "Das Tempo kommt wieder", sagt der ehemalige Stürmer, es sei ja typisch für die Mannschaft, weil sie Langsamkeit eigentlich nicht in sich hat. Horst Hrubesch lächelte wieder sanft dabei sein Hrubesch-Lächeln. Die Lässigkeit des Trainers soll sich auf die noch verzagte Mannschaft übertragen. "Lasst ihr mich nun nach Hause?", fragte Hrubesch am Ende. Er hatte noch etwas vor. Er wollte sich in der Prager Nacht noch mal das Spiel anschauen.

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