Der Motor lief schon, das Tor hinaus in die Prager Dunkelheit stand offen. Aber diese eine letzte Frage wollte Horst Hrubesch noch beantworten, ehe er im Bus verschwand, der die deutsche U-21-Mannschaft vom Letna-Stadion zurück ins Hotel bringen sollte. Warum er denn in der Pause Moritz Leitner in der Kabine gelassen habe, wollte jemand von ihm wissen?
Horst Hrubesch lächelte dieses sanfte Horst-Hrubesch-Lächeln, es ist ein zufriedenes Lächeln, der Bundestrainer ist ein Mensch, der sich selbst nicht zu wichtig nimmt, der nicht den ganzen Tag über Fußball nachdenkt. Er ist kein Grübler, der sich in sein Büro verkriecht wie Pep Guardiola und sich das Gehirn darüber zermartert, wie er dem Gegner am besten die Lust am Spielen nimmt, der alle Eventualitäten durchspielt. Er sieht die Dinge eher pragmatisch, entscheidet mit Menschenverstand, er interessiert sich auch dafür, was seine Spieler abseits des Rasens so machen.
Also entgegnete Hrubesch mit einer Gegenfrage: "Wie hätte ich in der zweiten Halbzeit, in der wir aggressiver spielen wollten, jemanden in die Zentrale stellen sollen, der schon die gelbe Karte gesehen hat?" Er lieferte die Antwort gleich selbst, in dem er wieder sein Hrubesch-Lächeln aufsetzte. Es gab keine Nachfragen. Hrubesch wollte keine öffentliche Diskussion darüber eröffnen, ob Moritz Leitner vielleicht doch der falsche Mann gewesen sei für diese Position, in diesem Spiel, nach seiner Vorgeschichte auf der Tribüne beim Abstiegskandidaten VfB Stuttgart.
Doch der Reihe nach: Das 1:1-Unentschieden im Eröffnungsspiel der U-21-Europameisterschaft in Tschechien gegen Serbien am Mittwochabend stellte auch Hrubesch nicht zufrieden, der im Vorfeld kein Gelegenheit entgehen ließ, hervorzugeben, dass seine Mannschaft hier nur um den Titel spielt. Mehr noch: Er hob ständig das Alleinstellungsmerkmal seiner Spieler hervor, die stets nach vorne kombinieren, das Tempo bestimmen würden: "Alle Mannschaften werden uns die Initiative überlassen". Davon war der 64-Jährige ausgegangen. Doch er sollte sich täuschen.
Die Serbien begnügten sich nicht damit, den hochbegabten Deutschen dabei zuzusehen, wie sie flott den Ball zirkulieren lassen und den schnellsten Weg zum Tor suchen, im Gegenteil. Sie hatten in der Anfangsphase die Spielgeschwindigkeit geprägt, wuchtig und raffiniert gespielt. "Wir sind nur hinterhergelaufen", monierte Matthias Ginter. Der Dortmunder Innenverteidiger hatte erheblichen Anteil daran, dass die Serben, die sich in den Playoffs gegen Titelverteidiger Spanien durchsetzten, in Führung gegangen waren.
Sein Fehlpass erst hatte Filip Djurcic ins Spiel gebracht, der Mainzer, der im vergangenen halben Jahr an Benfica Lissabon ausgeliehen war, rannte los, tunnelte auf dem Weg zum Tor nebenbei noch Robin Knoche, um schließlich an Marce-André ter Stegen vorbei zum 1:0 (8.) einzuschießen.