Deutsche Basketballer bei der EM:Euphorisch in die Hammerspiele

Lesezeit: 3 min

Schon in Turnierform: Dirk Nowitzki (Foto: AFP)
  • Die deutschen Basketballer verlieren denkbar knapp gegen Serbien, begeistern aber ihr Publikum.
  • Plötzlich scheint manches möglich bei der Europameisterschaft, auch weil Dirk Nowitzki seine Turnierform erreicht hat.
  • Hier geht es zur Tabelle der deutschen Gruppe.

Von Jonas Beckenkamp, Berlin

Der Fußballtrainer Jürgen Klopp hat in seinem Leben besondere Sportmomente erlebt. Er gewann Meisterschaften, persönliche Auszeichnungen und sah seinen Stürmer Lewandowski vier Tore gegen Real Madrid schießen, aber diesmal saß er in der ersten Reihe und staunte mit weit geöffenetem Mund. Klopp war fremdgegangen zum Basketball, er zählte zu jenen 13 050 Menschen, die in der Halle am Berliner Ostbahnhof ein Riesenspektakel mitverfolgten. Ein Spektakel, das so nicht viele erwartet hatten.

Dass Deutschlands Basketballer sich mit dem WM-Zweiten Serbien bis zur allerletzten Sekunde eine enge Schlacht liefern würden, hätte wohl auch die Vorstellungskraft des Berufsoptimisten Klopp überstiegen. Am Ende fehlte es den Deutschen beim 66:68 (38:39) nur an Kleinigkeiten - zum Beispiel an einem, der Nemanja Bjelica am Korbwurf hinderte.

Die Entscheidung im zweiten Gruppenspiel der DBB-Auswahl fiel auf brutale Weise: 0,9 Sekunden vor der Schlusssirene durch einen Zirkusschuss des serbischen Flügelspielers. "Am Ende haut der Bjelica dann eiskalt das Ding rein. Natürlich sind wir enttäuscht und frustriert", sagte ein abgekämpft dreinblickender Dirk Nowitzki (15 Punkte, zehn Rebounds): "Uns hat am Ende das Glück gefehlt."

Zwischen Frust und Freude

Bis zu diesem Moment hatten er und seine Kollegen ihr bestes Länderspiel seit zwei Jahren gezeigt - damals gelang (ohne Nowitzki) bei der EM 2013 völlig überraschend ein Auftakterfolg gegen Frankreich. "Wir können stolz sein auf unseren heutigen Auftritt", fand der zweite deutsche NBA-Akteur Dennis Schröder. Irgendwo zwischen Frust und Freude pendelte sich schließlich die Stimmungslage ein nach diesem unerwartet starken Auftritt mit bitterem Ende.

Nach dem qualvollen 71:65 gegen Island zum Turnierstart wollte die Auswahl von Bundestrainer Chris Fleming endlich Klarheit über ihr Standing bei dieser EM. Das gelang. Sie und die Öffentlichkeit wissen nun: Mit den Deutschen ist an einem Tag wie diesem zu rechnen.

"Wir haben gezeigt, dass wir hier jeden schlagen können, auch Klasseteams wie Serbien", meinte Paul Zipser, der zwar nur zwei Zähler zustande brachte, aber trotzdem überzeugte. Weil er fünf Assists verteilte, weil er sechs Rebounds vom Brett pflückte - und weil er eben jenen Bjelica lange Zeit mit seiner Physis beackerte.

Außer in der letzten Szene, als Serbiens Bester (zwölf Punkte, sieben davon im letzten Viertel) durch einen Block an Alex King zum Korb gelangte und über Tibor Pleiß hinweg traf. Aus unerfindlichem Grund hatte Trainer Fleming Zipser auf die Bank beordert, als der 21-Jährige eigentlich am wertvollsten gewesen wäre.

"Es war größtenteils meine Aufgabe, Bjelica zu bewachen. Das hat gut geklappt, aber in diesem Moment war Alex bei ihm", ließ der Münchner wissen. Kings Einsatz geschah nicht mit ausreichender Vehemenz, wie sich zeigte. Über seine Auswechslung beschweren wollte Zipser sich nicht, zumindest nicht öffentlich.

Nowitzki mit Gebrüll gefeiert

Coach Fleming wich der Problematik auf der Pressekonferenz aus: "Wenn du so knapp verlierst, gibt es hinterher einen Haufen kleiner Dinge, die besser hätten laufen können." Seine Mannschaft sieht Fleming "auf einem guten Weg", trotz aller Enttäuschung, trotz auffälliger Schwächen beim Rebound und in der Spiel-Organisation.

Tatsächlich hat vieles ziemlich gut geklappt: In der ersten Hälfte geriet die Arena nah ans Zerbersten, als die Zuschauer die Wurfkünste von Nowitzki, Schröder (elf Zähler) und Pleiß (15) mit Gebrüll feierten. Zudem funktionierte - anders als gegen Island - die Verteidigung gegen Distanzwürfe. Die Serben verwandelten nur vier von 30 Dreiern, weil ihnen beim Abdrücken meist eine deutsche Hand vor der Nase herumwedelte. Eine Steigerung im Vergleich zur Auftaktpartie war das allemal und auch das Fehlen des verletzten Robin Benzing (er soll bald wieder fit sein) wirkte sich nicht negativ aus. "Es hat Spaß gemacht heute", erklärte Nowitzki.

Nowitzki hat seine Turnierform erreicht - ein besseres Signal gibt es kaum. Der Würzburger blickte wie viele seiner Kollegen mit Zuversicht auf die nächste Aufgabe am Dienstag gegen die Türkei (17:45 Uhr Liveticker auf SZ.de). "Die Türken sind eine sehr gute Mannschaft, aber wir haben heute ein tolles Spiel gemacht. Jetzt ruhen wir uns kurz aus und dann stellen wir uns mental auf drei Hammerspiele ein." Neben den defensivstarken Türken warten noch die bisher wenig überzeugenden Italiener (sie gewannen ihr zweites Spiel nur mit Mühe gegen Island) sowie Spanien. Schon ein Sieg könnte fürs Achtelfinale in Lille reichen. Dann würde Jürgen Klopp wieder staunen.

© Süddeutsche.de/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Deutschland bei der Basketball-EM
:0,9 Sekunden fehlen zum Coup

Dank seiner drei NBA-Spieler bringt das deutsche Team den Favoriten Serbien an den Rand einer Niederlage. Doch im letzten Moment fällt der entscheidende Korb.

Von Joachim Mölter

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: