Deutschland bei der Basketball-EM:0,9 Sekunden fehlen zum Coup

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Deutschlands Beste: Dennis Schröder (rechts) wirft einen Freiwurf, während Deutschlands Dirk Nowitzki (l) zuschaut. (Foto: dpa)

Dank seiner drei NBA-Spieler bringt das deutsche Team den Favoriten Serbien an den Rand einer Niederlage. Doch im letzten Moment fällt der entscheidende Korb.

Von Joachim Mölter, Berlin

Als "Floater" bezeichnet man im Basketball einen aus dem Lauf geworfenen Ball, einhändig und deshalb ansatzlos aus dem Handgelenk heraus beschleunigt, mit einer hohen Flugkurve, damit er auch über einen deutlich größeren Verteidiger hinweg in den Korb segelt. Mit so einem im Grunde sanften Wurf hat der serbische Flügelspieler Nemanja Bjelica am Sonntagnachmittag den deutschen Nationalspielern einen Stich versetzt, einen Schlag; man könnte sogar sagen, er hat ihnen das Herz gebrochen. Als der 2,09 Meter große Bjelica so einen "Floater" über den deutschen Center Tibor Pleiß (2,18) hinweg ins Netz gleiten ließ, resultierte das jedenfalls im 68:66 für Serbien - und es waren nur noch 0,9 Sekunden zu spielen, zu wenig für das leidenschaftlich und mit viel Herzblut kämpfende deutsche Team, um noch mal auszugleichen in seinem zweiten EM-Vorrundenspiel in Berlin.

Die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB) geht nach dieser Niederlage und ihrem Auftakterfolg über Island am Samstag also mit einem Sieg und einer Niederlage in ihren Ruhetag am Montag. Im Grunde ist das die erwartete Zwischenbilanz nach zwei von fünf Partien, aber nicht nur Dirk Nowitzki - in beiden Partien mit je 15 Punkten bester deutscher Werfer - sprach davon, "enttäuscht und frustriert" zu sein: Ein Sieg über den WM-Zweiten Serbien war so greifbar nah, sie hätten nur zupacken müssen. Vor allem in der ersten Halbzeit bei den Rebounds, den vom Brett oder vom Korbring abprallenden Bällen.

Vor der Partie war jedenfalls nicht mit so einem knappen Spiel gegen die Serben zu rechnen gewesen, dafür hatten die zu stark aufgespielt am Samstag bei ihrem 80:70 über den Olympia-Zweiten Spanien - und die Deutschen zu schwach beim 71:65 gegen den EM-Neuling Island. "Wir haben sehr viel Kraft gegen Spanien verloren", erklärte Bjelica, der schon in dieser Partie entscheidend mitgeholfen hatte mit 24 Punkten und zehn Rebounds.

Tags darauf profitierten die Deutschen dann tatsächlich von der Kraftlosigkeit der Serben, die ungewöhnlich wenig trafen, vor allem aus der Distanz: Da verfehlten sie bei 30 Dreier-Versuchen 26 Mal. Die DBB-Auswahl hätte freilich noch mehr von dieser Wurfschwäche profitieren können, wenn sie ihrem Gegner nicht so viele Rebounds gewährt hätte, die ihm immer wieder zu weiteren Chancen verhalfen - allein zwölf in den ersten 20 Minuten. "Ich hatte das Gefühl, dass wir zur Halbzeit höher hätten führen müssen", sagte Nowitzki, dessen Team zur Pause tatsächlich sogar 38:39 zurücklag: "Aber uns hat am Brett auch etwas die Größe gefehlt."

Das ist ja überhaupt die Misere der deutschen Basketballer in diesem Sommer - dass ihnen die großgewachsenen Leute ausgehen. Nachdem für die EM bereits die Power Forwards Maxi Kleber (Fußverletzung), Daniel Theis (Schulter-Operation) und Elias Harris (Finger-OP) sowie der Center Maik Zirbes (Bänder) ausgefallen waren, sank am Samstag gegen Island auch noch der 2,08-Meter-Mann Robin Benzing nieder: Er war nach einem Sprungwurf auf dem Fuß eines Gegenspielers gelandet und umgeknickt. Gegen Serbien schaute er zu, die Teamärzte hegen aber die Hoffnung, dass er im weiteren Turnierverlauf wieder mitwirken kann, womöglich schon am Dienstag (17.45 Uhr/ARD) gegen die Türkei, den direkten Konkurrenten um den Achtelfinal-Einzug.

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In den Planungen von Bundestrainer Chris Fleming spielte Benzing nach den Absagen von Kleber und Co. jedenfalls eine wichtige Rolle: als Entlastung für Nowitzki, der mit seinen 37 Jahren mehr Verschnaufpausen braucht als früher. Doch die kriegt er derzeit nicht. Nachdem er wegen Benzings Ausscheiden schon gegen Island 28 Minuten auf dem Parkett benötigt wurde, waren es gegen Serbien sogar 31; ursprünglich wollte er nicht mehr als 30 Minuten spielen. Doch die Center Tibor Pleiß, der wie Nowitzki auf 15 Punkte kam, und Johannes Voigtmann waren von den Serben frühzeitig in Foulprobleme gebracht worden und konnten nur noch dosiert eingesetzt werden. Also übernahm Nowitzki auch noch den Großteil der Rebound- Arbeit, insgesamt sammelte er zehn.

Bundestrainer Fleming wollte die Niederlage gegen Serbien nicht allein auf Bjelicas Floater in letzter Sekunde zurückführen. "In so einem Spiel hast du zweitausend Aktionen, da gibt es viele Kleinigkeiten, die du hättest besser machen können. Und wenn eine etwas anders läuft, gewinnst du vielleicht", sagte der Amerikaner. Er wies lieber auf die Leistungssteigerung des Teams gegenüber dem Auftaktspiel hin: "Die Jungs wachsen hier mit ihrer Aufgabe. Ich glaube, dass wir noch besser werden."

Nowitzki empfahl seinen überwiegend mehr als ein Jahrzehnt jüngeren Mitspielern, sich ab Montag "mental auf drei Hammerspiele einzustellen" - die verbleibenden Vorrundenpartien gegen die Türkei, Spanien (Mittwoch) und Italien (Donnerstag). Noch ist ja nichts verloren, die angestrebte K.o.-Runde der letzten 16 in Lille/Frankreich ist noch zu erreichen. Nach dem Sieg über Island hatte Teamkapitän Heiko Schaffartzik noch gesagt: "Das ist kein Mutmacher." Die Niederlage gegen Serbien, bei der er wie sein Spielmacherkollege Dennis Schröder elf Punkte erzielte, ist es dafür umso mehr.

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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