Deutsche Abwehr:Nachricht aus Cottbus

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Alleine im orangenen Meer: Matthias Ginter. (Foto: REUTERS)
  • Gegen die Niederlande spielt Bundestrainer Joachim Löw wieder mit einer Dreierkette. Seit der Ausbootung von Mats Hummels und Jérôme Boateng ist das die bevorzugte Taktik.
  • Joachim Löw will die Niederlage von Hamburg nicht auf das System schieben - doch beim 2:4 zeigen sich die Nachteile dieser Taktik.
  • Weil vor allem Jonathan Tah kein glückliches Spiel macht, wird die Frage nach Mats Hummels wieder lauter gestellt.

Von Carsten Scheele, Hamburg

Mats Hummels hat am Freitag mit Borussia Dortmund ein Freundschaftsspiel beim Regionalligisten Energie Cottbus absolviert, und hinterher ein paar Nettigkeiten getwittert. "Toller Test heute in Cottbus in einer besonderen Atmosphäre", schrieb Hummels nach dem 5:0. Dass die Nationalelf, bekanntlich ohne Hummels, quasi zeitgleich in Hamburg gegen die Niederlande einen weniger tollen Abend verbrachte und am Ende auch keine besondere Atmosphäre mehr herrschte, war sicher nur ein Zufall.

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Als Bundestrainer Joachim Löw Hummels vor wenigen Monaten zusammen mit Jérôme Boateng und Thomas Müller aus der Nationalmannschaft gekehrt hat, hat Löw auch die Abwehrformation der DFB-Elf verändert. Statt in der Viererkette, mit der Deutschland 2014 Weltmeister wurde, wird nun in der Dreierkette verteidigt, wahlweise auch als Fünferkette, wenn die Außenverteidiger mit zurückweichen. Das ging beim 2:4 gegen die Niederlande so spektakulär schief, dass man in der Spielnachbesprechung anschließend wieder bei Hummels landete, obwohl dieser ja in Cottbus am Ball gewesen ist.

Die Frage nach Hummels ist einerseits müßig, da sich Löw für den Generationswechsel entschieden hat - ohne Hummels und Boateng. Auf Nachfrage der Bild-Zeitung am Samstag meinte Löw nur: "Dazu ist alles gesagt." Allerdings hat er sich auch auf eine Abwehrformation festgelegt, die das Team gegen stärkere Gegner (Holland) offenbar vor größere Probleme stellt. Die Formation um Matthias Ginter, Niklas Süle und Jonathan Tah war daher durchaus eine, die Löw vorschwebt: mit Süle als Chef in der Mitte, flankiert von zwei ebenfalls gelernten Innenverteidigern; ergänzt auf Außen um Lukas Klostermann und Nico Schulz, die im Idealfall offensiv stürmen und die Dreierkette defensiv zu einem festen Fünferriegel erweitern (auch wenn das gegen die Niederlande selten klappte). Löw könnte die aktuell verletzten Antonio Rüdiger (für Tah?) oder Thilo Kehrer (für Klostermann?) installieren, aber ob die Abwehr dann signifikant besser stünde? Gegen Nordirland muss der Bundestrainer jedenfalls erstmal den aktuellsten Verletzten Schulz ersetzen, der gegen die Niederlande einen "Teilriss eines Bandes in der linken Fußwurzel" erlitt.

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Löws Mannschaft und die Dreierkette, das ist nicht unbedingt eine romantische Liebesbeziehung. Die Formation kann dynamischer sein als eine Viererkette - erfordert aber einen Innenverteidiger mehr. Löw hat die Dreierkette in der Vergangenheit häufiger mal probiert, mal mit Erfolg, wie beim Confed Cup 2017. Bei der EM 2016 stellte Löw im Viertelfinale gegen Italien auf die Formation um, die Partie wurde im Elfmeterschießen gewonnen - was aber nicht unbedingt an der Dreierkette lag. Gegen die Niederlande erschwerte Löw seinem Defensivriegel durch eine allgemein sehr passive Ausrichtung seiner Elf zusätzlich das Leben. Löw wollte kontern, überließ den Niederländern den Ball, sogar das Mittelfeld - die legten sich die verunsicherte Abwehr mit der Zeit zurecht und konterten sie am Ende regelrecht auseinander.

"Wir hatten unsere Schwachstellen", gab Löw zu, er attestierte seinen Abwehrspielern "ein paar Fehler zu viel, aber das hatte mit der Grundordnung wenig zu tun". Die nominellen Vorteile einer Dreierkette - eine Überzahl im Mittelfeld durch pendelnde Außenspieler zu erzeugen - kamen trotzdem nicht zum Tragen. Der Nachteil der Formation - ein Offensivspieler weniger - schmerzte dann natürlich besonders. Man habe "ab dem 1:1 die Kontrolle komplett verloren und Holland zum Toreschießen eingeladen", kritisierte der aufgebrachte Süle hinterher. Die Holländer hebelten die deutsche Defensive über die Außen immer wieder aus und brachen den Fünferriegel nach Belieben auf, was zum zweiten, dritten und vierten Gegentor führte.

Die Deutschen fanden im Gegenzug den Weg in die Spitze kaum noch, obwohl sie ja kontern wollten, weil die Strecke aus der eigenen, massierten Deckung zu weit und beschwerlich war. Um solch lange Wege erfolgreich zu überbrücken, wären Abwehrspieler vonnöten gewesen, die talentierter in der Spieleröffnung sind als das Personal, das in Hamburg auf dem Platz stand. Der talentierteste deutsche Spieleröffner dieser Tage spielte am Freitagabend aber gegen Cottbus und nicht gegen Holland.

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