Derby zwischen Braunschweig und Hannover:Ziemlich schlechteste Nachbarn

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Ein großes Polizeiaufgebot soll für einen ruhigen Ablauf sorgen. (Foto: dpa)

Beim letzten Mal kam es zu Straßenschlachten. Nun treffen Braunschweig und Hannover wieder aufeinander. Es werden Häuser durchsucht und Tiere geschändet. Niedersachsen wird zum Brennpunkt der Fangewalt.

Von Boris Herrmann

Die ganze Stadt ist voller Hasen. Sie sind überall, vor dem Hauptbahnhof, im Bürgerpark, um die Stadthalle herum. Und am Braunschweiger Burgplatz, da sind die Hasen auch. Es gibt welche mit Schlappohren und welche mit aufgestellten Ohren, einige wirken eingeschüchtert, andere haben Tränen in den Augen. Was alle Tiere eint, ist ihr blasser Teint sowie die Zahl 96 an ihrem Körper. Es handelt sich hier zweifellos um eine höchst seltene Form der Karnickelplage, zumal all diese Hasen gar nicht aus Fleisch und Blut sind, sondern aus Zettel, Stift und Kleber. Der bislang anonyme Urheber nennt sein Aktionskunstwerk "96 Angsthasen".

Am Sonntag spielt Eintracht Braunschweig gegen Hannover 96. Dieses Duell gilt als das große Niedersachsen-Derby, obwohl es in der Bundesliga zuletzt gar nicht so oft stattgefunden hat - Braunschweig war ja 28 Jahre lang weg. Die Fanlager der beiden Vereine haben es trotzdem geschafft, ziemlich schlechteste Nachbarn zu werden. Es gibt noch zwei sogenannte kleine Niedersachsen-Derbys, jeweils unter Beteiligung des VfL Wolfsburg. Auch da geht es manchmal hoch her. Aber meistens nicht ganz so hoch wie beim großen Derby. Vor dem Hinspiel im vergangenen November irrte ein Schwein durch Hannover. Im Gegensatz zur Angsthasen-Klebeaktion fehlte da allerdings die leicht ironische Ebene. Das Schwein war echt. Es trug einen 96-Schal um den Hals und wäre fast von einem Auto überfahren worden.

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Fans von Hannover 96 sollten zum Derby gegen Braunschweig aus Sicherheitsgründen in organisierten Bussen anreisen. Drei Anhänger haben nun dagegen geklagt - und Recht bekommen.

Damals im November fehlte ohnehin jede Form von Leichtigkeit. Was damals passierte, ließ sich nicht mehr als Derby-Folklore abtun. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte nicht übermäßig übertrieben, als er von "ungezügelter und blindwütiger Gewalt" sprach. Im Stadion wüteten eine halbe Stunde lang die Pyromanen, in der Stadt kam es zu Straßenschlachten, auf einem S-Bahnsteig lagen Innereien. Wenn über Fan-Krawalle in Deutschland gesprochen wird, richtet sich der Blick meist reflexartig nach Osten. Tatsache ist, dass sich im Bundesland Niedersachsen mit seinen großen und kleinen Derbys zumindest ein weiterer Brennpunkt herausgebildet hat.

Am Freitag hing ein totes Lamm am Zaun eines Trainingsplatzes von Hannover 96, garniert mit einem Satz, aus dem so viel Menschenverachtung und Dummheit spricht, dass man ihn nicht wiederholen möchte. So sympathisch sich Trainer Torsten Lieberknecht und sein Team gegen den allgemein erwarteten Abstieg wehren mögen, so unsympathisch, so kriminell sind offensichtlich Teile der Braunschweiger Fanszene. Rechte Hooligans tummeln sich da - und anscheinend auch durchgeknallte Tierschänder. Sicher, es handelt sich um eine sehr kleine Minderheit. Aber die reicht manchmal aus, um sehr viel ehrliches Bemühen in den Schatten zu stellen. Das wissen sie auch in Hannover. 96 wurde gerade zu einer Strafe von 100 000 Euro verurteilt, das Sportgericht sanktionierte Vorfälle mit Pyrotechnik aus den zurückliegen Spielen gegen Braunschweig und Wolfsburg.

Hannovers Präsident Martin Kind lässt juristisch prüfen, ob er den Bußgeldbescheid an die Verursacher weiterleiten kann. Am Sonntag geht es erst einmal darum, dass keine neuen Verursacher dazukommen. Zumal sich die Großwetterlage im Vergleich zum Hinspiel noch einmal verschärft haben dürfte. Damals steckte nur Braunschweig im Abstiegskampf, inzwischen ist Hannover auch dabei. "Natürlich liegen jetzt bei den Fans beider Mannschaften die Nerven blank", sagt Innenminister Pistorius. Manch einer fragt sich auch, ob er das sagen muss, um den größten Polizeieinsatz zu rechtfertigen, den es bei einem Spiel in Braunschweig je gegeben hat.

Etwa 3300 Beamte aus mehreren Bundesländern werden am Sonntag aufgeboten, um eine Veranstaltung mit 23 200 Zuschauern zu betreuen. Auch dieses Verhältnis (oder sollte man besser sagen: dieses Missverhältnis?) darf man als rekordverdächtig bezeichnen. Der Einsatzleiter Roger Fladung stellt sich jedenfalls auf einen hitzigen Nachmittag ein. Er gehe davon aus, dass 2200 gewaltbereite Personen in der Stadt unterwegs sein werden, sagte er der Braunschweiger Zeitung. Ob solche Ankündigungen zur Deeskalation beitragen, ist eine andere Frage.

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Während Bremen den Abstiegskampf angenommen und fast schon gerettet ist, sieht es für die ambitioniert gestarteten HSV-Teams düster aus: Hamburg taumelt und Hannover droht ein unerwarteter Absturz.

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Während beide Vereine an die Vernunft ihrer Anhänger appellieren und darauf hoffen, dass sich die Situation nicht weiter hochschaukelt, versuchen es die Behörden eher mit Abschreckung. In der zurückliegenden Woche wurden 14 Wohnungen von Fans aus Hannover und Braunschweig durchsucht. Das Innenministerium und die Polizei verpflichteten beide Klubs außerdem zu einem umfassenden Sicherheitspaket. Dazu gehört auch die etwas ungewöhnliche Anreise der Gästefans. Sie sollen alle gemeinsam kommen, in 50 Bussen, von der Polizei eskortiert. Hannover 96 will seine 2280 verkauften Tickets für den Gästeblock erst an Bord der Busse und gegen Vorlage eines Personalausweises aushändigen. Dagegen klagten am Freitag drei Käufer erfolgreich vor dem Amtsgericht Hannover. Die Drei dürfen jetzt individuell anreisen.

Die Stadt Braunschweig untersagte derweil einen von 96-Ultras angemeldeten Demonstrationszug zum Thema "Reisefreiheit für Fußballfans". Demonstriert werden darf aus Sicherheitsgründen nun lediglich auf einem abgesteckten Eckchen hinterm Hauptbahnhof, zwischen 14 und 16 Uhr. Vielleicht, so das Kalkül der Behörden, wird am Ende ja doch noch der Sport in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Anpfiff ist um 15.30 Uhr, fernab des Hauptbahnhofs.

© SZ vom 05.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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