Nach seinem dritten Streich konnte sich Yasin Ehliz ein Lächeln nicht verkneifen. Der Nationalspieler des EHC Red Bull München wusste, dass Aktionen wie diese ein untrügliches Zeichen sind: Wenn es läuft, dann läuft's. Ehliz hatte versucht, die Scheibe mit der Rückhand vor das Tor der Adler Mannheim zu spielen. Stattdessen prallte sie an einen Mannheimer Schlittschuh - und von dort direkt ins Tor. Da es im Eishockey keine Eigentore gibt, wurde auch dieses Tor zum 3:0 Ehliz zugeschrieben. Das 1:0 hatte er ebenfalls erzielt, das 2:0 von Ben Smith hatte er ideal vorbereitet: Der aktuelle "Spieler des Jahres" der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) spielte auch am Sonntag groß auf.
Dank Ehliz' Gala-Vorstellung und einem nicht minder starken Mathias Niederberger im EHC-Tor gewannen die Münchner am Sonntagnachmittag den DEL-Klassiker gegen die Adler Mannheim deutlich mit 5:1. "Das ist ein schöner Sieg, aber wir haben noch viel Arbeit vor uns", sagte Konrad Abeltshauser mit seinem kleinen Töchterchen auf dem Arm bei Magentasport. Es war ein harmonisches Bild aus EHC-Sicht.
Eishockey:Ein Reservoir an Selbstvertrauen
Trotz ungewohnter Besetzung bewahrt die Eishockey-Nationalmannschaft beim Deutschland Cup ihre spielerische Identität und gewinnt zum zehnten Mal das Turnier. In ihrem Sog erfährt auch das Frauenteam erhöhte Aufmerksamkeit.
Nur 42 Stunden vorher hatte der Meister noch eine blamable 2:7-Derby-Niederlage in Augsburg kassiert, welche den Tiefpunkt einer vier Spiele andauernden Niederlagenserie markierte, die wenige Tage zuvor auch das Achtelfinal-Aus in der Champions Hockey League (CHL) in Genf beinhaltete. Auf die Frage, wie der EHC aus der nächsten Niederlagenserie dieser Saison (im Oktober hatte eine solche gar sechs Pflichtspiele angedauert) herauskommen könne, hatte Münchens Trainer Toni Söderholm in Augsburg geantwortet: "Mit ehrlicher Arbeit, glaube ich." Für den Tag nach dem katastrophalen Derby-Auftritt kündigte Söderholm an, die Gespräche zu führen, "die geführt sein müssen. Wir können schreien, wie viel wir wollen. Aber die Wahrheit ist, wir müssen es zusammenkriegen, wir müssen detaillierter arbeiten". Selbstvertrauen könne man sich nicht kaufen, das müsse man sich verdienen.
EHC-Kapitän Patrick Hager bestritt sein 900. Spiel in der DEL
Das Mannheim-Spiel begann dann mit einer Ansage der Münchner Nordkurve: "7:2 im Derby ohne Kampf und Leidenschaft nehmen wir persönlich!", war auf einem Transparent zu lesen, sieben Spielminuten lang gab es deshalb einen Stimmungsboykott. Der Münchner Wille zur Reaktion auf die heftige Niederlage war von Beginn an greifbar. Die Münchner ließen defensiv wenig zu und erspielten sich einige Chancen. In Minute 18 blockte Ehliz im eigenen Drittel einen Mannheimer Schuss und startete daraufhin einen Alleingang, den er souverän zum verdienten 1:0 abschloss. Münchens Kapitän Patrick Hager bezeichnete vor dem Mannheim-Spiel, das sein 900. in der DEL wurde, den Ausflug nach Augsburg als "Tag zum Vergessen" und gestand ein, dass mit Blick auf die bisherige Saison "wir einfach Phasen haben, wo wir Leistung nicht bringen".
Am Sonntag brachten die Münchner Leistung. Zu Beginn des Mitteldrittels verteidigten sie ein Mannheimer Überzahlspiel nicht nur gut, sondern starteten an dessen Ende auch einen Konter, den der ehemalige Adler-Kapitän Ben Smith nach starkem Querpass von Ehliz zum 2:0 nutze (22.). Das Münchner Tempo war zu hoch für die körperlich starken, aber nicht beweglichsten Mannheimer. Und wenn die Kurpfälzer ihre Wucht in Torgefahr ummünzten, war Geburtstagskind Niederberger zur Stelle. Nur von Jordan Szwarz wurde er in Überzahl überwunden (44.), doch 84 Sekunden später stellte Abeltshauser mit dem 4:1 wieder den Drei-Tore-Vorsprung her (46.). Der EHC, der als Tabellenneunter in das Mannheim-Spiel gegangen war und bis dahin mehr Ligaspiele verloren (elf) als gewonnen (zehn) hatte, spielte an diesem Sonntag konstant, konsequent und konzentriert. Den Schlusspunkt setzte Austin Ortega zwei Sekunden vor Spielende.
"Wichtiger als die Beine ist der Kopf", hatte der ehemalige Bundestrainer Söderholm nach der Augsburg-Pleite auch gesagt. Und mental zeigten sich die Münchner am Sonntag stark. Nach der Schlusssirene war die Laune auf der anderen Seite bescheiden. "Wir haben die Schnauze voll", hallte es aus dem Mannheimer Fanblock Richtung der eigenen Spieler. Die schlechte Laune war aus dem Münchner Block in den Mannheimer gewandert.