Debatte um Gewalt rund um Fußball:Auf Konfrontationskurs zu den Fans

Lesezeit: 3 min

Lebenslange Stadionverbote, Polizeibesuche in der Wohnung, Informationen an den Arbeitgeber: Die Politik droht den Fußballfans mit harten Sanktionen. Fanbeauftragte rufen zwar zur Mäßigung der Debatte auf, doch das ist derzeit nicht sehr populär.

Sebastian Gierke

Es ist ein Überbietungswettkampf. Wer will nochmal? Wer hat noch nicht? Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie (CDU) zum Beispiel: lebenslanges Stadionverbot für verurteilte Fußball-Rowdys. Oder Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU): "Wer den Besuch eines Fußballstadions dazu missbraucht, Gewalttaten zu begehen, darf ein Stadion nicht mehr betreten." Oder der hessische Innenminister: Boris Rhein (CDU) will gewalttätige Anhänger künftig vermehrt mit Meldeauflagen oder Aufenthaltsverboten am Spielbesuch hindern.

Kaum ein Spiel derzeit ohne Bengalos: Auch die Fans von Hannover 96 wollen offenbar nicht klein beigeben und brannten in Kopenhagen wieder Pyrotechnik ab. (Foto: dpa)

Es waren vor allem die schweren Ausschreitungen von Fußball-Rowdys aus Dresden beim jüngsten Pokalspiel in Dortmund, die die Debatte über Maßnahmen gegen Gewalt bei Fußballspielen neu entfacht haben. Mittlerweile ist ein veritabler Flächenbrand daraus geworden. Auch die Sportminister befassen sich damit bei ihrer Konferenz in Weimar - und DFB-Boss Theo Zwanziger droht mit der Abschaffung der Stehplätze.

Es wird deutlich: Die betroffenen Institutionen gehen im Kampf gegen die Gewalt im Fußball auf Konfrontationskurs zu den Fans. Besonders Boris Rhein. Der hessische Innenminister kündigte "null Toleranz" an. Die Polizei werde "weit intensiver" als bisher tätig. Gewaltbereite Fans soll die Polizei vor bestimmten Partien zu Hause besuchen und ihnen erklären, dass sie besser zu Hause bleiben sollen. Über sogenannte Ausfälle minderjähriger Täter werde die Polizei Erziehungsberechtigte und Schulen informieren, bei Erwachsenen auch die Arbeitgeber.

Für Ben Vogt, Fanbeauftrager bei Eintracht Frankfurt, würde dieses Vorgehen "eine neue Qualität" darstellen. "Da werden die Daumenschrauben angezogen", glaubt Vogt und fürchtet, dass bald schärfer auf kommende Vorfälle reagiert wird.

Aussagen von Theo Zwanziger geben ihm Recht. In einem Interview mit dem Kicker kündigte der DFB-Präsident eine "noch genauere Fantrennung, stärkere Kontrollen, personalisierte Tickets bei Auswärtsspielen, aber auch eine Beschränkung oder komplette Aufgabe von Stehplätzen" an. Doch nicht nur der DFB, auch die Politik will härter durchgreifen. Der Konflikt zwischen Fans und der Staatsgewalt eskaliert, mäßigende Stimmen sind momentan nicht sehr populär.

Dass jetzt gefordert wird, den Arbeitgeber zu informieren, ist für Volker Goll von der Koordinationsstelle Fanprojekte bei der Deutschen Sportjugend ein deutliches Zeichen dafür, "wie extrem populistisch die Diskussion im Moment geführt wird". Goll spricht von Hysterie. "Die Aufmerksamkeit, die diese Fälle, auch wenn sie nicht zu rechtfertigen sind, bekommen, stehen in keinem Verhältnis mehr zur Realität. Es wird ja gerade so getan, als wäre der Fußball der letzte Ort, an dem es noch zu Gewalt kommt." Möglicherweise werde hier von der Politik aber auch eine Drohkulisse aufgebaut, so Goll. "Wer definiert denn den Hooligan und auf welcher Rechtsgrundlage wird dann ein Arbeitgeber und über was informiert?"

Die Fußballgötter
:Ultras unter sich

Die Debatte um bengalische Feuer und Fan-Ausschreitungen in der Bundesliga spitzt sich zu. Was ist erlaubt? Was nicht? Nur gut, dass unter den Ultras Einigkeit herrscht.

Guido Schröter

Genau damit hat sich der Rechtsanwalt Udo Vetter beschäftigt. Auf lawblog.de schreibt er zu Rheins Vorschlag: "Willkommen in Denunziantenland." Das Strafgesetzbuch nämlich enthalte keinen Abschnitt zur "sozialen Bloßstellung als Nebenstrafe".

Die Fußballgötter
:Ultras unter sich

Die Debatte um bengalische Feuer und Fan-Ausschreitungen in der Bundesliga spitzt sich zu. Was ist erlaubt? Was nicht? Nur gut, dass unter den Ultras Einigkeit herrscht.

Guido Schröter

Es sei, so Vetter, weder Aufgabe noch Recht der Strafverfolgungsbehörden, einem Betroffenen auch noch hinten rum zu schaden, indem sie ihn durch gezielte Mitteilungen im schlechtesten Fall arbeitslos machen. Außerdem, so Vetter, gehe es Rhein offensichtlich gar nicht um verurteilte Straftäter. Sondern um als gewaltbereit klassifizierte Fans, die möglicherweise künftig Straftaten begehen. Für Vetter ist das "ein Schritt in den Angststaat".

Volker Goll glaubt, dass die vorhandenen Maßnahmen ausreichen: "Fußballstadien sind doch auch jetzt keine rechtsfreien Räume. Das Auge des Gesetzes reicht heutzutage bis in die Hosentasche, bei der Rundum-Videoüberwachung im Stadion."

Dass es ein Problem mit gewaltbereiten Fans gibt, sei offensichtlich, dass Gewalt in Stadien nicht zu rechtfertigen ist, sei klar. Doch wie darüber gesprochen wird, das ist sowohl Goll als auch Vogt zu pauschal. So dürfe man nicht alle Fußballstandorte gleich behandeln. "Die Situation ist komplex. Es hilft keinem der Beteiligten, wenn alle Fans über einen Kamm geschoren werden", sagt Vogt.

Volker Goll assistiert: "Es wird immer Menschen geben, die über die Stränge schlagen. Aber wenn auf St. Pauli einer einen Becher wirft und damit den Linienrichter trifft, für wie viele Fans steht diese Tat?" Er fordert, dass man bis zu einem gewissen Grad auch auf die Selbstreinigungskräfte der Szene vertrauen müsse, bevor man zu Repressionen greift. "Das sind eben nicht nur Dummköpfe. Es wird innerhalb der Fanszene viel diskutiert und so werden auch viele Probleme gelöst, ohne dass die Öffentlichkeit von den Problemen überhaupt Kenntnis genommen hat."

Die Diskussion um den Einsatz von Pyrotechnik ist für Goll ein weiteres Beispiel für übertriebene Pauschalisierungen. "Wenn ich einen Feuerwerkskörper auf Menschen werfe, ist das doch anders zu beurteilen, als wenn ich ein Bengalo ruhig in die Luft halte." Die Verhandlungen mit DFB und DFL über eine Legalisierung in speziell dafür vorgesehenen Bereichen seien auf einem guten Weg gewesen, die Enttäuschung nach dem Scheitern bei vielen Fans umso größer. DFB und DFL haben das Verbot in dieser Woche bei einem Sicherheitsgipfel endgültig besiegelt.

"Damit wurde eine Tür zugeschlagen, die man sich besser offen gehalten hätte", sagte der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte, Matthias Stein. Er befürchtet, dass aufgrund der von DFB und DFL präferierten Null-Toleranz-Linie die friedlichen Gruppen in der Ultra-Szene geschwächt werden und die Arbeit der Fanprojekte künftig schwieriger wird.

Die Reaktion der Behörden: Beim Bundesligaspiel von Werder Bremen gegen den 1. FC Köln werden am Samstag von der Polizei erstmals Sprengstoff-Spürhunde eingesetzt.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: