Debatte um Formel-1-Rennen in Indien:Deutlich zu teures Vergnügen

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Letzte Vorbereitungen? Ein Arbeiter am Buddh International Circuit. Den Grand Prix in Indien wird es wahrscheinlich nicht mehr oft geben. (Foto: Roberto Schmidt/AFP)

Es geht um viel Geld und eine folgenschwere Entscheidung: Weil die Formel 1 in Indien nicht als richtiger Sport gilt, gibt es Streit über die anfallenden Steuern. Der Grand Prix an diesem Wochenende könnte deshalb ausfallen und Sebastian Vettel kampflos zum vierten Mal Weltmeister werden.

Von René Hofmann

Die Freude war groß, damals, beim Debüt vor zwei Jahren. "Toller Job!", schwärmte Formel-1-Veranstalter Bernie Ecclestone, als er sah, was für eine beeindruckende Arena für seinen Zirkus 50 Kilometer südlich von Delhi entstanden war. "Das ist ein gewaltiger Schritt für den indischen Motorsport und den Sport ganz allgemein in unserem Land", freute sich Vijay Mallya, der Besitzer der Kingfisher-Brauerei und -Fluglinie sowie eines Formel-1-Teams mit dem programmatischen Namen "Force India".

Selbst Michael Schumacher, der damals noch für Mercedes fuhr und in seinem Rennfahrer-Leben einige Schritte der Formel 1 auf neue Märkte miterlebt hatte, gab sich angetan angesichts der vielen Werbung für das Rennen, der Fachkenntnisse der Fans und deren schierer Zahl: "Ich sehe keinen Grund, warum die Formel 1 hier keine langfristige Zukunft haben sollte", meinte er. Tja, so schnell kann sich auch ein siebenmaliger Weltmeister täuschen.

An diesem Wochenende gastiert die Formel 1 zum dritten Mal in Indien. Das heißt: Ob sie wirklich ein Rennen vorführt, ist noch gar nicht sicher. Die Teams und die Fahrer sind artig angereist. Aber es gibt Ärger. Es geht um ein delikates Thema: Es geht um Geld. Der Oberste Gerichtshof in der Hauptstadt hat zugestimmt, die Petition eines Privatmannes anzuhören, der behauptet, die Organisatoren des Rennens hätten in den vergangenen zwei Jahren nicht alle Steuern bezahlt. Verhandelt werden soll der Fall an diesem Freitag.

Dass die Grand-Prix-Gäste daraufhin wieder grußlos aus dem Land gejagt werden, gilt zwar als unwahrscheinlich. Aber unmöglich ist es nicht. Auch der Bundesstaat Uttar Pradesh, in dem der Buddh International Circuit liegt, hatte die Rennveranstalter kürzlich wegen Steuernachzahlungen vor Gericht gezerrt. Die Lage ist jedenfalls ziemlich unübersichtlich und damit ziemlich genau das Gegenteil von dem, was eigentlich gewünscht wäre.

Immerhin kann sich in Indien entscheiden, ob Sebastian Vettel die WM zum vierten Mal nacheinander gewinnt. Der 26 Jahre alte Red-Bull-Fahrer hat aktuell 297 Punkte, sein einzig verbliebener Rivale - Ferrari-Lenker Fernando Alonso - kommt auf 207 Punkte. Nach dem Auftritt in Indien sind noch drei Rennen geplant: in Abu Dhabi (3.11./14 Uhr), Austin/Texas (17.11./20 Uhr) und in São Paulo (24.11./17 Uhr). Das heißt: Wenn Vettel am Wochenende vor Alonso bleibt, ist ihm der Titel sicher. Sollte das Rennen ausfallen, kann er ebenfalls feiern. Allerdings wäre das dann doch ein denkbar unwürdiger Rahmen.

So oder so - eine Erfolgsstory wird der Indien-Grand-Prix nicht mehr. Der Abschwung ist eklatant. Im ersten Jahr strömten rund 100 000 Zuschauer an die Rennstrecke, deren Bau mehr als 100 Millionen Euro gekostet hatte. Weitgehend privates Geld wohlgemerkt. Der Formel-1-Kurs sollte lediglich das Vorzeige-Objekt für ein weit größeres Projekt sein: Rund um das Rund soll eine Stadt wachsen. Hinter der Idee steht die Jaypee Group. Die Adresse des Fahrerlagers: Jaypee Sports City, Sector-25.

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Die Ambitionen erhielten allerdings früh einen empfindlichen Dämpfer: Die Formel 1 wurde in Indien nicht als Sport eingestuft. Dies hatte zur Konsequenz, dass die staatlichen Behörden auf die Tickets und alle anderen Einnahmen, die an der Rennstrecke erzielt werden, eine Vergnügungssteuer erheben können.

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Bereits vor zwei Jahren wurde der Jaypee Sports International Limited von einem Gericht auferlegt, ein Viertel der Ticket-Einnahmen wegen der Luxusabgabe zur Seite zu legen. Um diese Steuern geht es auch im aktuellen Streit. Daneben gibt es noch die Auseinandersetzungen zwischen den Teams und den indischen Steuerbehörden: Diese wollen den Umsatz als Bemessungsgröße heranziehen und nicht, wie andernorts üblich, die Gewinne.

In vielen Ländern, in denen sie antritt, kann die Formel 1 darauf bauen, dass am Ende notfalls die Regierung ein Machtwort spricht. In Indien ist das unwahrscheinlich. Der Grand Prix ist eine private Veranstaltung. Und die Euphorie, mit der diese begleitet wird, ist deutlich abgeebbt. Die Politik geht spürbar auf Distanz.

Statt des High-Tech-Images des Sports, das angeblich so gut zu dem des aufstrebenden Landes passt, werden plötzlich vor allem die Gegensätze thematisiert, zu denen die Formel 1 auch ein passendes Bild abgibt: die wenigen Reichen hier, die vielen Armen dort. Bereits im vergangenen Jahr, als nur noch gut 60 000 Rennfans erschienen, sei dies zu spüren gewesen, findet Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn, die in Indien geboren wurde.

Im provisorischen Kalender, der jüngst für das Rennjahr 2014 veröffentlicht wurde, fehlt der Grand Prix. Bernie Ecclestone hatte sich ihn im Anschluss an die Asien-Rennen zum Saisonauftakt gewünscht, doch da winkten die Verantwortlichen ab: Für sie sei es unmöglich, innerhalb eines halben Jahres zweimal Gastgeber zu spielen. Verständlich. Als Antrittsgage wird sicher ein zweistelliger Millionenbetrag fällig.

Vicky Chandhok, als Präsident der indischen Motorsport-Klubs eine der treibenden Kräfte hinter dem Rennen, konzentriert sich bereits darauf, 2015 wieder mitspielen zu dürfen in dem elitären Zirkel: "Wenn das Rennen dann nicht zurückkommt, ist es für immer verloren", befürchtet er. Für ihn wäre das ein Rückschlag. Für die Formel 1 allerdings auch. Indien galt als wichtiger neuer Markt.

© SZ vom 25.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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