Bundesliga:Werder Bremen fühlt sich bloßgestellt

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Bremen, als noch trainiert werden durfte - Kleingruppen-Übungen sind ihnen weiter untersagt (Foto: Tauchnitz / imago)
  • Ab diesem Montag trainieren zahlreiche Bundesligisten wieder in Kleingruppen auf dem Rasen.
  • Werder Bremen würde auch gerne - doch der Bremer Senat lehnte es vorerst ab, eine Ausnahmegenehmigung für die Rückkehr zu erteilen.
  • Mit Innensenator Ulrich Mäurer ist ein Streit entbrannt.

Von Javier Cáceres, Berlin

Im Pleistozän des Fußballs, also zu einer Zeit, die länger zurückliegt als nur einen Monat, trafen sich die Menschen in Kneipen. Zum Beispiel: Im Freemason's Tavern in der Londoner Great Queen Street, wo 1863 der englische Verband FA gegründet wurde, die ersten 17 Regeln abgesegnet, die ersten Konflikte über das Gesetzeswerk unter den Tisch gesoffen wurden. In vielen Ländern wurde der Fußball hernach "association football" genannt, was unter anderem darauf verwies, dass es um einen Sport geht, der von der Assoziation lebt. Von der Verknüpfung von Menschen, Ideen, Emotionen durch einen Ball.

An Assoziationen ist aus den bekannten Gründen derzeit nicht zu denken. Seit Wochen üben die Fußballer maximal das Spiel ohne Ball - sie laufen und erhalten via Filmchen Taktikschulungen. Am Montag aber wollen die Bundesligisten eine Brücke zurück in die Normalität schlagen, oder in die ungewisse Zukunft, wie man's nimmt. Und in Kleingruppen trainieren.

Die große Ausnahme bildet Abstiegskandidat Werder Bremen, dessen Fußballer im Gegensatz zu den Kollegen im Rest der Republik vorerst nicht "Ball in Sicht!" brüllen dürfen. Der Bremer Senat lehnte es vorerst ab, eine Ausnahmegenehmigung für die Rückkehr der Profis auf die werdergrünen Trainingsplätze zu erteilen. Im Lichte der im Ländervergleich überaus permissiven Bremer Quarantäne-Maßnahmen und der Tatsache, dass der HSV und St. Pauli im 130 Kilometer entfernten Hamburg trainieren dürfen, ist das überraschend: Als einziges Bundesland respektiert Bremen unter anderem auch im Augenblick noch das grundgesetzlich verbürgte Demonstrationsrecht.

In Sachen Werder verwies Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) am Freitag auf die Konferenz der Länder-Ministerpräsidenten und der Kanzlerin, "die mit dem klaren Votum endete: "Wir halten den Ball flach". Er kritisierte die Deutsche Fußball Liga (DFL) für die implizite Empfehlung, das Training am 6. April wieder aufzunehmen - falls die Behörden mitspielen. "Das ist kein wirklich gutes Signal an die Republik", sagte Mäurer.

Die Äußerungen Mäurers wollte die DFL am Sonntag nicht kommentieren. Zuvor hatte sich bereits Werder zu Wort gemeldet, wo man spätestens seit dem Disput um die Frage, wer die Polizeieinsätze bei Werders Risikospielen bezahlt, mit dem Senat überkreuz liegt. "Wir sind über die regelmäßigen öffentlichen Auftritte von Herrn Mäurer mit dieser so negativen Haltung gegenüber dem Profifußball irritiert", sagte Werders Manager Frank Baumann dem Weser-Kurier. Der Klub fühle sich "öffentlich bloßgestellt", weil Mäurer in einer Pressekonferenz einen kurzen Teil aus einem mehrseitigen Werder-Antrag vorgelesen hatte, "ohne sich seit der Antragstellung mit uns abzustimmen".

Damit werde suggeriert, "dass wir den Ernst der Lage nicht erkannt haben und die Gesundheit der Allgemeinheit auf Spiel setzen". Dies sei "nachweislich falsch". Werder habe "lange bevor es behördliche Regelungen gab", Maßnahmen pro Sozialdistanz getroffen, etwa durch die Verlegung des Trainings ins Stadion. Die jüngste PR-Kampagne Werders, Trikots mit dem Schriftzug "Stay at home", stehe solchen Aktionen und dem Wunsch nach Kleingruppen-Training nur "bei oberflächlicher Betrachtung" entgegen, sagte Baumann.

Die Hoffnung auf ein Okay hat Werder noch nicht fahren lassen, abschließend entschieden wurde über den Antrag nicht. Eine Hintertür ließ Mäurer selbst offen. Man frage die anderen Bundesländer ab, wie das Thema jenseits der Bremer Grenzen gehandhabt werde - im Sinne einer "einheitlich abgestimmten, bundesweiten Vorgehensweise". Einen "Flickenteppich", mahnte Mäurer, dürfe es nicht geben.

Das war ursprünglich auch einmal der Ansatz der DFL, der Stichtag 6. April fürs erste Kleingruppen-Training sollten für alle gelten. Dann scherte der FC Augsburg aus, stiegen Wolfsburg und Dortmund ein - zum Ärger auch von Oliver Ruhnert, Manager von Union Berlin. Es sei "schwach", dass einige Klubs die Einheitlichkeit durchbrechen wollten, klagte er im kicker. Wie Werder ist auch Union im Abstiegskampf, Rivale ist unter anderen der FCA. Auch bei anderen Klubs sorgte das Augsburger Vorgehen für Murren, weil es das Bild einer Branche zeichnete, die sich um Quarantäne-Maßnahmen der Politik nicht schert - zu einem Zeitpunkt, da der Fußball auf gute Publicity angewiesen ist. Rein rechtlich war dem FCA nichts vorzuwerfen. Auch Profis sind Angestellte, ihre Klubs Gewerbetreibende, ein Training mit behördlicher Genehmigung deshalb: Arbeit. Die ist in anderen Branchen erlaubt, meist unter hygienisch fragwürdigeren Bedingungen.

Ende vergangener Woche hatten es sechs Mannschaften dem FCA nachgetan, ab Montag folgen weitere Teams - darunter der FC Bayern und Schalke 04. Dies geschieht, wie auch andere Klubs betonen, in enger Absprache mit den lokalen Gesundheitsbehörden und vor allem der Politik, Die hat Exit-Szenarien durchgespielt und womöglich dazu beigetragen, dass die DFL schon dezidiert über eine Rückkehr zum Spielbetrieb im Mai gesprochen hat.

Anders als etwa bei den Berliner Klubs Union und Hertha BSC, die nach den Vorgaben der Behörden vorerst nur Pärchen auf den Platz schicken dürfen, können in München und Gelsenkirchen mehrere Spieler gleichzeitig auf den Rasen, unter Wahrung eines gehörigen Sicherheitsabstands der Figuren. Dieser soll, wie der kicker berichtet, in München schon bei der Anreise zum Training eingehalten werden. Die auf fünf Gruppen aufgeteilten Spieler sollen in bestimmten Zeitfenstern in die Tiefgarage im Klubzentrum einfahren. Danach sind besondere Laufwege vorgezeichnet; die Spieler sollen sich zu keinem Zeitpunkt in die Quere kommen und getrennt auf die vier Trainingsplätze laufen.

An Zweikämpfe und Ähnliches ist nicht zu denken. Aber: Pass- und Torschussübungen sind mehr als das, was Senator Mäurer für geboten hält. Fußballern sei doch erlaubt, "so viel zu laufen, wie sie können, sagte er. Was ja, egal wie man zur Rückkehr in den Trainingsbetrieb steht, eine bemerkenswerte Ignoranz gegenüber einem Sport entlarvt, der mal als Association Football bekannt war.

© SZ vom 06.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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