Comeback der Skifahrerin Vonn:Lindsey zelebriert ihre Rückkehr

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Lindsey Vonn auf einer PR-Veranstaltung in Innsbruck. Beim Saisonstart in Sölden wird sie noch fehlen. (Foto: dpa)

Die Skirennfahrerin Lindsey Vonn feiert nach langer Verletzung ihr Comeback - glamourös und voller Show-Elemente. Doch ein PR-Gag ist das nicht, im Gegenteil.

Von Gerald Kleffmann, Hall in Tirol

Auf dem Hof vor dem Lager füllt sich der Parkplatz, die Autokennzeichen machen klar: Die Gäste kommen von weit her. Diesmal allerdings nicht, um in Hall in Tirol zu ergründen, wie seinerzeit aus den Salinen Salz gefördert wurde. Die Säulenhalle, in der das kostbare Naturgut aufbewahrt wurde, erfährt samt den 15 prächtigen, neun Meter hohen Rundpfeilern aus Breccie stets viel Beachtung, doch an diesem Montag überstrahlt eine Amerikanerin aus Minnesota die Sehenswürdigkeit, die immerhin einen spektakulären Rahmen bietet. Die Skirennläuferin Lindsey Vonn, 29, aus Saint Paul, hält Hof. Das ist so, als würde im Fußball Cristiano Ronaldo zur Audienz bitten. Oder LeBron James im Basketball. Ein Riesending. Entsprechend ist die Veranstaltung im griffig genannten "Comeback Camp" aufgezogen.

Um 16.20 Uhr öffnen die Pforten wie im Colosseum einst, 100 Personen schreiten andächtig ein, Musik dröhnt, ein Film folgt gleich, der alles noch einmal zeigt. Wie Vonn schwer stürzte, im Februar 2013, bei der WM in Schladming, Diagnose: Kreuzbandriss, Innenbandriss im rechten Knie. Die Reha-Phase verlief gut, doch im November erlitt sie erst einen Teilabriss, dann im Dezember ganz den Riss im operierten Kreuzband. Jetzt steht sie hier, strahlt, die Haare perfekt getrimmt, eine Athletin in der Blüte, so scheint es zu sein. Seit Mittwoch erst trainiert Vonn wieder, auf dem Rettenbachgletscher in Sölden wagte sie den ersten Schwung, erfreut berichtet sie nun: "Es war wunderschön. Ich brauche Skifahren wie die Luft zum Atmen."

Sie strebt noch einmal Olympia-Gold an

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:Neureuther bangt um Saisonstart

Schon wieder der Rücken: Felix Neureuther muss vier Wochen vor dem Saisonstart in Sölden pausieren. Das Eiskunstlauf-Paar Savchenko/Massot startet für Deutschland. Ein nächtlicher Feueralarm schreckt die Profis des FC Bayern auf.

Nein, ihre Geschichte ist wahrlich nicht schlecht. Nüchtern betrachtet kehrt zwar nur eine lange verletzte Sportlerin zurück, nicht sofort freilich, "mein erstes Rennen wird Lake Louise sein", Anfang Dezember. Den Saisonstart in Sölden und die Rennen in Levi/Finnland, und Aspen/Colorado, lässt sie aus, "ich möchte die Dinge ruhig angehen". Ob ihr dies gelingt, ist eine andere, spannende Frage. Sie ist ja eine A-Marke, wie Marcus Höfl, der Gatte der abgetretenen Maria Höfl-Riesch, sagen würde, er unterteilt gerne in Buchstaben-Kategorien.

Doch während seine Maria sich nun ganz den roten Teppichen und Fotoshootings widmen kann als A-Marke a.D., hat Vonn die Bühne in den Bergen quasi für sich. Und sie ist bereit, es als "Veteranin" den Jüngeren zu zeigen. Die WM im Februar in Vail, ihrer Heimat, peilt sie an, klar, vor allem aber soll Pyeongchang ihre Karriere abrunden, in Südkorea strebt sie noch einmal Olympia-Gold an, in der Abfahrt vor allem. Ihr Ehrgeiz durchflutet regelrecht das ehemalige Salzlager von Hall in Tirol.

Bei allem Brimborium - menschlich ist sie doch, später wird Vonn einen Stahlblock ziehen, vor Windmaschinen auf einem halben Ball balancieren, auf Wasserflaschen verweisen, die ihren Schweiß symbolisieren sollen. Die Botschaft: Sie hat sich gequält. Wie sehr, hat jemand sogar dokumentiert. Vonn trainierte demnach in den vergangenen sieben Monaten sechs Tage die Woche, machte 250 Stunden Physiotherapie, 180 Stunden Icing, stemmte 1560 Tonnen, saß 233 Stunden im Sattel, fuhr zweimal die Tour de France. So wird es jedenfalls präsentiert, und wer sieht, wie Vonn zauberhaft grinsend davon berichtet, will sofort glauben: Muss alles so gewesen sein! Nur an fünf Tagen habe sie keine Lust aufs Gym gehabt, "weil ich schlafen wollte", sagt sie - und lacht.

Sie beherrscht das Spiel, gibt dem Skizirkus eine glamouröse, globale Dimension, nach dem Abtritt von Höfl-Riesch ist sie unverzichtbar. In welcher Liga sie agiert, zeigte sich selbst bei ihrer Absenz von den Pisten. Wie selbstverständlich kam sie den Verpflichtungen einer A-Marke nach. Besuchte mit Partner Tiger Woods US-Präsident Barack Obama. Trat bei Heidi Klums TV-Show "Project Runway" auf. Spielte mit Roger Federer Tennis auf einem Gletscher. Nur zum Mond flog sie nicht.

Ein PR-Gag indes ist ihre Rückkehr nicht, im Gegenteil, ihre Ambitionen sind glaubwürdig. Sie ist ja auch: Olympiasiegerin, Weltmeisterin, viermalige Gewinnerin des Gesamtweltcups. Mit 59 Weltcup-Triumphen fehlen ihr nur drei, um die Österreicherin Annemarie Moser-Pröll einzuholen, die längst nicht mehr fährt.

Der Körper machte den Deal nicht mit

In Sölden haben sich die zwei getroffen und nett geplaudert, sicher auch über die schwere Zeit, Ende 2013. In Sotschi wollte sie im Februar darauf ja starten, sie war als Quotenbringer beim Fernsehriesen NBC eingeplant, verschob die Operation. Doch der Körper machte den Deal nicht mit.

Sotschi, als Höhepunkt gedacht, verfolgte sie am Fernseher. Dabei hatte sich Woods frei genommen auf der US Tour. Der Golfprofi kämpft gerade selbst ums Comeback, der Rücken. Vonn und er, sie spornen sich an. "Wir sind eine gute Mischung", findet sie.

Vonn wird in elf Tagen 30, ist reifer geworden, sie hat viel erlebt, eine Scheidung, den Bruch und die späte Versöhnung mit dem Vater, die Verletzungen. Sie weiß, dass ihre Sportleruhr tickt, sie macht sich fast einen Spaß daraus, so entspannt wirkt sie. "Viele Leute glauben nicht daran, dass ich zurückkomme. Und die anderen haben sich ohne mich wohl auch recht wohl gefühlt. Aber wenn ich wieder da bin, können sie sich nicht mehr zurücklehnen", das geht in ihrem Kopf vor. Nicht Theo gegen den Rest der Welt. Lindsey gegen den Rest der Welt. "Ich gebe immer Vollgas", sagt sie erwartungsfroh. Der Trailer für die Saison ist geschnitten.

© SZ vom 07.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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