Chemnitzer FC:Trauerminute für Neonazi löst heftige Debatte aus

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Sieht aus wie eine gewöhnliche Fußball-Pyro-Ausschreitung, war aber Teil der Traueraktion für einen der führenden Köpfe der lokalen Neonaziszene. (Foto: www.imago-images.de)
  • Der Chemnitzer FC hat eine Schweigeminute für einen der führenden Köpfe der lokalen Neonaziszene abgehalten, der zuvor verstorben war.
  • Zunächst verteidigte der Verein die Aktion, später jedoch reichte Geschäftsführer Thomas Uhlig seinen Rücktritt ein.
  • Auch in der Lokalpolitik brodelt es gewaltig: Die Grünen fordern offenbar, die Verhandlungen über den neuen Stadion-Pachtvertrag zu unterbrechen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Fußball-Regionalligist Chemnitzer FC hat am Sonntag eine Hommage für einen der führenden Köpfe der lokalen Neonazi-Szene verteidigt. Vor der Partie gegen die VSG Altglienicke (4:4) war im Chemnitzer Stadion eine Schweigeminute für Thomas Haller abgehalten worden, der wenige Tage zuvor verstorben war. Hallers Foto wurde, mit einem schwarzen Trauerflor geschmückt, auf der Stadionleinwand eingeblendet. Aufnahmen, die der MDR verbreitete, zeigen, wie der Stadionsprecher die Zuschauer darüber informiert, dass "unser himmelblauer Tommy den Kampf nach langer, schwerer Krankheit verloren" habe. "Für ihn war der Chemnitzer FC Lebensinhalt", fügte der Animateur hinzu.

Am Sonntag erklärte der Tabellenführer der Regionalliga Nordost, die Verneigung vor Haller sei weder eine "offizielle Trauerbekundung" noch eine "Würdigung des Lebensinhalts des Verstorbenen" gewesen. Die Trauerbekundung sei dem "Gebot der Mitmenschlichkeit" gefolgt - "in Übereinstimmung mit Abwägungen, die von den Sicherheitsbehörden getroffen worden waren". Das ist schon deshalb interessant, weil zu Ehren von Haller Pyrotechnik gezündet wurde. Der Pressesprecher des CFC war am Sonntag nicht zu erreichen. Gleiches galt laut Polizeiführung Chemnitz auch für die Einsatzverantwortlichen.

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Der Viertligist zeigt auf der Video-Leinwand das Porträt eines Verstorbenen, der Mitbegründer einer rechtsextremen Organisation war - und verteidigt das Vorgehen als "Gebot der Mitmenschlichkeit".

Für Debatten sorgte der Vorgang auch in der Lokalpolitik. Die Fanbeauftragte des CFC, SPD-Stadträtin Peggy Schellenberger, hatte in einem nunmehr gelöschten Internetbeitrag davon gesprochen, dass es "grundlegende Dinge" gegeben habe, die sie von Haller getrennt hätten. Es habe aber auch "die andere, menschliche Seite" gegeben. Man sei immer "fair, straight, unpolitisch und herzlich" miteinander umgegangen. Ihr Fraktionschef im Stadtrat zeigte sich entsetzt. Die Linke rief den Insolvenzverwalter des klammen Vereins dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen. Gemäß der Zeitung Freie Presse forderten die Grünen von der Stadtverwaltung, die Verhandlungen mit dem CFC über den neuen Stadion-Pachtvertrag auf Eis zu legen. Die Sparkasse Chemnitz, die im Sommer als Sponsor des Vereins aussteigt, teilte mit, sie fühle sich in dieser Entscheidung nun bestätigt. Auch im Klub gärt es. Geschäftsführer Thomas Uhlig reichte seinen Rücktritt ein. Er trage als Veranstaltungsleiter "die Verantwortung für die Spieltage des CFC und dessen Begleiterscheinungen".

Haller gilt als Gründer einer Gruppierung namens "HooNaRa", die im Jahr 2007 wohl nur offiziell aufgelöst wurde. Das Akronym stand, wie auch Haller in Interviews erklärte, für "Hooligans-Nazis-Rassisten". Zuvor hatte Haller den Sicherheitsdienst beim CFC geleitet. Bei den rassistischen Ausschreitungen von Chemnitz, die nach dem gewaltsamen Tod eines Deutsch-Kubaners ausgebrochen waren und im Sommer 2018 international für Schlagzeilen sorgten, galten örtliche Hooligans als treibende Kraft. Ihnen galt eine weitere Ehrbekundung von CFC-Spieler Daniel Frahn. Er hatte nach einem Torerfolg ein T-Shirt hochgehalten, das mit dem Spruch "Support your local Hools" (Unterstütze deine lokalen Hooligans) bedruckt war. Der Verkauf des T-Shirts diente der Finanzierung der Behandlung Hallers. Frahn sagte laut Klub, ihm sei nicht bewusst gewesen, "dass dieses T-Shirt so tief in der Nazi-Szene verbreitet ist".

Frahn soll eine Geldstrafe zahlen. Einen weiteren Zwischenfall gab es am Rande des Zweitligaspiels zwischen Union Berlin und dem FC Ingolstadt (2:0). Der israelische Mittelfeldspieler der Ingolstädter, Almog Cohen, wurde von einem anonymen Twitter-Nutzer, der sich als Union-Fan ausgab, antisemitisch beleidigt. "Ich schäme mich für solche Unioner", sagte Klub-Präsident Dirk Zingler. Union schaltete die Polizei ein, die Strafanzeige wegen Volksverhetzung erstattete. Der Staatsschutz ermittelt.

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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