Chaos beim Hamburger SV:Große Träume bei knapper Kasse

Lesezeit: 3 min

Mit dem Rauswurf von Abwehr-Rüpel Rajkovic nach einer Trainingsprügelei wollte der Hamburger SV eine turbulente Woche beenden. Doch der Wunsch des Investors Klaus Kühne nach einer Neuverpflichtung von Rafael van der Vaart macht die anvisierte Ruhe zunichte.

Carsten Eberts, Hamburg

Am Sonntag verkündete Thorsten Fink das Aus von Abwehrspieler Slobodan Rajkovic beim Hamburger SV. Im Freitagstraining waren Fäuste geflogen, Rajkovic wollte Son Heung-Min wegen einer vergebenen Chance maßregeln, zielte mit seiner Faust kurzerhand in Richtung von Sons Gesicht. Der wich zurück, traf mit dem Hinterkopf Tolgay Arslan, der eine Platzwunde davontrug.

Torwart René Adler (r.) und Trainer Thorsten Fink im Training: Noch viel zu tun (Foto: dpa)

Der Koreaner Son habe sich noch in der Kabine bei Arslan entschuldigt, hieß es, nicht so der Serbe Rajkovic. Zu viel für Fink. "Für mich ist klar, dass er nicht mehr zurückkehrt", erklärte der Trainer bezüglich Rajkovic, "so etwas geht nicht. Man muss untereinander Respekt haben."

Die Ausmusterung des talentierten Rajkovic war der Schlusspunkt einer aufgeregten Woche, in der es gerade mit der Einigkeit, die Fink forderte, nicht allzu weit her war. Dabei schien zunächst alles in eine neue Richtung zu gehen. Am Donnerstag war der Vorstand vor die Presse getreten, um das neue Jugendkonzept vorzustellen. Sportdirektor Frank Arnesen erklärte geduldig, dass dem Klub für große Sprünge gerade das Geld fehle. Der neue Jugendcampus wird deshalb über eine Fan-Anleihe finanziert, rund zwölf Millionen Euro sollen die Anhänger in die Jugendarbeit stecken.

Angesichts leerer Kassen klang der Vorschlag vernünftig; und da es gerade um Vernunft ging, nahm Arnesen gleich noch zu den Gerüchten um den ehemaligen Kapitän Rafael van der Vaart Stellung. "Die finanzielle Situation ist für uns alle ein großes Problem", sagte er, Geld für den Wunschspieler sei deshalb nicht da. Zeitgleich erklärte van der Vaart, er wolle in Tottenham bleiben. Das Thema, so schien es, hatte sich damit erledigt.

Hatte es sich nicht. Nur 24 Stunden später war Arnesens Rede schon wieder torpediert. Von Klaus-Michael Kühne, dem milliardenschweren Logistik-Unternehmer, der zwar kein offizielles Amt bekleidet, dem HSV in den vergangenen Jahren aber mit vielen Millionen zur Seite gestanden hatte. Kühne, 75, ging alles nicht schnell genug. Gerade im Fall van der Vaart agierte ihm die Führung zu zögerlich, "das letzte Feuer brennt nicht", analysierte er gar.

Einer Pressemitteilung folgte eine Telefonkonferenz mit Journalisten, als sei dies nicht genug, gab er noch ein großes Interview. "Ich sympathisiere weiter mit dem HSV. Aber seit van der Vaart gegangen ist, fehlt dem HSV das Herzstück", erklärte Kühne in der Welt am Sonntag. Mit einem wie dem Niederländer "würde der HSV seine Attraktivität für andere Spieler schlagartig verbessern." Nun gehe es darum, "die finanziellen Möglichkeiten dafür zu schaffen". Kühne selbst würde einen maßgeblichen Betrag für das Gehalt des Niederländers beisteuern. Die Führung des HSV müsse nur nach seinen Wünschen handeln.

Transfers in der Sommerpause
:Neulinge aus Thailand und der Schweiz

Innerhalb der Bundesliga wechseln kann jeder - richtig spannend wird es, wenn Spieler aus anderen Ligen verpflichtet werden. Sind sie stark genug für die deutsche Eliteklasse? Oder sogar zu gut für Hamburg, Fürth und Bremen? Die bisherigen Auslands-Verpflichtungen im Überblick.

Saskia Aleythe und Carsten Eberts

So ist das also beim HSV. Da spricht der Vorstand von klammen Kassen, und der Investor erzählt das genaue Gegenteil. Viele Freunde machte sich Kühne mit seinem Vorstoß nicht, die Reaktion der Vereinsbosse ließ nicht lange auf sich warten. Vor allem Präsident Carl-Edgar Jarchow zeigte sich erbost über den Habitus des Investors.

Transfers in der Sommerpause
:Neulinge aus Thailand und der Schweiz

Innerhalb der Bundesliga wechseln kann jeder - richtig spannend wird es, wenn Spieler aus anderen Ligen verpflichtet werden. Sind sie stark genug für die deutsche Eliteklasse? Oder sogar zu gut für Hamburg, Fürth und Bremen? Die bisherigen Auslands-Verpflichtungen im Überblick.

Saskia Aleythe und Carsten Eberts

"Wenn man uns vorwirft, wir seien nicht aktiv genug, kann ich das nicht nachvollziehen", attackierte Jarchow zurück, "und werde ihm das auch so mitteilen." Er wisse Kühnes Engagement um den HSV zu schätzen, Jarchow sagte jedoch: "Wir lassen uns von niemandem zu etwas drängen." Auch nicht von Kühne und dessen Millionen.

Die Diskussion zeigt vor allem Arnesen, wie schwer sein Job dieser Tage ist. Die Transfers in seiner ersten HSV-Saison waren von wenig Erfolg gekrönt, der Klub stieg beinahe erstmals aus der Bundesliga ab. Arnesen muss nun liefern. Mit Trainer Fink hat er den Kader analysiert, ein Sechser und ein Zehner sollen her. Das wird allerdings schwer: Der Markt ist leer, Wunschspieler wie van der Vaart sind zu teuer und ein denkbarer Kandidat wie der frühere Wolfsburger Zvjezdan Misimovic steht laut Arnesen "nicht auf der Liste".

Der Däne muss folglich einen Überraschungsmann präsentieren - oder doch Geld in die Hand nehmen. An dieser Stelle kommt wieder Investor Kühne ins Spiel. Er hatte bereits vor zwei Jahren 12,5 Millionen Euro in den Klub investiert und wurde dafür zu einem Drittel an den möglichen Transfererlösen von sechs Spielern (unter anderen Paolo Guerrero, Dennis Aogo und Marcell Jansen) beteiligt. Er würde es wieder tun, etwa für van der Vaart, wenn alles nach seiner Pfeife tanzt. Den Forderungen Kühnes werden Jarchow und Arnesen kaum nachgeben. Sonst könnte es heißen, sie ließen sich von einem Investor diktieren, was zu tun und was zu lassen ist.

Am Samstag spielte der HSV gegen Viertligist Holstein Kiel. Die Partie endete 1:1, von einem Klassenunterschied war wenig zu sehen. "Darüber wird zu reden sein", erklärte der neue Torwart René Adler zornig, "so kann man nicht auftreten." Gemeint war allein der sportliche Auftritt des HSV.

© SZ vom 16.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: