Es ist immer wieder überraschend, wie sich im Fußball Archaismen Bahn brechen. Emotionen aufscheinen, die als längst vergessen galten, weil doch die vielen technischen Neuerungen Unfehlbarkeit des Schiedsrichterteams verheißen. Zum Beispiel: am Dienstagabend im Achtelfinalhinspiel der Königsklasse zwischen RB Leipzig und dem 14-maligen Champions-League-Sieger Real Madrid. Denn da erfüllte die Équipe rund um den bosnischen Referee Irfan Peljto alle Voraussetzungen, um als "Schieber" gebrandmarkt zu werden - jene einst gängige, aber längst verstummte Beschimpfung durch empörte Tribünengäste. Denn dass Leipzig durch ein Traumtor von Brahim Díaz (49.) verlor, das hatte auch viel mit dem Referee zu tun.
Die Partie begann mit der gänzlich absurden Annullierung eines Tores von Benjamin Sesko. In der zweiten Minute hatte Real Madrids Torwart Andrij Lunin eine Ecke unzureichend geklärt, einen Aufsetzer setzte Benjamin Sesko per Kopf ins Tor. Obschon Sesko nicht im Abseits stand, hob der Assistent die Fahne. Die Überprüfung durch die Videoschiedsrichter ergab Ungeheuerliches: die Bestätigung der Annullierung. Was den Blick auf den Spielberichtsbogen richtete. Denn unter den VARs war auch der Niederländer Paul van Boekel, der im Laufe seiner Karriere vorm Bildschirm eine ganze Reihe von skurrilen Fehlentscheidungen zu verantworten hat - und unter anderem die deutschen Frauen 2022 im EM-Finale von England um einen klaren Elfmeter betrog.
Tuchel und der FC Bayern:Es funkt nicht richtig
Die Aufstellung von Thomas Tuchel gegen Leverkusen wirkte wie ein Misstrauensvotum ans eigene Team. Sie war wohl der Beleg einer Unzufriedenheit, die inzwischen immer wieder mal auf Gegenseitigkeit beruht.
Es folgten weitere, kleinere Fehlentscheidungen, die vermuten ließen, dass Real Madrid am Dienstag Immunität genoss. Unter anderem bei einem Foul von Rechtsverteidiger Dani Carvajal an Xavi Simons, das gänzlich ungesühnt blieb, obwohl es mindestens gelbwürdig war. Eine Verwarnung sah am Ende der ersten Halbzeit aber Marco Rose - als ihm längst die Hutschnur geplatzt war und er lautstark beim Referee protestierte.
Zu diesem Zeitpunkt hatte seine Mannschaft eine der besseren Leistungen des Jahres geboten. Das aggressive, hohe Pressing funktionierte so gut wie das Experiment, den üblicherweise auf der Außenbahn agierenden Benjamin Henrichs neben Xaver Schlager als defensiven Mittelfeldspieler aufzubieten. Die Mannschaft des vom Leipziger Publikum erstaunlich heftig ausgepfiffenen Toni Kroos hatte daher Schwierigkeiten, Kontrolle über das Spiel zu bekommen. Und sie hatte Glück, dass Seskos Sicht vernebelt war, als er zwei Mal von Dani Olmo glänzend freigespielt worden war (10./20.).
Nach der Pause schlug Real Madrid zu. Mit der Brillanz von Brahim Díaz, der den verletzten Jude Bellingham ersetzte. Er erhielt den Ball an der rechten Kalklinie, und zog nach innen. Brahim setzte sich erst gegen David Raum, dann gegen Xavi Simons und schließlich auch gegen Willi Orban durch - und setzte einen famosen Linkschuss voller Effet von rechts neben den linken Pfosten (48.). Danach hatte der Schiedsrichter noch eine weitere kleine Demütigung für die Leipziger parat. Er zeigte RB-Verteidiger Mohamed Simakan für ein Vergehen im gegnerischen Strafraum eine Gelbe Karte, die Folgen hat: Simakan ist für das Rückspiel gesperrt.
Leipzig bäumte sich noch einmal auf. Doch aus dem Spiel der Sachsen entwich die Klarheit in den Aktionen. Gleichzeitig wurden die Räume größer, die RB den Gästen bot - zum Beispiel in der 72. Minute, als Vinícius nach einem von Brahim vorgetragenen Konter den Ball mit dem Außenrist an den Pfosten setzte. Rose versuchte sich mit einem Dreifachwechsel: Poulsen, Haidara und Elmas kamen für Openda, Henrichs und Olmo. Der glänzende Torwart Madrids, der Ukrainer Lunin, hatte drei weitere Gelegenheiten, außergewöhnliche Klasse zu zeigen - bei Schüssen von Xavi (81.), Sesko (83.) und Haidara (84.). Doch es blieb bei dem 1:0-Sieg der Madrilenen, der den Leipzigern eher wenig Hoffnung auf ein Weiterkommen bietet. Einen Auswärtssieg hat Rekord-Champion Madrid in der K.-o.-Phase der Königsklasse letztmals im Achtelfinale der Saison 2018/19 zu Hause verspielt - gegen Ajax Amsterdam.