Champions-League-Los des FC Bayern:Es wartet der Eingang zur Hölle

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Der FC Bayern kann dem Viertelfinal-Los Juventus Turin auch Gutes abgewinnen: Es hilft gegen den Schlendrian, der sich die vergangenen Wochen eingeschlichen hat. Die Italiener sind nach handfesten Krisen rehabilitiert - und verdammt hungrig auf Erfolge.

Von Andreas Glas, München, und Birgit Schönau, Rom

Matthias Sammers Wollpulli war bis zum obersten Knopf geschlossen, als er am Freitag im Pressekabuff des FC Bayern vors Mikrofon trat. Das passte: Die Führungsriege des FC Bayern gibt sich gerade ziemlich streng. Der Sport- Vorstand Sammer war erschienen, um den nächsten Champions-League-Gegner zu kommentieren, der den Münchnern soeben zugelost worden war: Juventus Turin. "Es ist gut, dass wir nicht auf Málaga oder Galatasaray treffen", sagte er, "die vermeintlich leichter zu bespielen sind."

Wie bitte? Während Borussia Dortmund über ein Duell mit dem Außenseiter FC Málaga jubelte ("dieses Los nehmen wir an", sagte der Manager Michael Zorc), freut sich Sammer ausdrücklich über den Tabellenführer der Serie A? Weil es so eine knifflige Aufgabe ist?

Was seltsam klingt, hat mit der kleinen Sinnkrise zu tun, die der FC Bayern gerade durchmacht. Seit dem 0:2 am Mittwoch im Achtelfinal-Rückspiel der Champions-League gegen den FC Arsenal wird ja auch intern diskutiert, ob die Bayern-Profis nachlässig werden. Angesichts von 20 Punkten Vorsprung in der Liga kommt es Sammer gelegen, dass im Viertelfinale ein Gegner wartet, der es den Bayern nicht erlauben wird, die Sache lockerer anzugehen. Behauptet er jedenfalls: "Für unseren Kopf und unseren Fokus ist ein Kaliber wie Juventus Turin genau richtig."

Der Trainer Jupp Heynckes wiederum machte mit einer Personalentscheidung klar, wie sehr sein Fokus inzwischen der Champions League gilt: Er schont am Samstag im Punktspiel in Leverkusen Philipp Lahm, Thomas Müller und Mario Mandzukic. Dabei ist Leverkusen immerhin Tabellendritter! Und hatte nicht der Präsident Uli Hoeneß gerade wortreich gemahnt, sich wieder auf die Stärken zu konzentrieren? Aber Heynckes ficht das nicht an, er will in Leverkusen keinen Sieg für die Galerie. Sondern Kräfte sammeln für Juve. "Das ist der richtige Zeitpunkt. Ich weiß selbst, wo ich die Hebel ansetzen muss", sagte Heynckes am Freitag.

Juve also. Es hätte schlimmer kommen können. Real Madrid und der FC Barcelona waren ja im Topf. Und: Dortmund. Juve mag zwar Italiens Liga dominieren, mit neun Punkten Abstand vor dem SSC Neapel. Aber die Zeiten, in denen Italiener Angstgegner für deutsche Teams waren, sind vorbei - mit Ausnahme der Nationalmannschaft natürlich. Aus italienischer Sicht sieht die Sache eher so aus: Die Bayern erwartet ein netter Betriebsausflug, mit weißen Trüffeln, Barolo und den ältesten Schokoladen- Manufakturen des Kontinents. Die Piemonteser Küche ist zweifellos das Beste, was diese Champions League kulinarisch zu bieten hat. Außerdem spielt man im erst 2011 eröffneten Juventus Stadium, dem einzigen modernen Stadion Italiens, Lichtjahre entfernt von den klapprigen Arenen in Neapel und Florenz.

Einzelkritik FC Bayern
:Weißer Rauch und roter Wein

Mario Mandzukic agiert wie die Kardinäle im Vatikan, Manuel Neuer schafft kein Fallrückzieher-Tor, David Alaba wartet 90 Minuten lang auf weißen Rauch über der Arena. Javi Martínez hätte ein Schlückchen Rotwein durchaus geholfen. Die Spieler des FC Bayern beim 0:2 gegen Arsenal in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Saskia Aleythe

Die Familie des neuen Papstes Franziskus stammt aus der Gegend, das könnte ein gutes Omen sein. Außerdem verfügt die Stadt über ein Grabtuch Christi, den Heiligen Gral unter der Kirche Gran Madre di Dio und den sogenannten "Eingang zur Hölle" auf der Piazza Statuto. Und natürlich über das Gegenstück zum FC Bayern: einen Rekordmeister. Der anders als der Viertelfinal-Gegner auch ein paar ausgewachsene Skandale aufzuweisen hat. Dopingprozesse, Spielmanipulation, zwei Meistertitel aberkannt, Zwangsrelegation in die zweite Liga. Das alles ist sieben Jahre her, noch mehr Zeit aber ist vergangen, seit die Alte Dame die Champions League gewann. 1996 war das, entsprechend groß ist der Hunger auf einen zweiten Titel.

"Von allen Gegnern, die wir hätten treffen können, machen uns die Bayern die größte Angst", hat der frühere Juve-Spieler und heutige Manager Pavel Nedved am Freitag die Auslosung kommentiert. Das ist ernst gemeint - "Bayern hat eine riesige Erfahrung und ist sehr stark", sagte Nedved, "wir aber sind vor allem froh, noch dabei zu sein. Wir werden uns mit Demut und großem Respekt vorbereiten."

Spätestens da aber wird es gefährlich. Denn wenn es stimmt, dass Juve mit dem Weggang von Alessandro Del Piero (nach Sydney) den einzigen Weltstar verlor, so ist es ebenso richtig, dass diese Elf seitdem spielt wie aus einem Guss. Nicht zuletzt deshalb, weil im Mittelfeld ein gewisser Andrea Pirlo dirigiert, der, seitdem er einen Bart wie der Räuber Hotzenplotz trägt, noch ein bisschen gefährlicher aussieht als 2012 im EM-Halbfinale . . ., aber das war ja nicht gegen die Bayern. Im Tor steht, nicht mehr ganz so fest wie früher, Gianluigi Buffon, während seine Frau den Drittligisten FC Carrara befehligt - Buffon hat vor kurzem seinen Lieblingsklub gekauft.

Trainiert wird das Ensemble von Antonio Conte, 43, der als Spieler lange Juve-Kapitän war. Conte, ein knorriger Süditaliener aus Apulien, war in dieser Saison vier Monate gesperrt und musste von der Tribüne aus zusehen, wie seine Mannschaft sich in der Champions League durchsetzte. Beide, Trainer und Team, standen das durch.

Gedämpfte Vorfreude also allerorten, einer aber ist geknickt: Javier Martínez. Im Hinspiel gegen Juve ist er gesperrt, in Spaniens Nationalteam aktuell nicht erwünscht. Er habe zuletzt "nicht gut gespielt", erklärte Nationaltrainer Vicente Del Bosque die Nicht-Nominierung fürs Länderspiel am 22. März gegen Finnland.

Teamvergleich Bayern und Juventus

© SZ vom 16.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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