Champions League:Lewandowski erfindet sich als Freistoßboss neu

Lesezeit: 3 min

Und drin! Robert Lewandowski vom FC Bayern jubelt nach seinem 1:0 Treffer gegen Atlético Madrid. (Foto: dpa)

Das heimliche Ziel des Bayern-Stürmers ist es, einmal bei der Wahl zum Weltfußballer berücksichtigt zu werden - um diesem Ziel näher zu kommen, tut er einiges.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Die Welt, wie sie der Fußballer Robert Lewandowski sieht, lässt sich in drei Kategorien einordnen. In echte Fußballstürmer, für ihn sind das Mittelstürmer. In falsche Fußballstürmer, für ihn sind das alle Stürmer, die keine Mittelstürmer sind, Flügelstürmer zum Beispiel. Und in Fußballstürmer, ob echte oder falsche, die so viele Tore schießen, dass sie Weltfußballer werden. Die dritte Kategorie, das würde der stille, aber auch ehrgeizige Robert Lewandowski zwar nie zugeben, ist für ihn die wichtigste.

So manches hat er schon unternommen, um in diese exklusive dritte Kategorie aufgenommen zu werden, er erzielte für Dortmund vier Tore in einer Partie gegen Real Madrid. Er traf für Polen gegen Georgien in vier Minuten dreimal, der schnellste Hattrick der EM-Qualifikationsgeschichte. Und einmal erzielte er für den FC Bayern fünf Tore gegen Wolfsburg, es war der schnellste Hattrick der Geschichte, der schnellste Viererpack, der schnellste Fünferpack, alles innerhalb von neun Minuten. Es waren dennoch nie genug Tore, um Weltfußballer zu werden.

Also ließ sich Lewandowski etwas Besonderes einfallen. Weswegen er nun ein Mittelstürmer ist, der Freistöße schießt.

Am Dienstagabend ging es viel darum, wie Robert Lewandowski, 28, die Welt sieht, als Fußballer, als Mensch. Beim 1:0 des FC Bayern im letzten Gruppenspiel der Champions League gegen Atlético Madrid hatte Lewandowski sich einmal den Ball unter das Trikot gesteckt, dazu den rechten Daumen in den Mund, in Madrid, in Georgien und auch in Wolfsburg sowie der restlichen Welt verstanden alle: Lewandowski wird Papa. "Sehr zufrieden" seien er und seine Frau Anna, eine ehemalige Karatekämpferin, die im fünften Monat schwanger ist. "Es war immer mein Traum, es auf dem Platz zu zeigen, wenn meine Frau schwanger ist", sagte er.

Dass dieser Traum jetzt Wirklichkeit wurde, dass er sich den Ball unter das Trikot und den Daumen in den Mund stecken durfte, verdankte er der Weiterentwicklung seiner selbst, als ein Mittelstürmer, der nicht nur Freistöße schießt, sondern der dabei auch noch Tore erzielt.

Die 28. Minute in einer eher ereignisarmen Partie gegen Atlético. Nach einem Foul an Juan Bernat bekommt der FC Bayern einen Freistoß zugesprochen, halb links, wenige Schritte von der Strafraumgrenze entfernt. Lewandowski legt sich den Ball zurecht, er läuft einen ersten Schritt, springt eine winzige Verzögerung ein, läuft weitere Schritte, trifft den Ball, Tor. Für den FC Bayern war das eine noch bedeutendere Nachricht als die, die Lewandowski wenige Schritte später mit gewölbtem Trikot verbreitete. Und das war sie auch für den Fußballer Lewandowski.

Champions League
:Gute Nachricht für die Statik des FC Bayern

Der 1:0-Sieg gegen Atlético Madrid liefert zwei wichtige Erkenntnisse: Robert Lewandowski kann Freistöße - und Arturo Vidal belebt das Münchner Spiel immens.

Aus dem Stadion von Martin Schneider

Schon am Freitag in Mainz hatte er aus ähnlicher Position einen Freistoßtreffer erzielt. Seit Anfang der Saison trainiere er diese, und weil ihm die Trainer die Zusatzeinheiten nicht untersagten, trainierte er weiter. Was Carlo Ancelotti, dem neuen Cheftrainer, zurzeit die Arbeit in einem ansonsten schwerfälligen Übergang erleichtert. Tore nach Standardsituationen waren in den vergangenen Jahren keine Spezialität des Teams, David Alaba hatte so getroffen, Xabi Alonso, es waren Ausnahmen. Für Ancelotti, den Pragmatiker, sind Freistöße aber wohl keine Nebensächlichkeit in seiner Spielidee. Sie sind schlicht und effektiv, in Ancelottis Blick sind sie also gut.

Menschen, die Lewandowski gut kennen, betonen, wie ehrgeizig er sei, und dass dieser Ehrgeiz besonders auf die Torstatistik ausgerichtet sei. Vor der Saison habe Lewandowski darüber nachgedacht, was er unternehmen könne, um noch mehr Tore zu erzielen. Nachgedacht habe er auch, weil er spürt, dass die gegnerischen Verteidiger den Platz um ihn herum besser verdichten, dass ihm kaum mehr Platz bleibe. Das Beste wäre es also, eine Situation zu schaffen, in der er richtig viel Platz und Zeit hat. Am besten also eine Situation, in der der Ball ruht, in der das Spiel ruht. So erfand er sich als Freistoßschützen.

FC Bayern in der Champions League
:Die Versöhnung mit dem Jahr 2016 fällt aus

Der FC Bayern gewinnt das fürs Weiterkommen bedeutungslose Gruppenfinale gegen Atlético Madrid - doch der Jubel fällt verhalten aus.

Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn

Mit David Alaba, Xabi Alonso und Mats Hummels übt Lewandowski nach dem Training zusätzlich Freistöße, jedes Mal mindestens 40, 50 Versuche. Während Hummels nach wie vor keine Ambitionen hegt, hat Lewandowski für sich eine Technik entwickelt, bei der er das aktuelle Ballmodell mit seinem aktuellen Schuhmodell perfekt trifft. Er unterschneidet die Bälle, trifft diese weit oben, so fliegen sie schnell, nicht zu hoch, und senken sich rasch wieder. "Er schießt schon die ganze Saison über im Training überragende Dinger, das ist der Lohn harter Arbeit", berichtete der Augenzeuge Hummels.

Lewandowski, dessen Verhandlungen mit dem FC Bayern über eine Vertragsverlängerung kurz vor dem Abschluss stehen, will sich durch seine Freistoßtore stärker für die Wahl zum Weltfußballer positionieren. Cristiano Ronaldo und Lionel Messi, die diese Auszeichnung seit 2008 unter sich aufteilen, sind beide auch erfolgreiche Freistoßschützen. Ronaldo traf auf diese Weise in seiner Vereinskarriere 42 Mal, Messi 23 Mal. Lewandowski kommt auf drei Tore, zwei davon aber eben in fünf Tagen. In dieser Saison traf er für den FC Bayern in allen Wettbewerben 17 Mal, fünfmal häufiger als Ronaldo für Real Madrid, allerdings dreimal weniger als Messi für Barcelona, und der Argentinier wartet noch auf ein Tor nach einem Freistoß.

Doch diese Disziplin ist für Lewandowski auch nicht das Ende seiner ehrgeizigen Arbeit an sich selbst. Als Nächstes will er seine Laufwege in der Enge des Strafraums verfeinern.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

FC Bayern in der Einzelkritik
:Lewandowski kündigt Nachwuchs an

Der Pole trifft und feiert, Mats Hummels spielt lieber Curling, Douglas Costa verirrt sich in eine Schneeballschlacht. Die Bayern in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Martin Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: