Champions League:Die Rückkehr der verletzten Seelen

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Im Finale von Madrid treffen die Niederländer Robben und Sneijder aufeinander, die Real im Sommer 2009 aus der Stadt vertrieben hat.

Javier Cáceres

Es ist kurz nach 14 Uhr, als der schwarze Reisebus des FC Bayern sein Champions-League-Domizil in Madrid erreicht, von größeren Menschenmengen bleibt die Reisegruppe verschont. Eine Handvoll japanischer Touristen steht am Eingang der Fünfsterne-Herberge Eurostars Tower, zwei, drei junge Mädchen, und sonst? Bloß eine Batterie an Fernsehteams und Fotografen, die ernste Gesichter auf Digitalchips bannen, obwohl in Madrid das Wetter auch heute wieder um Längen besser ist als in Deutschland.

In Eile, wie auf dem Rasen: Bayern-Wirbelwind Arjen Robben auf seinem Weg zurück nach Madrid. (Foto: Foto: AP)

Arjen Robben, den obersten Knopf des Sakkos zugeknöpft, schaut besonders streng, er scheint von Eile erfasst zu sein, als er im Hotel verschwindet. "Robben!", schreien die Mädchen hinterher, die Handys haben sie in die Höhe gereckt. Auch das hält ihn nicht auf, als er in das Gebäude verschwindet, das sinnbildlich steht für eine Politik, der er zum Opfer fiel.

Von 2000 bis 2006 hatte Florentino Pérez bei Real Madrid regiert, Weltstars wie Figo, Beckham, Ronaldo und Zidane verpflichtet: die galácticôs, die Galaktischen. Die Klubfinanzen hielt Pérez im Lot, indem er die Sportstadt von Real Madrid und damit ein Stück Romantik veräußerte: Generationen von Real-Spielern hatten dort geübt. Die Real-Heimat wurde dem Erdboden gleich gemacht, so dass dort vier gigantische Türme entstehen konnten, in einem davon logieren jetzt die Bayern. Nie hat ein Sportverein eindringlicher in die Skyline einer Stadt eingegriffen als hier in Madrid.

"Sie sprachen nur über Geld"

2009 kehrte Pérez wieder zurück, um das Galáctico-Prinzip noch einmal anzuwenden, diesmal mit Cristiano Ronaldo, Kaká und Benzema. Wegen dieser Transferpolitik musste Arjen Robben im Herbst 2009 die Stadt verlassen - in die er nun zurückkehrt ist, um ausgerechnet jenen Triumph zu feiern, den Pérez so manisch angestrebt hat. Mit Robben kehrt auch sein Freund Wesley Sneijder, ebenfalls ein Niederländer, der allerdings auf Seiten von Finalgegner Inter Mailand spielt. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, über den in Spaniens Hauptstadt niemand lacht, seit Real im Achtelfinale der Champions League scheiterte.

Es war ein strahlend blauer Sommertag wie der gestrige Donnerstag, als Arjen Robben 2007 in Madrid landete. Er ging im Estadio Santiago Bernabéu die Tribüne hinunter, um eine auf dem Rasen aufgebaute Bühne zu betreten, das weiße Hemd von Real Madrid in die Hand zu nehmen und für die Kameras zu lächeln. Er wirkte glücklich.

35 Millionen Euro hatte Reals damaliger Präsident Ramón Calderón an den FC Chelsea überwiesen, viel Geld für einen Spieler, der in der Saison zuvor nur 36 Spiele bestritten hatte - wenn man englische Liga, den Pokal, den Ligapokal, die Champions League und die Länderspiele mit der niederländischen Nationalelf zusammenzählt. Aber Robben war ein Wahlversprechen von Calderón, so wie es ein anderer Profi war, nach dem die Fans auf der Tribüne riefen: "Queremos Kaká, queremos Kaká ...". Wir wollen Kaká!

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Als Robben dann im Presseraum saß, zielte eine der ersten Fragen auf seine Sehnen, seine Fasern, sein Herz. "Sind sie ein Spieler aus Kristall?" Und Robben sagte, er werde die These seiner Verletzungsanfälligkeit widerlegen.

Er dachte das wohl wirklich. Doch in den 18 Monaten, die folgten, häufte er offiziell neun Verletzungen an. Im Estadio Santiago Bernabéu war er dennoch beliebt. Man schätzte, dass er ein Spiel aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Als im Sommer 2009 der Chilene Manuel Pellegrini neuer Real-Trainer wurde, wollte er Robben und Sneijder halten. Pérez schaute auf die Kontoauszüge und sah, dass er etwas anderes benötigte: Geld.

120 Millionen Kredit hatte er bei den Banken aufgenommen, denn die Zugänge Xabi Alonso, Albiol, Benzema und vor allem Kaká und Cristiano Ronaldo wollten finanziert sein. Die Alternative, Privatvermögen einzubringen, stand nie zur Debatte. Zumal er in Robben bloß eine Krankenakte sah. "Sie haben mir gesagt: ,Wir wollen dich verkaufen, denn wir brauchen Geld'", hat Robben diese Woche der SZ erzählt. "Das hat mir schon sehr weh getan, denn sie haben mit mir gar nicht über Fußball geredet - nur über Geld." Und er fügte hinzu: "Ich denke aber, dass sie nach meinem Abschied auch sehr viel Geld ausgegeben haben."

Wie sehr ihn das alles geschmerzt haben muss, wie sehr seine Seele verletzt wurde, lässt sich erahnen, wenn er berichtet, dass er bis zum Donnerstag nie nach Madrid zurückgekehrt sei. Obwohl er, wie er sagt, damals "Freunde gewonnen" habe. Im Vergleich wurde Robben sogar respektvoll behandelt. Denn Wesley Sneijder wurde demonstrativ die Rückennummer 10 genommen, als er noch bei Real und nicht in Mailand war.

Schon bald machte in Madrid das Gerücht die Runde, sein Lebenswandel habe nie etwas mit dem eines Berufssportlers gemein gehabt. Böse Zungen aus dem Klub streuten den Spitznamen, den der Niederländer angeblich gehabt habe. "Whiskey Sneijder", habe er gelautet. Womöglich hatte Sneijder auch diese Nachrede im Sinn, als er in Mailand klagte: "Ich musste wegen ein paar Mafiosi gehen."

München hat den besten Arzt

Natürlich sei es ein besonderes Spiel, sagt Robben, immerhin habe er zwei schöne Jahre erlebt. "Doch ich sehe das hier nicht als eine Revanche, sondern als eine Rückkehr an", betont er. Überhaupt habe er nie das Gefühl gehabt, mit dem Wechsel zum FC Bayern einen Schritt zurück gemacht zu haben, "schon bei der Unterschrift nicht". Die Verletzungen sind weniger geworden, weil er einen neuen Osteopathen in Holland kennengelernt habe - und weil Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt "der beste Arzt in Europa, ja in der Welt" sei. Außerdem sei das Training in München intensiver als bei Real. "Das alles hat mir gut getan."

So gut, dass er nun mit seinem Freund Sneijder über das Finale SMS-Dialoge führt. Und Arsène Wenger, der Trainer des FC Arsenal, bemerkt, dass man genau beobachten müsse, welche Spieler Real in diesem Sommer rauswirft. Ein Name steht schon jetzt oben auf der Liste: Gonzalo Higuaín, ein torgefährlicher Argentinier.

© SZ vom 21.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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