Jérôme Boateng wirkte nicht besonders euphorisch, als er ein Wort des Dankes aussprach. Er verband es nämlich mit einem kritischen Gedanken. "Jeder Einzelne" beim FC Bayern, begann Boateng, müsse sich hinterfragen nach dieser konfusen ersten Halbzeit gegen den RSC Anderlecht. Wobei er doch nicht jeden Einzelnen meinte: Boateng fügte jedenfalls an, dass man sich "bei Sven bedanken" könne, "dass wir nicht zurückliegen".
Wenn Fußballer nach einem Spiel ihren Torwart loben, dann heißt das in aller Regel zweierlei. Erstens: Der Torwart hat gut gespielt. Zweitens: Die Mannschaft hat nicht so gut gespielt. Beim 2:1 (0:0) des FC Bayern am Mittwochabend gegen den RSC Anderlecht traf beides zu, die Münchner ließen vor allem in der ersten Halbzeit eine stattliche Menge an Chancen zu. Aber letztlich warf sich ihr Torwart, Sven Ulreich, allem entgegen, was in seine Nähe kam. Ja, der 29-Jährige war der Grund, weshalb es zur Halbzeit 0:0 stand.
Der Wechsel zu Heynckes half Ulreich
Es war dabei nicht unbedingt so, dass Ulreich dabei unwirkliche Playstation-Paraden gezeigt hätte, dass er Bälle hielt, die sich eigentlich nicht halten ließen. Ulreich machte einfach seinen Job, und er tat das so souverän, dass man fast vergessen konnte, welche Diskussionen kürzlich noch um den Ersatztorwart der Bayern herrschten.
Ulreich erlebt ein ziemliches Hin und Her in dieser Saison. Im Sommer hatte er noch darüber nachgedacht, den FC Bayern zu verlassen, er hatte in der vergangen Saison fünf Mal in der Bundesliga gespielt, in der Saison davor nur ein Mal. Dann verletzte sich Manuel Neuer im September, fortan stand Ulreich im Tor. Ihm gelang ein erstes gutes Spiel bei Schalke 04, doch kurz darauf flutschte ihm gegen Wolfsburg ein sehr haltbarer Ball durch die Arme. Beim 0:3 gegen Paris war er ebenfalls nicht der beste Spieler.
Als Torwart sei Spielpraxis für die Abläufe wichtiger als für Feldspieler, hat Ulreich vor dem Spiel gegen Anderlecht gesagt, was eine Erklärung für seine Anlaufschwierigkeiten war. Wobei ihm auch der Trainerwechsel zu Jupp Heynckes nicht geschadet haben wird.
"Ulle hält seit Wochen richtig gut", sagte Innenverteidiger Mats Hummels am Mittwoch, "und ich denke, dass er jetzt gerade auch ein bisschen die verdiente Anerkennung dafür kriegt, was er macht. Weil er jedes Spiel ein, zwei, heute sogar ein paar mehr Bälle richtig gut hält." Genau genommen hatte Ulreich drei, vier wichtige Paraden angebracht. Nach acht Minuten tauchte Lukasz Teodorczyk erstmals aussichtsreich vor Ulreich auf, der den Schuss aber per Fuß blockte. Kurz darauf parierte Ulreich gegen Dennis Appiah, kurz vor der Halbzeit wieder gegen Teodorczyk. Der Stürmer schien irgendwann ziemlich verzweifelt.