Carlo Ancelotti:Ein Trainer für die großen Spiele

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Carlo Ancelottis Mannschaften waren bisher immer in den wichtigen Spielen fokussiert. (Foto: dpa)

Bisher wusste man nicht recht, warum Bayern-Trainer Ancelotti so wenig auf seine Elf einwirkt. Nun hat er gegen Leipzig seine wahre Stärke gezeigt.

Kommentar von Claudio Catuogno

Doch, Manuel Neuer hat dann auch noch etwas halten müssen in der Münchner Arena. Mit zwei gewaltigen Paketen auf dem Arm marschierte er Richtung Ausgang. Was da wohl drin war? 100 Dosen Brausewasser? Haarbleichmittel für alle? Oder hat sich Neuer die Last-Minute-Weihnachtsgeschenke für die Familie einfach an den Arbeitsplatz liefern lassen? Man wird es nie erfahren, keinen Spalt breit hat Neuer seine Pakete geöffnet. Das war aber nicht weiter schlimm. Der Nationaltorwart als feixender Postbote - das Bild an sich stand schon stellvertretend für die Erkenntnis, dass sie sich beim FC Bayern jetzt ohne große Beschwernisse den Festtagen widmen können.

Der FC Bayern hat eine Woche hinter sich, die in einer Zeit, die noch gar nicht so lange her ist, wie es sich anfühlt, als typische FC-Bayern-Woche gegolten hätte. In den Vor-Guardiola-Jahren nämlich. Erst war da so ein lästiges Pflichtdingsbums in, na, . . . Darmstadt! Nun ja. Musste halt sein. 1:0 gewonnen, mit halber Kraft und dank eines Kunstschusses zur rechten Zeit. Eine Art Schwarzbrot-ohne-Spiegelei-Spiel, keine Delikatesse. Und dann folgte am Mittwoch das Festtagsspiel gegen Leipzig - und diesmal war von der ersten Minute an zu besichtigen, dass sich die Münchner in Schale geworfen hatten, in jeder Hinsicht.

Nicht, dass RB Leipzig auf dem Rasen tatsächlich der große Gegner zu sein vermochte, der sich hinter dem Label "Spitzenspiel" verborgen hatte. Aber die Bayern sind dieses Spiel erkennbar so angegangen, als erwarte man nicht Rasenball, sondern Real, in der Champions League. Der Trainer Carlo Ancelotti, dessen einzige Regung am Spielfeldrand sonst das grausame Malträtieren seines Kaugummis ist, stand ständig an der Seitenlinie, schon nach wenigen Minuten korrigierte er die Formation. Und seine Aufstellung setzte zwar ein paar eherne Klubgesetze außer Kraft ("Müller spielt immer"), verriet aber gerade dadurch, dass da einer jetzt den Zugriff auf und die Deutungshoheit über seine Mannschaft beansprucht.

Ancelotti hat quasi einen Spalt weit ein Fenster geöffnet - und den Blick freigegeben ins kommende Frühjahr, in dem der FC Bayern dann wirklich seine großen Spiele haben soll. Also die mit Spiegelei. Man vermochte ja nicht recht einzuschätzen, ob die oft undefinierten Auftritte der Ancelotti-Bayern zuletzt eher der Wurschtigkeit ihres Übungsleiters geschuldet waren - oder eben doch der Gelassenheit eines Mannes, der zwar nicht wie sein Vorgänger Guardiola jede Schwäche jedes Linksverteidigers jedes Erstligisten auswenig kennt. Der es in seiner Karriere aber überall verstanden hat, seine Mannschaften immer dann zu fokussieren, wenn es zählt. Jetzt hat man immerhin eine Ahnung bekommen: von Ancelotti, dem Trainer für die großen Spiele. Gegen Peter Gulacsi, Diego Demme und Marcel Halstenberg sah das sehr ordentlich aus. Wie es gegen Luka Modric, Toni Kroos und Cristiano Ronaldo aussähe, im April, wenn wirklich Champions League ist? So weit ist das Fenster dann doch nicht aufgegangen.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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