BVB-Stürmer Youssoufa Moukoko:Ein 15-Jähriger, der um Jahre voraus ist

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  • Auf Antrag von Borussia Dortmund hat die Deutsche Fußball Liga ihre Regeln geändert: Künftig können schon 16-Jährige in der Bundesliga mitspielen.
  • BVB-Stürmer Youssoufa Moukoko, noch 15, dürfte der erste sein.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Geht es nach der Währung junger Menschen, der Anzahl von Followern bei Instagram, liegen bei Borussia Dortmund die 30-jährigen Marco Reus und Mats Hummels noch an der Spitze, allerdings dicht gefolgt von einem gewissen Youssoufa Moukoko. Youssoufa ist halb so alt wie die BVB-Prominenz, also 15. Und die Verheißungen seines Talents haben auch die Erwachsenen bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) jüngst dazu bewogen, ihre Regeln zu ändern: Künftig darf man schon ab 16 Jahren bei den Männern mitspielen. Der Erste, für den der Beschluss greift, dürfte Dortmunds Moukoko sein. Im November wird er 16.

Der BVB hatte den Antrag gestellt, natürlich mit Blick auf den frühreifen Mittelstürmer. Doch Nachwuchs-Koordinator Lars Ricken, einst selbst so ein Wunderkind, mit 17 Jahren das erste Bundesligaspiel, mit 18 Deutscher Meister, mit 19 Abitur, mit 20 Champions-League-Sieger, wiegelt Befürchtungen von Jugendschützern ab: "Dass einer mit 16 dann wirklich in der Bundesliga spielt, wird sicher eine große Ausnahme bleiben. Ich sehe das perspektivisch vielleicht für drei, vier Spieler, wenn überhaupt." Für Moukoko aber gelten schon seit Jahren etwas andere Regeln.

Seine Zahlen sind beeindruckend. Bis zum Saisonstopp wegen Corona hatte Moukoko 34 Tore und neun Vorlagen in 20 Spielen für Dortmunds A-Junioren in der Bundesliga beigesteuert - als 15-Jähriger unter 17- und 18-Jährigen. So ähnlich geht das, seit der junge Mann im Alter von neun Jahren von seinem Vater aus seinem Geburtsland Kamerun, aus der Hauptstadt Yaoundé, nach Hamburg geholt wurde.

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Als Moukoko zwölf war und vom FC St. Pauli zum BVB wechselte, stand er längst auf der Talentliste der meisten Scouts, auch englischer Klubs. In Hamburg spielte Moukoko bereits mit drei, vier Jahre älteren Fußballern. Ricken profitierte damals vom Image der Nachwuchsabteilung: "Youssoufa hatte schon den Berater, der auch heute mit ihm arbeitet, und wir bekamen den Zuschlag, weil wir uns den Ruf erarbeitet hatten, systematisch junge Spieler weiter zu entwickeln." Das zähle heutzutage für viele Berater mehr, als den Spielern schon früh viel Geld zu bieten.

Ricken brachte den damals schon Frühreifen in Dortmund in einer Gastfamilie von zwei früheren Leistungssportlern unter. Die Eltern blieben in Hamburg. Seither trifft Moukoko in praktisch jedem Spiel. In den letzten drei Jahren schoss er an die 130 Tore, obwohl er grundsätzlich ein, zwei Jahre oberhalb seiner eigentlichen Altersgruppe spielt. Die B-Jugend schoss er als 13-Jähriger zum deutschen Meistertitel. Im Vergleich mit Dortmunds Profistürmer Erling Haaland, 19, der mit seinen 1,94 Meter und einem auch sonst wuchtigen Körperbau die Gegner auch rein physisch unter Druck setzt, wirkt Moukoko zwar reif für sein Alter, "aber", meint Ricken, "ein Großteil seiner Gegner ist ihm körperlich immer noch überlegen. Er macht seine vielen Tore nicht auf Grund seiner Körperlichkeit, sondern mit fußballerischer, spielerischer Überlegenheit."

Inzwischen haben sich die Wogen etwas geglättet, aber lange wurde das Geburtsalter von Moukoko massiv angezweifelt. Es wurden sogar medizinische Untersuchungen der Epiphysenfugen des Jungen gefordert, also der Gelenks-Abschlüsse von Röhrenknochen, etwa an den Armen, die normalerweise Aufschluss über das biologische Alter geben. So groß war der Aufruhr im bisweilen etwas hysterischen Umfeld des Jugendfußballs, in dem sich Karrieren anbahnen - oder wo sie versanden. In Kamerun werden Geburtsurkunden nicht routinemäßig ausgestellt. Das erledigte dann erst 2016 das zuständige Standesamt in Hamburg 2016, nach Einsicht ins Geburtenregister von Yaoundé.

Erst danach verebbten die Proteste gegen den Deutsch-Kameruner, zumal der es ohnehin stets mit deutlich älteren Mit- und Gegenspielern zu tun bekam. Aber gerade Väter von Jungen, die drei, vier Jahre älter als Moukoko sind, ärgerten sich darüber, dass ihre Söhne von einem Jüngeren vorgeführt wurden. Moukokos Laufbahn in den deutschen Junioren-Nationalteams wurde unter all diesem Druck für zwei Jahre ausgesetzt. Soeben erst wurde beschlossen, dass Youssoufa nun doch wieder für Deutschland spielen soll, als 15-Jähriger für die U19, die Mannschaft der "unter 19-Jährigen". Man darf unterstellen, dass der DFB sich nun Sorgen machte, man könne das Talent vergraulen, und Moukoko könnte dann für Kamerun optieren oder für ein ganz anderes Land zum gefeierten Nationalspieler werden.

Der Fürsorge von manchen, die vorgeben, junge Fußballer vor früher Ausbeutung beschützen zu wollen, traut Ricken, 43, generell nicht. "Ich finde es bemerkenswert", erzählt der Nachwuchs-Manager, "wie unbeeindruckt und fokussiert er bei all dem Trubel bleibt. Er steht ja nicht nur unter dauernder Beobachtung von Medien, er wird auch häufig von gegnerischen Zuschauern bei unseren Auswärtsspielen provoziert." All dies aber perle an Moukoko scheinbar ab. Im Moment muss der 15-Jährige ein weiteres Mal der Hilfe von Jugendschützern ausweichen, die Gefahren in der Öffnung des Männer-Profifußballs für 16-Jährige prophezeien.

Ricken bestreitet, dass der BVB überwiegend wirtschaftliche Interessen im Auge gehabt habe, als er beim DFL-Präsidium eine Absenkung des Spielalters auf 16 Jahre beantragte. In England dürfen 16-Jährige traditionell bei den Männern spielen. "Für den Spieler geht es ja auch darum, sich weiter entwickeln zu können. Mit den noch einmal viel besseren Spielern in unserem Profibereich wird er sich erneut steigern." Tatsächlich scheint Moukoko selbst den deutlich älteren A-Junioren in seiner Leistung schon wieder entwachsen zu sein.

In Individualsportarten wie zum Beispiel beim Turnen oder im Eiskunstlaufen wurden in den letzten Jahren Altersgrenzen für die Teilnahme an den großen Wettbewerben (Olympia, WM, etc.) aus Schutzgründen eher herauf gesetzt. Vor allem nach Doping-Exzessen, in denen gerade bei Mädchen die Pubertät medikamentös aufgehalten und damit das Einsetzen einer körperlichen Reifung verlangsamt wurde. Je kindlicher und leichter die Mädchen, desto eher waren akrobatische Übungen möglich, die normalgewichtige, erwachsene Frauen schon mit 16 kaum noch schaffen können. Solche Perversionen sind im Mannschaftssport Fußball nicht möglich. Ein 16-Jähriger hat keine Vorteile gegen einen erwachsenen Mann.

"Es ist auch nicht einfach so", verteidigt Ricken seinen prominentesten Schützling, "dass er nur von seinem Talent lebt." Er habe selten einen jungen Fußballer erlebt, der so "fokussiert und professionell" trainiere. "Mittwochs und Donnerstags bieten wir für unsere Jugendspieler ein Frühtraining an, um acht Uhr morgens. Man kann dann sicher sein, dass Youssoufa schon um 7.15 Uhr da ist und im Kraftraum was arbeitet." Inzwischen ist er aus der Gastfamilie ins BVB-Jugendhaus umgezogen, einem Internat direkt am Trainingsgelände. Die Geschwister-Scholl-Gesamtschule liegt in Fahrrad-Entfernung. "Wir sind ja sehr strikt, was die Schulbildung unserer Nachwuchsspieler angeht. Wer mal nicht zur Schule geht", erzählt Ricken mit Augenzwinkern, "darf auch abends nicht trainieren." Kopfweh komme deshalb für Youssoufa und seine Teamkameraden allenfalls an einem trainingsfreien Tag vor.

Der Vertrag des 15-Jährigen läuft in Dortmund noch bis Sommer 2022. Bis dahin, in gut zwei Jahren, dürfte der junge Mann schon ein Millionengehalt verdienen. Von seinem Wert am Transfermarkt ganz zu schweigen. "Wir machen uns da keine Sorgen", sagt Ricken, "er fühlt sich sehr wohl in Dortmund, und er will in diesem Stadion bei uns mal spielen. Alles andere findet sich dann." Ob das alle beim BVB auf die Dauer so entspannt sehen, wird sich ab November herausstellen.

© SZ vom 11.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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