BVB verliert 0:2:Das Urlaubsgefühl hält nur 73 Sekunden

Lesezeit: 3 min

Die Ergebniskrise von Borussia Dortmund greift auf die Champions League über: Schon kurz nach dem Anpfiff gerät das Team von Jürgen Klopp gegen den FC Arsenal in Rückstand. Mit dem 0:2 in London gerät der Gruppensieg in Gefahr.

Manchmal ist es so, dass man sich so sehr über Abwechslung freut vom tristen Alltag, vom Novembergrau insbesondere, dass sich sogar eine Dienstreise zur Ferienfahrt deklarieren lässt, speziell wenn sie denn in eine europäische Metropole führt. Und dann geht doch gleich wieder alles schief, die Pechsträhne von daheim setzt sich fort, du hast den Reisepass vergessen, die Flugbegleitung kippt dir den Tomatensaft übers Hemd und am Gepäckband werden alle Koffer ausgespuckt außer deinem. Murphy's Law.

Jürgen Klopp ist es so ergangen in London, wo seine Dortmunder Borussen am Mittwochabend 0:2 beim FC Arsenal verloren hat. "Ich fühle mich wie im Urlaub", hatte er tags zuvor gerufen, "ist ja Champions League"! Da trägt der Coach von Borussia Dortmund Anzug, Hemd und Krawatte statt schwarzgelben Trainingsanzug und versucht so, die Bundesliga-Tristesse, Liga-Platz 16, abzustreifen. "Ganz wichtig auch für die Bundesliga" sei die Königsklasse, in der sein Team zuletzt viermal hintereinander gewonnen hat, sagte Klopp und rief seiner Mannschaft kurz vor Anpfiff noch einmal zu: "Zeigt, was ihr könnt!"

Doch kaum eine Minute gespielt, war's schon vorbei mit der Ferienstimmung. Einwurf Chambers, Yaya Sanogo spielt Doppelpass mit Cazorla und der BVB-Abwehr, und trifft aus abseitsverdächtiger Position durch die Beine von BVB-Torwart Weidenfeller zum 1:0 für Arsenal. Nach exakt 73 Sekunden Urlaubsgefühl stand Klopp konsterniert an der Linie, so früh lag Dortmund in der Champions League noch nie zurück.

Einmal kurz durchgeschüttelt, weiter urlauben. Schließlich hieß es in der Kloppschen Gefühls- und Ergebnislogik in diesem Moment gerade 2:1 für seine Borussia, die ja schon mit einer komfortablen Führung ins Spiel gegangen war. Bereits qualifiziert fürs Achtelfinale, ein Punkt müsste reichen für den Gruppensieg, "das ist wie eine 2:0-Halbzeitführung", hatte Klopp gut gelaunt vor Anpfiff festgestellt und über seine Maßnahmen in der Krisenbewältigung, die vier Umstellungen gegenüber dem 2:2 in Paderborn, zufrieden geurteilt: "Die Aufstellung ist schwer in Ordnung!"

BVB in der Einzelkritik
:Braveheart verheddert sich

Sven Bender verzweifelt als einsamer Vorkämpfer, Kevin Großkreutz ist kein zweiter Marco Reus und Henrikh Mkhitaryan macht dem Wetter Konkurrenz. Der BVB beim 0:2 gegen den FC Arsenal in der Einzelkritik.

Von Jonas Beckenkamp, London

Spricht so ein Trainer, der in die Jahre gekommen ist? "Machen wir uns nichts vor: Jürgen Klopp ist jetzt seit sechs Jahren Trainer in Dortmund. Ohne jetzt das Ende des BVB einläuten zu wollen, um Gottes Willen, aber da wetzt sich schon so einiges ab in so vielen Jahren", hatte Bernd Schuster, der schon länger keinen Verein mehr trainiert hat, am Spieltag in einer Kolumne der Welt geschrieben, und weiter: "Natürlich kommen auch bei den Spielern Zweifel auf, die sie bislang nicht kannten."

Schmelzer, Großkreutz (für den verletzten Reus), Bender und Immobile also waren neu im Team, und speziell Ciro Immobile, in der Liga zuletzt außen vor, sollte, so Klopp, "zeigen, dass er Bock hat auf das Spiel", speziell aufs Zusammenspiel mit Aubameyang und Mkhitaryan.

Leverkusen-Pleite in der Champions League
:Maurermeister aus Monaco

19:4 Torschüsse, 64,5 Prozent Ballbesitz: Dennoch verliert Bayer Leverkusen auch das zweite Champions-League-Duell gegen den AS Monaco 0:1. Die gute Nachricht kommt schon vor dem Spiel aus Russland.

Eine durchaus offensive Formation war dies, heraus kam aber zunächst nur eine wirkliche Großchance, die Mkhitaryan mit einem Schuss ans Außennetz abschloss (40.). Die zweite Halbzeit brachte für Lukas Podolski die Erkenntnis, dass sein Trainer Arsène Wenger die Champions League keineswegs als Abwechslung begreift, er ließ den wechselwütigen Nationalspieler (bis zur Einwechslung in der 79. Minute) von der Bank aus zusehen, wie Jürgen Klopp nebenan Schrecksekunde um Schrecksekunde durchlitt, als erst Weidenfeller mit den Fingerspitzen einen Drehschuss von Sanchez zur Ecke klärte (51.) und dann Chamberlains Knaller an der Latte landete (54).

Drei Minuten später war es geschehen um die Dortmunder, die sich, wie sonst tatsächlich eher in den Ferien üblich, gemächlich ausruhten beim nächsten Arsenal-Angriff, speziell Piszczek und Subotic standen staunend daneben, als Alexis Sanchez wiederum nach Vorbereitung von Cazorla die BVB-Defensive düpierte und zum 2:0 einschoss. Keine Stunde war in London vergangen, da war klar, dass dieser Kurzurlaub doch nur eine triste Dienstreise ohne Ertrag sein würde. Klopp nahm den schwachen Immobile aus dem Spiel und auch Aubameyang, brachte Kagawa und Ramos, was nichts daran änderte, dass der Ausflug auf die Insel keinen Beitrag zur Entspannung mehr bringen sollte.

Arsenal ist nach dem 2:0 wie Dortmund fürs Achtelfinale qualifiziert, die Borussia aber muss in 14 Tagen daheim gegen Anderlecht wenigstens unentschieden spielen, um sich den ersten Gruppenplatz zu sichern. Was also bleibt nach diesem trostlosen London-Trip?

"Der positive Aspekt ist: Keiner hat sich verletzt", sagte Klopp, "und wir haben den direkten Vergleich nicht verloren." Ein Punkt fehlt in der Champions League, das ist leichter zu lösen als die Krisensituation in der Liga. Wie schwer dies wird, hat Ottmar Hitzfeld bei Sky prognostiziert: "Da sagst du: Heute ist ein anderes Spiel - und dann verlierst du weiter. Da ist der Trainer jetzt gefordert." Klopp aber blieb souverän: "Dass die Jungs nicht mehr an mich glauben, ist nicht der Fall. Was man jetzt alles so sagen könnte, von wegen Abnutzung und so - dem ist nicht so!" Er sprach noch von Phasen, die es zu überstehen gelte, und beendet den Urlaub mit einer Durchhalteparole: "Weiter geht's!" Zurück in den grauen Novemberalltag.

© SZ vom 27.11.2014 / sz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: