BVB-Erfolg beim FC St. Pauli:Endlich ein dreckiger Sieg

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Nicht immer schön: Dortmunds Erik Durm wird von Paulis Philipp Ziereis von den Beinen geholt (Foto: Bongarts/Getty Images)

Trainer Jürgen Klopp ist nach dem Pokal-Erfolg beim FC St. Pauli erleichtert wie lange nicht. Dortmund kann national noch gewinnen. Das Wie ist ihm dabei so egal wie seinen Spielern, die selbstbewusste Grüße nach München senden.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Die reifere Dame trug eine gelbe BVB-Schürze, und sie hatte einige Minuten auf Jürgen Klopp gewartet. Als er endlich kam, nahm sie all ihren Mut zusammen, trat ihm entgegen. Sie sei gebürtige Dortmunderin, erzählte sie, arbeite seit mehr als zehn Jahren für den FC St. Pauli. Doch jetzt wolle sie ihm, dem Jürgen Klopp, mal was sagen.

"Sie haben uns den Erfolg gebracht, jetzt tragen wir Sie durch diese Krise", sagte die Schürzenträgerin, was nach den jüngsten Misserfolgswochen bei Borussia Dortmund eine rührende Angelegenheit war. Die Frau wollte ihren kleinen Betrag leisten, damit es bald wieder aufwärts geht. Klopp verstand, erhob sich von seinem Stuhl, drückte sie. Sie platzte fast vor Stolz.

Da machte es auch nichts, dass St. Paulis Coach Thomas Meggle von rechts die Szenerie störte, in dem er leicht entnervt quäkte: "Und wann kommt der Heiratsantrag?" Klopp entgegnete milde: "St. Pauli ist wirklich der etwas andere Verein."

Er war versöhnt mit diesem Abend. Für Klopp hatte er ungemütlich begonnen, als er den Platz betrat, pfiff das ganze Stadion, wie es Klopp nach eigener Aussage noch nie erlebt hatte. Woher das rührte, wusste er selbst nicht. Vielleicht weil er in seiner Zeit als Mainzer Spieler "einmal Bernd Hollerbach umgetreten hatte"? Hollerbach ist einer der alten Haudegen der Hamburger Fußballgeschichte, selbst nie um ein Foul verlegen. Klopp grinste.

Der Dortmunder Chefcoach wirkte erleichtert wie seit Wochen nicht mehr. Abseits aller Folklore hatte sein BVB die zweite Runde des DFB-Pokals überstanden. In einem einseitigen Spiel stand es am Ende 3:0 (2:0), das Dortmunder Fortbestehen in diesem Wettbewerb stand zu keinem Zeitpunkt zur Disposition.

Das ist nach sechs Wochen ohne Sieg in der Bundesliga sowie dem Absturz auf Tabellenrang 15 schon eine Nachricht. Der BVB kann in nationalen Wettbewerben noch punkten, nicht bloß in der Champions League. "Spiel gewonnen, keiner verletzt, Runde weiter - passt", fasste Klopp seine Gefühlslage zusammen. Sebastian Kehl, der Dortmunder Wortführer im Mittelfeld, sah die Sache ähnlich. Das Spiel sei nicht brillant gewesen, die erste Halbzeit gut, die zweite ziemlicher Käse. Das Ziel sei gewesen, eine Runde weiter zu kommen. "Wie das zustande kam, ist in unserer Situation völlig wurst", erläuterte Kehl.

Auch Mats Hummels sagte: "Wir sind zum ersten Mal in einer so krassen Phase, das nagt an unserem Selbstbewusstsein. Heute war es ein kleiner Schritt nach vorn." Wie oft hatten sich die Dortmunder in den vergangenen Wochen einen solch dreckigen Sieg gewünscht?

Nicht alles war Dreck, da sollte man Kehl und Hummels nicht falsch verstehen. Das 1:0 durch Ciro Immobile nach einer halben Stunde war hübsch anzusehen. Eine Doppelpass-Stafette, initiiert von Marco Reus, der anschließend selbst mit einem Schlenzer das 2:0 nachlegte. Das finale 3:0 durch Shinji Kagawa fiel kurz vor Schluss, als St. Pauli längst aufgesteckt hatte. St. Pauli schaute nur verschüchtert zu.

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Zu ängstlich, zu brav hatte der Kiezklub agiert, was auch Meggle zugab. Es wurde nichts mit einem Pokalcoup und einem möglichen Erweckungserlebnis für die zweite Liga, in der seine Mannschaft ebenfalls unten drinsteht, bis auf den Relegationsrang abgerutscht ist. "Wir wollten den BVB viel mehr in Zweikämpfe verwickeln, wir wollten eine viel hitzigere Stimmung schaffen", klagte Meggle. So blieb seine Mannschaft trotz des fanatischen Publikums eine ziemlich kleine Hürde, die der BVB auch angeschlagen locker nahm.

Jetzt will Großkreutz die Bayern ärgern

Klopp hingegen war heilfroh, dass es nur gegen einen formschwachen Zweitligisten ging. Der Pokalerfolg hat ihm und seinem Trainerteam Zeit verschafft, nach den Ursachen zu forschen für die schwer erklärliche Delle, die sein Team in der Bundesliga gerade durchlebt. Ein Aus im Pokal hätte die Delle in einen mittelgroßen Krater verwandelt, dieses Szenario hat die Mannschaft abgewendet.

Noch mehr als bei allen anderen hatte sich die Stimmung bei Kevin Großkreutz erhellt. Der stand noch in seiner Trainingsjacke in den Katakomben und schmiedete bereits Pläne für das anstehende Auswärtsspiel in München. "Jetzt wollen wir die Bayern ärgern", erklärte der Nationalspieler vor dem Aufeinandertreffen mit dem Tabellenführer forsch. Solche Sätze wären vor dem Pokalduell noch ausgeschlossen gewesen.

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