Borussia Dortmund:Hübsche Argumente für die Meisterschaft

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Marco Reus gab sich defensiv, auch wenn der BVB die Herbstmeisterschaft sicher hat. (Foto: AFP)
  • Borussia Dortmund feiert beim 2:1 gegen Bremen die Herbstmeisterschaft, doch die Beteiligten geben sich zurückhaltend.
  • Dafür liefern die Spiele viele Erklärungen, warum es aktuell zu gut läuft.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Die Dortmunder hätten vor Stolz platzen müssen, stattdessen gaben sich fast schon grotesk schmallippig. "Herbstmeister? Ist mir schnuppe!", behauptete der Angreifer Marco Reus nach dem 2:1 gegen Bremen. "Jetzt schon die Hinrunde bilanzieren? Nä!", sagte absichtlich schnoddrig der Sportdirektor Michael Zorc. Neun Punkte Vorsprung zwei Spiele vor Hinrunden-Ende - und allen Dortmundern soll das egal sein? "Herbstmeister ist ja gar kein Titel", sagt Zorc nonchalant.

Allerdings zeigen Tabelle und Statistik, dass der BVB nun eben doch der klare Favorit auf den Meistertitel ist. 1994, 1995 und 2010 war Dortmund Herbstmeister und wurde am Saisonende Meister. 2006 war Dortmunds Trainer Lucien Favre mit dem FC Zürich Herbstmeister und wurde am Saisonende Meister. Das sind neben dem überragend erfolgreichen Fußball vier hübsche Argumente für den sechsten Meistertitel des BVB und vier schlechte Nachrichten für die Verfolger Borussia Mönchengladbach und Bayern München.

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Zwei Spiele dauert die Hinrunde noch, trotzdem ist die starke Statistik des BVB bereits bilanzierungswürdig. Dortmund hat 41 Tore geschossen, mit Abstand die meisten. Zwar haben sie mit 193 Torschüssen im Ligavergleich nur eine mittelmäßige Zahl erreicht, dafür haben sie aber klar die beste Trefferquote. Paco Alcácer, der auch gegen Bremen zur Führung traf, benötigte für seine elf Tore nur 21 Torschüsse. Da ist jeder zweite Schuss ein Treffer. Außerdem spielte er nur 440 Minuten, das macht im Schnitt einen Treffer alle 40 Minuten.

Jadon Sancho hat neun Tore vorbereitet. Axel Witsel hat mit 95 Prozent die beste Passquote der Liga. Die Dortmunder erhielten nur 18 gelbe Karten, keine Mannschaft erhielt weniger. Und interessant: Weil sie sich dem gegnerischen Tor fast ausschließlich mit flachen Pässen nähern, hat Dortmund die wenigsten Flanken der Liga geschlagen - nur 105 in 15 Spielen.

Hinzu kommen die sogenannten soft skills. "Wir haben eine perfekte Mischung aus Talent und Erfahrung", analysiert Witsel. Der Belgier im defensiven Mittelfeld und Marco Reus (gegen Werder Schütze zum 2:0) im offensiven Mittelfeld sind die wichtigsten Spieler im hochkarätigen Kader - auch wenn die Vollstrecker Alcácer und Sancho die spektakulärsten sein mögen. Reus, in der Vergangenheit oft von Verletzungen geplagt, spielt die beste Halbserie seiner Karriere. "Ich bin gesund und spiele in einem guten System auf meiner Lieblingsposition", erklärt er den Erfolg.

Die letzteren beiden Argumente sind Komplimente an den Trainer Favre. Unter ihm hatte Reus auch in Mönchengladbach schon überragenden Fußball gezeigt, weshalb die Dortmunder ihn einst überhaupt erst verpflichteten. "Ich bin momentan sehr glücklich", sagte Reus am Wochenende, das war abseits all der ermüdenden Debatten über den Wert der Herbstmeisterschaft ein Satz, der viel verrät über die Stimmung im Kader.

Der 61-jährige Trainer ist derweil der Mastermind hinter dem Erfolg. Der Manager und frühere Fußballprofi Zorc erzählt, selbst er erfahre durch Favre noch Neues über Fußball, und Mittelfeldmann Witsel berichtet: "Lucien Favre spricht sehr viel mit jedem einzelnen, er ist nie schlecht gelaunt oder nervös, er bringt alles positiv rüber." Seine Skepsis hält Favre lieber für die Pressekonferenzen und Medieninterviews zurück. Auf den teils spektakulären Fußball angesprochen, antwortet er am liebsten, dass man hart weiterarbeiten müsse und längst noch nicht alles perfekt sei.

Wenn die Dortmunder etwa beklagten, wie beim 2:1 gegen Werder ihre Chancen nicht gut genug genutzt zu haben, jammern sie auf hohem Niveau. "Wir spielen im Fünfmeterraum manchmal noch einen dreifachen Doppelpass, dabei muss man den Ball notfalls einfach mal mit der Picke reinknallen", sagte der Vorstandsboss Hans-Joachim Watzke im westfälischen Duktus. Auch Favre zählte "acht klare Torchancen", mochte sich aber nicht beklagen und lobte stattdessen lieber die Qualität der Elf, die sich diese acht Chancen überhaupt erst herausgespielt hat. Favre findet nach jedem Spiel sowieso eine Handvoll Faktoren, die es zu verbessern gilt.

Und so arbeitet die beste deutsche Fußballmannschaft der Gegenwart weiter daran, die hohen Erwartungen ihres perfektionistischen Trainers zu erfüllen. Am Dienstagabend, bei Fortuna Düsseldorf, können sie fast nur verlieren, weil alles andere als ein klarer Sieg eine Enttäuschung wäre. Am Freitag steigt dann in Dortmund ein Spitzenspiel, dem angesichts das großen Rückstands des Tabellenzweiten aus Gladbach aber der entscheidende Kick fehlen dürfte. Dortmund ist extrem heimstark, Gladbach auswärts eher mittelmäßig. Die Borussen vom Niederrhein spielen nun aber quasi im Auftrag der Liga: Sie sollen die Bundesliga wieder spannend machen.

Die BVB-Fans, von der schwachen vergangenen Saison längst therapiert, lehnen sich anders als Spieler und Manager weit aus dem Fenster. Sie sangen am Samstag durchgehend: "Wer wird deutscher Meister? BVB Borussia!"

© SZ vom 17.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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