NBA-Finale:Butler verweigert die Kapitulation

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Führt die Heat zum ersten Sieg im NBA-Finale: Jimmy Butler (Foto: AFP)

Experten lachten schon über die Langeweile, doch Jimmy Butler führt Miami Heat mit einem Triple Double zum Sieg über die Lakers - und seine Mannschaft trotz zahlreicher Verletzungen zurück ins NBA-Finale.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Natürlich war das völlig verrückt, was Jimmy Butler nach dem zweiten Spiel der Finalserie sagte. Sein Verein Miami Heat war ohnehin der Außenseiter gewesen in der Best-of-seven-Serie gegen die Los Angeles Lakers, doch nun hatten sie auch noch die ersten beiden Partien deutlich verloren und dazu die beiden Stammspieler Goran Dragic und Bam Adebayo aufgrund von Blessuren. Sie hatten erst keine Chance, nun hatten sie überhaupt keine Chance mehr, und Butlers Optimismus erinnerte an den amerikanischen General Lewis B. Puller, der, als seine Truppen umzingelt waren, einst gesagt hatte: "Großartig, jetzt können uns die Bastarde nicht mehr entkommen."

Butler verweigerte die Kapitulation, entgegen aller Wahrscheinlichkeiten und trotz des Gelächters aller Experten, die schon die langweiligste Endspielserie in der Geschichte der nordamerikanischen Basketballliga NBA prognostizierten. Es klang ja wirklich wie eine Mischung aus Durchhalteparole und Trotz, als Butler verkündete, dass seine Mannschaft noch den Titel gewinnen könne - viel zu dominant waren die Lakers in den ersten Partien der Serie gewesen. Miami wirkte zeitweise noch nicht einmal wie eine Mannschaft, die verlieren würde; sondern wie eine, die schon verloren hatte.

Das dritte "40 point triple double" in der Geschichte der Finalserie

3:0 hätte es am Sonntag stehen sollen, und weil noch kein NBA-Team jemals so einen Rückstand in den Playoffs aufgeholt hatte, sollte der Meister so gut wie feststehen. Nur: Butler verweigerte nicht nur verbal die Aufgabe, sondern auch auf dem Parkett. Ihm gelang das dritte sogenannte "40 point triple double" (mindestens 40 Punkte, dazu zweistellige Werte in zwei weiteren Statistik-Kategorien) in der Geschichte der Finalserie, mit 40 Punkten, elf Rebounds und 13 Zuspielen führte er Miami zum 115:104-Sieg und brüllte schon gegen Ende der Partie immer wieder diese Worte, die General Puller hätten stolz werden lassen: "Die sind in Schwierigkeiten!"

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Butler traf 70 Prozent seiner Würfe aus dem Feld, er war an 73 von 115 Punkten direkt beteiligt - aber weil Zahlen immer nur den trockenen Teil einer Geschichte erzählen, sei an diese Situation im Schlussviertel erinnert, die symbolisch steht für das, was Butler da geleistet hatte. Er dribbelte von der Ecke des Spielfeldes aus auf den Korb zu; doch stürmte Gegenspieler LeBron James heran, der bekannt dafür ist, spektakuläre Dunkings mit noch spektakuläreren Blocks zu verhindern wie zum Beispiel in der Finalserie 2016 für Cleveland gegen Golden State. Butler hätte stoppen, passen oder ausweichen können, doch das tat er nicht. Er sprang furchtlos in James hinein und fuhr seinen rechten Ellenbogen aus, jedoch so, dass es aussah, als würde er einen Korbleger probieren wollen. Er bekam das Foul und Freiwürfe zugesprochen, James war außer sich vor Wut.

"Wir gehören in diese Serie, und wir können sie schlagen"

"Was wir seit heute Abend wissen: Wir gehören in diese Serie, und wir können sie schlagen", sagte Butler danach, und plötzlich klang es nicht mehr wie der Zwangsoptimismus des Unterlegenen. Es klang wie die Prognose eines Typen, der was über sich und seinen Gegner gelernt hat: Miami hatte seine Defensive umgestellt, sie verzichteten weitgehend auf Raumdeckung, beim Freisperren für James wechselten sie nicht den Verteidiger, sondern ließen möglichst Butler wieder zu ihm gelangen. Also: Weniger Doppeldeckung für den besten Akteur des Gegners, dafür mehr Druck auf dessen Kollegen. Das funktionierte, und es ist möglich, dass sie das während der vierten Partie am Dienstag wieder tun werden - zumal dann der Fuß von Dragic und die Schulter von Korbbewacher Adebayo zumindest so genesen sein dürften, dass sie auflaufen könnten.

Die große Frage nach dieser Partie ist freilich: War das der Ausrutscher eines grandiosen Teams, dessen Superstars James und Anthony Davis bereits mit legendären Lakers-Duos wie zum Beispiel Magic/Kareem oder Shaq/Kobe verglichen werden - oder passiert da noch was in dieser Serie?

Es hat ja schon verrückte Comebacks gegeben in der Geschichte des Sports, und sie wurden immer von diesem einen Verrückten initiiert, der nicht aufgeben wollte und seine Kameraden mit diesem Optimismus mitriss. Fritz Walter im WM-Finale 1954, der beim 0:2 seinen Kollegen am Mittelkreis einredete, dass die Partie nun erst beginnen würde. Oder der Segler Jimmy Spithill, der angesichts eines 1:8-Rückstands beim America's Cup 2013 sagte, dass er nicht zucken würde, wenn er in den Lauf einer Pistole blickte. Er zitierte General Puller und führte sein Team zum 9:8-Sieg.

Die Lakers nehmen den Gegner nicht mehr ernst

Die Lakers sind noch immer das talentiertere Team, und sie können die mäßige Leistung von Davis (15 Punkte, fünf Rebounds) damit begründen, dass der mit Foul-Problemen sehr lange auf der Ersatzbank gesessen hat. Sie können sagen, dass Danny Green (null von sechs Versuchen aus dem Spiel heraus), Kentavious Caldwell-Pope (einen von fünf) und Rajon Rondo (zwei von acht) ganz einfach jeweils schreckliche Wurf-Abende erwischt hätten und das so was nun mal passieren kann bei einer Best-of-seven-Serie.

Das stimmt, aber es stimmt auch, dass die Lakers darauf verzichtet haben, diese Partie und diesen Gegner ernst zu nehmen. Miami interpretierte dieses Spiel als Straßenschlacht und spielte so, als ginge es ums Überleben - das tat es im übertragenen Sinne ja auch. Los Angeles spielte so, als fände die Partie im Garten von James' Villa im Nobelviertel Brentwood statt und als ginge es darum, sich vor der wilden Party danach nur ja nicht zu sehr zu verausgaben.

"Das ist mir alles völlig egal: wie viele Punkte oder Rebounds ich schaffe oder wer sonst auf dem Feld ist. Ich will gewinnen", sagte Butler danach über seine Leistung, und dann legte er einen General-Puller-Satz nach: "Ich glaube fest daran, dass wir gewinnen können. Ich sehe uns nicht als Außenseiter." Das freilich ist nur dann nicht verrückt, wenn Miami auch die vierte Partie gewinnt und die Serie ausgleicht.

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