Jonathan Burkardt bei Mainz 05:Der Mainzer auf dem Zettel von Hansi Flick

Lesezeit: 3 min

Schaut mich an: Jonathan Burkardt bejubelt sein jüngstes Tor beim Mainzer Sieg in Bielefeld. (Foto: Ulrich Hufnagel/imago images)

Jonathan Burkardt ist bei Mainz 05 so etwas wie der Stürmer der Stunde. Vorerst spielt er noch für die deutsche U21 - und beeindruckt seinen Trainer mit seiner Kämpfermentalität.

Von Frank Hellmann, Mainz

Mit der Attitüde eines Marktschreiers verliest Andreas Bockius bei jedem Heimspiel des FSV Mainz 05 die Aufstellung. Es dauert dann immer ein bisschen, bis der Stadionsprecher mit seiner schrillen Stimme beim Spieler ankommt, der auf der Fantribüne den höchsten Geräuschpegel auslöst. Nummer 29: Jonathan Burkardt.

Auch nach dem etwas glücklichen 1:1 (0:1) am Freitagabend gegen Borussia Mönchengladbach taugt derzeit keiner besser zur Symbolfigur des Mainzer Höhenfluges als der blonde Draufgänger, den hier alle nur "Jonny" rufen. Er ist so etwas wie der Stürmer der Stunde. Während ihm in seinen ersten drei Profijahren nur mickrige drei Törchen gelangen, steht der 21-Jährige diese Saison bereits bei acht Pflichtspieltreffern.

Als Bundestrainer Hansi Flick vor zwei Wochen eine Stippvisite in die Mainzer Arena unternahm, glänzte Burkardt in seinem 50. Bundesligaspiel gegen den FC Augsburg (4:1) mit einem Tor und einer Vorlage. Flugs kam das Thema auf, ob der U21-Europameister nicht auch für die WM-Qualifikationsspiele gegen Liechtenstein (11. November) und Armenien (14. November) berufen werden könnte. Doch so schnell wird es nicht gehen. Bei der Nominierungsrunde am Freitag verblieb Burkardt bei der U21, deren Kapitän er unter dem neuen Coach Antonio Di Salvo geworden ist. Das EM-Qualifikationsspiel gegen Polen (12. November) gilt für die deutsche Nachwuchsauswahl als zu wichtig. Dort Verantwortung zu übernehmen, bekundete Burkardt kürzlich, "hat mich in der Persönlichkeitsentwicklung enorm weitergebracht". Der Schnupperkurs im A-Team kann noch warten.

Viele erinnert der gebürtige Darmstädter in seinen Bewegungsabläufen an den einst ebenfalls in Mainz durchgestarteten André Schürrle, der später die entscheidende Flanke für Mario Götze im WM-Finale 2014 schlug. Auch Burkardt definiert sich über sein enormes Tempo: Mit einem Top-Speed von 34,75 Stundenkilometern ist er einer der schnellsten Stürmer der Liga.

Durchaus besonders ist auch der geerdete Eindruck, den Burkardt abseits des Platzes erweckt: Aus Überzeugung pflegt er weder ein Profil bei Twitter, Facebook oder Instagram. Social Media ist für ihn eine Scheinwelt, in die er nicht eintauchen muss. Und anstelle seiner Stärken betont er lieber, wie viel Verbesserungsbedarf es bei ihm noch gibt. Über seine holprigen Anfänge sagt er selbstkritisch: "Damals bin ich viel öfter ins Dribbling gegangen und habe Harakiri gespielt. Heute bin ich ein bisschen gereifter und halte länger durch."

Aus dem schmächtigen Jungen ist zwar noch kein muskelbepackter Kerl geworden, aber seine Physis ist eine gänzlich andere. Womit auch Trainer Bo Svensson die Entwicklung erklärt: "Ich kenne Jonny, seit er 15, 16 ist. Er hatte eine schwere Verletzung und Probleme, den Anschluss zu schaffen, auch körperlich." Dem Dänen imponiert, wie sich das Eigengewächs nach oben gekämpft hat: "Diese Widerstände haben ihn besser gemacht, und sie werden ihn noch besser machen."

Mainzer Strategie: Mateta und Quaison gingen, Burkardt und Onisiwo verlängerten ihre Verträge

Dass die Mainzer aktuell auf Rang fünf stehen, hat viel mit ihrer neu aufgestellten Offensive zu tun: Hier hat der ebenfalls aufgeblühte Karim Onisiwo mindestens ebenso großen Anteil. Der 24-Jährige hat zwar nur ein Tor erzielt, dafür aber fünf vorbereitet. Burkardt und Onisiwo bilden einen Doppelsturm mit großem Bewegungsradius, der für gegnerische Abwehrreihen schwer zu greifen ist. Und beide sprinten gefühlt ebenso oft nach hinten wie nach vorne. Das Mainzer Umschaltspiel definiert sich über die schnelle Balleroberung.

Dass sich Burkardt und Onisiwo entfalten können, hat wiederum einiges damit zu tun, dass die Nullfünfer in der größten Krise der Vereinsgeschichte die komplette sportliche Leitungsebene austauschten. Der zum Jahreswechsel zurückgeholte Vorstand Christian Heidel, der als Sportdirektor eingestellte Ex-Trainer Martin Schmidt und der Fußballlehrer Svensson identifizierten sehr schnell, dass Alleinunterhalter Jean-Philippe Mateta bis zum Winter zwar sieben der zwölf Saisontore erzielt hatte, der Franzose aber mit seinen vielen Egotrips das Binnenklima störte. Also ließen sie ihren besten Torjäger zu Crystal Palace ziehen, im Sommer durfte dann auch der schwedische Nationalspieler Robin Quaison nach Saudi-Arabien gehen.

Mit Burkardt und Onisiwo wurden hingegen die Verträge bis 2024 verlängert. Dass auf deren Erfüllung nicht gepocht wird, wenn deren Entwicklung so anhält, gehört zur DNA eines Klubs, dessen Publikum vor Anpfiff fröhlich schunkelnd ein Lied trällert, das davon erzählt, nur ein Karnevalsverein zu sein.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: