Bundesliga:Wie Hertha BSC sich für die Bayern warmgaukelt

Lesezeit: 4 min

Herthas Trainer Pal Dardai kann sich freuen - seine Berliner kommen gut gelaunt nach München. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Die Bayern jagen? Die Hertha ist sich da nicht so sicher. Nach dem besten Start der Klubhistorie reisen die Berliner immerhin mit Humor im Gepäck nach München.

Von Javier Cáceres, Berlin

Nimmt man Pal Dardai, den Trainer von Hertha BSC, beim Wort, dann spielt an diesem Mittwoch in München ein Mann eine tragende Rolle, den die qualitativ hochwertig besetzte Scouting-Abteilung des FC Bayern kaum auf ihrem Zettel haben dürfte: Stephan Behrendt. Er ist nun zwar auch schon über 50, und er wird bei Spielbeginn in München um 20 Uhr schon gut 600 Kilometer in den Beinen haben. Doch Dardai setzt alles Vertrauen in ihn, um beim FC Bayern zu punkten.

"Ich habe mit ihm geredet, wir werden den Autobus mit unserem schönen Logo vor dem Tor parken", verriet Dardai seinen Plan. Behrendt ist nämlich der Chauffeur der Hertha, Kommandant eines 490 PS starken Gefährts mit 32 Sitzplätzen, das mehr als 14 Meter Länge misst. Genug, um das nominell vom Norweger Rune Jarstein gehütete Hertha-Tor zu verbarrikadieren.

Natürlich erzählte Dardai, 40, all dies mit dem ihm eigenen Schmunzeln, und das wiederum erzählt eine Menge über die unverschämt gute Laune, die derzeit auf dem Olympiagelände in Berlin zu spüren ist. Gut, es gibt eingefleischte Herthaner, die den Verantwortlichen des Vereins verübeln, dass sie den Markenkern des Klubs verändern und etwa einem Ausweichtrikot in Rosa zustimmen, Hertha neudeutsch als "Berlins ältestes Start-up" präsentieren oder ein Saisonmotto ausgeben, das in Englisch gehalten ist: "We try. We fail. We win" lautet es. In Wedding würde das alteingesessene Publikum wohl besser zurechtkommen mit einem "unsere Jungs jurken mit ihre unejalen Füsse janz schön rum und verkacken et dann ooch, aber manchmal jewinnen'se halt doch, Keule, wa!" Aber sonst? Alles bestens.

Erst Schieber, zuletzt Stocker: Hertha kann Jokertore

Drei Spieltage ist die Saison alt, die Hertha hat jeden einzelnen mit einem Sieg beendet und reist nun als Tabellenzweiter nach Bayern. Zum Spitzenspiel des vierten Spieltags - das hätte man so auch nicht gedacht. Schon gar nicht nach der Sommer-Saisonvorbereitung, in die das unerwartete Aus gegen Bröndby Kopenhagen in der Europa-League-Qualifikation fiel.

Doch die Erinnerung daran ist in der Stadt verblasst, mittlerweile hat man den Eindruck, nur Dardai halte sie noch hoch. Allerdings nur, um zu betonen, wie sehr er die Europa League den entscheidenden Aufgaben untergeordnet und wie sehr es ihn geärgert hatte, dass die Stadt in unangebrachten Defätismus verfallen war. Am Sonntag, nach dem 2:0 gegen Schalke, sagte er, dass er Manager Michael Preetz schon vorher angekündigt habe, die Vorbereitung ohne Rücksicht auf die Qualifikationsspiele gegen Bröndby durchzuziehen, auch um den Preis des Ausscheidens. Zwar klang er vor den Bröndby-Spielen interessierter an der Europa League als nun im Nachhinein. Aber wen schert dieser kleine Widerspruch, nach Herthas bestem Saisonstart der Bundesligageschichte?

FC Bayern
:Mit Boateng zurück zum Luxusressort

Die Defensive der Münchner war mal ein Notstandsgebiet, nun kehrt mit Jérôme Boateng die letzte Abwehrmacht zurück. Für die kommenden Gegner ist das vor allem: bedrohlich.

Von Christof Kneer

Dass die optimale Punktausbeute den Blick der Herthaner auf die Realität verstellen könnte, ist nicht zu befürchten. Auch sie nehmen die Schlagzeilen von den Bayern-Jägern wahr - und wehren sie ab: "Bitte schön, lassen wir das", sagt Dardai. Am Saisonziel hat sich nichts geändert, es lautet: 45 Punkte plus x. "Wir sind eine kleine, fleißige Mannschaft", lautet Dardais Mantra, das er nicht mit Koketterie, sondern mit gewissem Stolz vorträgt. Gegen Schalke war Herthas Grundehrlichkeit gut zu beobachten und auch an der Spielstatistik abzulesen. Herthas Elf lief rund vier Kilometer mehr als der Gast. Das war, abgesehen von der Effizienz vor dem Tor, einer der wenigen empirisch erfassbaren Bereiche, in denen die Berliner den Schalkern erkennbar überlegen waren.

Nicht weniger entscheidend war aber ein weniger greifbarer Bereich: Die Herthaner hatten den im Umbruch befindlichen Schalkern eine kampferprobte taktische Ausrichtung voraus. Vom Rezept, mit dem die Berliner vor allem in der Hinrunde der vergangenen Saison für Aufsehen gesorgt hatten, unterscheidet es sich nur in Nuancen, auch das Personal ist im Grunde das gleiche geblieben. Dass Stürmer Vedad Ibisevic nun als Kapitän vorangeht, ist die größte Neuerung.

Bundesliga
:5:1 - doch Dortmund leidet

Vorne trifft der BVB wie er will, doch hinten muss Torwart Bürki in Wolfsburg einige Male famos retten. Erst ein Abseitstor entscheidet die Partie.

Von Carsten Scheele

Von den drei neuen Spielern - dem brasilianischen Mittelfeldmann Allan (FC Liverpool), Außenspezialist Alexander Esswein (FC Augsburg) und dem verletzten Spielmacher Ondrej Duda (Legia Warschau) - wurde am Sonntag keiner eingesetzt. Allerdings wird nun, ungeplant und unerwünscht, doch ein fundamentaler Wechsel fällig. Der Grund: Mittelfeldmotor Vladimir Darida hat sich am Sonntag derart schwer am Sprunggelenk verletzt, dass er für den Rest der Hinrunde auszufallen droht: "Ich fürchte, das war es für dieses Jahr", sagt der Tscheche.

Für Hertha ist das deshalb ein sensibles Thema, weil sie in der Vorsaison just ab jenem Zeitpunkt abbaute, als Darida die Kräfte verließen. Darida ist derjenige, der für Ballbesitz und Spielfluss sorgt, wie Dardai analysierte, er ist der Fugenkitt des Berliner Spiels. Und so wird sich in den nächsten Wochen zeigen, ob die Hertha wirklich einen Schritt nach vorn gemacht hat. In München fallen außerdem Innenverteidiger Brooks und Stürmer Kalou aus.

Dardai wird seit Wochen nicht müde zu betonen, dass der Konkurrenzkampf im Team funktioniert - abzulesen daran, dass in allen drei Spielen sogenannte Joker zu Toren kamen. Julian Schieber traf gegen Freiburg und Ingolstadt, am Sonntag war Valentin Stocker dran. Die Reservisten streben ins Team, ohne nach außen zu murren. Dass Alexander Baumjohann sich vergangene Woche ausweinte ( Bild), ließ aufhorchen. "Seit ich hier bin, herrscht hier gute Stimmung und Ordnung", sagt Dardai, der sein Amt im Februar 2015 antrat.

Dass Dardai bei den Bayern nun wirklich den Bus vors Tor stellt, also sein Team defensiver ausrichtet und stärker auf Konter setzt, lässt sich nicht ausschließen. Entscheidend aber sei die Mentalität: Wenn sein Team ans Limit gehe, könne die Visite erfolgreicher gestaltet werden als die vorigen neun Besuche in München (nur Niederlagen). Dardai sagt: "So wie wir im Moment agieren, sehe ich eine minimale Chance, dass wir ungeschlagen bleiben."

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

FC Bayern
:Hertha kommt zum Spitzenspiel: "Überraschung" für Ancelotti

Die Bayern freuen sich gegen die Berliner auf die Rückkehr von Arjen Robben - doch die Hertha hat einen Plan, um in München zu bestehen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: