Bundesliga:"Weitermachen, immer weitermachen"

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Die Rivalität beginnt mit zwei ganz Großen des deutschen Fußballs: Franz Beckenbauer und Uwe Seeler. (Foto: imago)
  • An diesem Samstag kommt es in München zum 106. Duell in der Bundesliga zwischen dem FC Bayern und dem Hamburger SV, kein Duell hat es ohne Unterbrechung länger gegeben.
  • Doch dem HSV droht der Abstieg. Ein Rückblick in sieben Kapiteln.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen und zur Tabelle der Bundesliga.

Von Benedikt Warmbrunn

An diesem Samstag (15.30 Uhr) kommt es in München zum 106. Duell in der Bundesliga zwischen dem FC Bayern und dem Hamburger SV, kein Duell hat es bislang ohne Unterbrechung länger in der Liga gegeben. Obwohl die Bilanz eindeutig ausfällt (64 Siege für den FC Bayern, 19 Siege für den HSV, 22 Remis; Torbilanz: 241: 101), war es lange ein Duell auf Augenhöhe - zurzeit deutet allerdings nur wenig darauf hin, dass der aktuelle Tabellenführer auch in der nächsten Saison auf den aktuellen Tabellenvorletzten treffen wird. Ein Rückblick in sieben Kapiteln.

Der erste Schönling

Hamburg, 20. Oktober 1965

Der HSV, damals noch eins von zwölf Gründungsmitgliedern der Liga, empfängt erstmals den Aufsteiger aus München. Dieser beschäftigt damals eine legendäre Flügelzange, links Dieter Brenninger, rechts mit Rudolf "Rudi" Nafziger; in der Regionalliga Süd hatte auch dieses Flügelspiel zu einem Torverhältnis von 146:32 geführt. Auch der HSV weiß dieser Wucht über die Außenbahnen nichts entgegen zu setzen, zum Mann des Spiels wird Nafziger. Der 20-Jährige begeistert die Beobachter mit seiner Eleganz und seinem Ballgefühl; aufgrund seiner akkurat frisierten, dunklen Haare und seinen kantigen Gesichtszüge wird er als Der erste Schönling der Liga bezeichnet. In Hamburg erzielt er zwei Tore, auch sein Partner von der linken Seite trifft. Das vierte Tor beim 4:0 steuert ein gewisser Gerd Müller bei, es ist sein achtes Saisontor am neunten Spieltag. Die Saison beendet der Aufsteiger aus München als Tabellendritter, mit 13 Punkten Vorsprung auf den Neunten aus Hamburg.

Der erste Kuss

Hamburg, 10. Dezember 1966

In den Gründungsjahren der Liga war das Berufsbild des Fußballers noch etwas weiter gefasst, nur wenige nutzten diese Freiheit so fantasievoll wie Gert "Charly" Dörfel. Seine Aufgaben als Fußballer bezeichnete der Buchhalter selbst als "Hobby". Diesen Aufgaben ging er pflichtbewusst nach, er war der erste Bundesliga-Torschütze des HSV (1. Spieltag 1963 beim 1:1 in Münster) und der erste Bundesligaspieler, der in einem Spiel drei Tore erzielte (2. Spieltag 1963 beim 4:2 gegen Saarbrücken), 1965 wurde er von L'Équipe zum besten Linksaußen Europas gewählt. In Erinnerung ist er jedoch vor allem wegen seiner Qualitäten als Entertainer geblieben: Während der Spiele verschenkte er gerne Bonbons, auch an Gegenspieler. 1965 veröffentlichte er die Single "Das kann ich Dir nicht verzeih'n / Erst ein Kuß".

Etwas in Vergessenheit geraten ist, dass der HSV Dörfel auch den ersten Sieg gegen den FC Bayern verdankt, im dritten Ligaduell. Beim 3:1 trifft Dörfel zweimal, das dritte Tor für den HSV erzielt Uwe Seeler - nach einer Vorarbeit von Dörfel, der in Deutschland als Pionier der sog. Bananenflanke galt. Für den FC Bayern trifft ein gewisser Gerd Müller mit seinem 17. Saisontor am 16. Spieltag. Die Spielzeit beendet der HSV als Tabellenvierzehnter, mit sieben Punkten Rückstand auf den Tabellensechsten aus München.

Des Ritters Rache

Hamburg, 1. April 1977

Für Kuno Klötzer hatte ein Bundesligaspieler drei Eigenschaften zu erfüllen: Er musste fleißig sein, diszipliniert und ehrlich. Wegen dieser Aufrichtigkeit nannten Klötzer alle nur Ritter Kuno. Klötzer gewann 1976 mit dem HSV den DFB-Pokal (Gegner im Halbfinale: der FC Bayern) - im Verein hatte er in Generalmanager Peter Krohn dennoch einen Gegner. Krohn galt als einer der ersten Funktionäre, die den Fußball als Unterhaltungsbranche sahen, da reichten Fleiß, Disziplin und Ehrlichkeit allein nicht. Zum Ende der Saison 1976/77 beendet Krohn nach wochenlangen Spannungen die Zusammenarbeit mit Klötzer. Dieser rächt sich, indem er bis dahin noch mal ausgesprochen erfolgreich ist. Im Mai gewinnt der HSV den Europapokal der Pokalsieger, im April besiegt das Team in der Liga den FC Bayern 5:0, es ist nach wie vor der höchste Sieg gegen die Münchner. Die Saison beendet Hamburg auf Platz sechs, einen Punkt vor dem FC Bayern.

Die schönste Niederlage

Hamburg, 9. Juni 1979

Der Beginn der erfolgreichsten Jahre des HSV lässt sich zurückverfolgen auf die Überweisung von 2,3 Millionen D-Mark. Die damalige Rekordablöse war Krohns wichtigste Maßnahme zur Steigerung der Attraktivität - aus England kam Kevin Keegan, der das Beste aus Nafziger und Dörfel in sich vereinte. Lockenkopf, Dressman, Ein-Mann-Unterhaltungskünstler, Sänger ("Head over Heels in Love" - Platz zehn der deutschen Charts), Rufname: Mighty Mouse. Keegan war jedoch auch ein ehrgeiziger Stürmer, sein Mitspieler Felix Magath beschrieb später, wie störend Keegan die nicht seltenen Trinkereien fand.

Die beste Zeit hat diese Rivalität für den HSV zu Zeiten der Tore von Horst Hrubesch. (Foto: imago)

Am letzten Spieltag seiner zweiten Saison in Hamburg empfangen Keegan und der HSV den FC Bayern, der Engländer erzielt sein 17. Saisontor, dennoch gewinnt der FC Bayern durch Treffer von Wilhelm Reisinger und Karl-Heinz Rummenigge 2:1. Nach dem Abpfiff jubeln die Gastgeber, sie standen bereits vor der Partie erstmals als Bundesliga-Meister fest (mit neun Punkten Vorsprung auf den Vierten aus München). Die Feierlichkeiten erlangen traurige Bekanntheit: Die Fans stürmen den Rasen, reißen ein Tor nieder, 70 Menschen werden verletzt.

München, 24. April 1982

Die glanzvollsten 20 Minuten des HSV gegen den FC Bayern beginnen mit einem Sololauf von Thomas von Heesen. 29. Spieltag, der Tabellenzweite empfängt den Tabellenführer, ein Sieg, und der FC Bayern hätte wieder die Spitzenposition eingenommen. Es läuft die 70. Minute, der Gastgeber führt durch zwei Tore von Dieter Hoeneß sowie eines von Udo Horsmann 3:1; Jimmy Hartwig hatte zum zwischenzeitlichen Ausgleich getroffen. Dann startet von Heesen seinen Alleingang über zwei Drittel des Spielfeldes, er schließt ihn mit dem Anschlusstreffer ab. Sechs Minuten später gleicht Horst Hrubesch aus. Der Stürmer - Spitzname: Kopfballungeheuer - erzielt in der 90. Minute den Siegtreffer, natürlich per Kopf, allerdings nicht wie so oft in diesen Jahren nach einer Bananenflanke von Manni Kaltz, sondern nach einem Freistoß von Felix Magath.

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In München führt die Niederlage zu einer "bayerischen Depression", wie sich Rummenigge später erinnert. Der FC Bayern beendet die Saison als Dritter, fünf Punkte hinter dem HSV. Auf der Meisterfeier stimmt Hrubesch ein Lied an: "Kling, Glöckchen, klingelingeling, kling, Glöckchen, kling. H-S-V ist Meister..." Hrubesch bekommt keinen Plattenvertrag.

4:38 Minuten

Hamburg, 19. Mai 2001

Der HSV ist seit knapp drei Jahren, seit dem ersten Abstieg des 1. FC Köln, das letztverbliebene Gründungsmitglied der Bundesliga, der Verein ist nun: der Dino. Gegen den FC Bayern hat der Dino seit eineinhalb Jahrzehnten nicht mehr gewonnen, am letzten Spieltag geht es darum, dem ewigen Rivalen wenigstens die Meisterschaft zu entreißen; der FC Bayern reist mit drei Punkten Vorsprung vor dem FC Schalke 04 an. In der 90. Minute trifft Sergej Barbarez zum 1:0 für den HSV, auf Schalke feiern sie schon den Titel. FCB-Torwart Oliver Kahn schreit: "Weitermachen, immer weitermachen." In der 4. Minute der Nachspielzeit nimmt HSV-Torwart Matthias Schober den Ball nach Rückpass von Tomas Ujfalusi in die Hand - indirekter Freistoß. Stefan Effenberg legt ab zu Patrik Andersson, der aus zehn Metern durch die auf der Torlinie aufgestellte Mauer hindurch trifft. Nach 4:38 Minuten heißt der Meister nicht Schalke, sondern FC Bayern. Kahn jubelt mit der Eckfahne. Als er später die Schale überreicht bekommt, schreit er in den Himmel: "Da ist das Ding!" Der HSV wird Dreizehnter.

Die torreichen Jahre

München, 12. März 2011

Der FC Bayern spielt wieder mit einer längst legendären Flügelzange, der rechte Flügel, Arjen Robben, trifft beim 6:0 dreimal, der linke Flügel, Franck Ribéry, einmal. Die weiteren Tore erzielen der Gelegenheitsflügelspieler Thomas Müller sowie HSV-Verteidiger Heiko Westermann mit einem Eigentor. Das 6:0 ist der Auftakt zu torreichen Jahren, die Distanz zwischen den beiden Klubs zeigt sich nicht mehr allein in der Tabelle, sondern vor allem im direkten Vergleich. Auch von den folgenden 13 Begegnungen gewinnt der FC Bayern elf, der HSV keine, Torverhältnis: 40:6. Für die Geschichtsbücher: Zuletzt getroffen hat der HSV gegen den FC Bayern im Januar 2016 - durch ein Eigentor des Münchners Xabi Alonso.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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