8. Spieltag der Bundesliga:Leverkusen spielt Schach in Wolfsburg

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Nur selten aufzuhalten: Die Leverkusener Alejandro Grimaldo, Jonas Hofmann und Jeremie Frimpong (v. l.) (Foto: Bahho Kara/Eibner/Imago)

Die Mannschaft von Xabi Alonso ist nach dem 2:1 weiter Erster - auch die anderen Spitzenteams siegen, doch Stuttgarts Stürmer Serhou Guirassy verletzt sich. Das Wichtigste zum Spieltag.

Von Tim Brack, Andreas Liebmann und Martin Schneider

VfL Wolfsburg - Bayer 04 Leverkusen 1:2 (1:1), Tore: 0:1 Jeremie Frimpong (13.), 1:1 Maxence Lacroix (41.), 1:2 Alejandro Grimaldo (62.)

Vor der Begegnung musste Leverkusens Trainer Xabi Alonso erst mal die Gemüter beruhigen. "No, no, no, no", sagte der Spanier, Florian Wirtz sei nicht verletzt - aber wer so einen Kader hat, rotiert eben nach einer Länderspielpause ein wenig. Gegen Wolfsburg erwarte er ein "Chess Game", sagte Alonso noch, und was soll man sagen, die Eröffnung gelang: Victor Boniface köderte fünf Wolfsburger Verteidiger mit einem Dribbling im Strafraum, flankte auf Jeremie Frimpong, der zur Führung traf. VfL-Keeper Pavao Pervan musste sich fragen, warum er den Ball hinter der Linie fing, anstatt ihn vor der Linie wegzuhauen.

Die frühe Führung gab den Leverkusenern aber kaum Stabilität, stattdessen wühlten sich die Wolfsburger ins Spiel und trafen nach einer Ecke verdient zum Ausgleich durch Maxence Lacroix. Alonso sah sich dann gezwungen, nach 60 Minuten zu rochieren. Wirtz kam und erwischte den Pass des umtriebigen Frimpong in den Strafraum zwar nicht, doch aus dem Hintergrund traf Grimaldo mit einem abgefälschten Schuss.

Frimpong flog auch nach der 2:1-Führung über den Wolfsburger Rasen wie ein Läufer über das Schachbrett. Das 3:1 verpasste er aber zweimal (Parade Pervan und Abseits). Trotzdem schachmatt - und Leverkusen ist weiter Erster.

1. FSV Mainz 05 - FC Bayern München 1:3 (1:2), Tore: 0:1 Kingsley Coman (11.), 0:2 Harry Kane (16.), 1:2 Anthony Caci (43.), 1:3 Leon Goretzka (59.)

Umarmung um Umarmung näherte sich Thomas Tuchel lachend dem Spielfeldrand. Der Trainer des FC Bayern kehrt immer wieder gerne nach Mainz zurück. Es war am Samstagabend bereits sein zweiter Besuch beim ehemaligen Klub, seit er in München Julian Nagelsmann als Cheftrainer beerbt hat. Die Erinnerung an den ersten im vergangenen April allerdings dürfte ihm schmerzhaft im Gedächtnis geblieben sein: Mainz siegte damals 3:1.

Aktuell aber hatten die Mainzer saisonübergreifend bereits zwölf Bundesligaspiele ohne Sieg hinter sich, vielleicht strahlte Tuchel deshalb so große Vorfreude aus. Vielleicht auch, weil Joshua Kimmich (grippaler Infekt) und Leon Goretzka (Risswunde am Knöchel) gerade rechtzeitig zur Partie beim Tabellenvorletzten genesen waren. Oder etwa, weil seine Flügeldribbler Kingsley Coman und Leroy Sané zurzeit in Höchstform sind? Weil Torwart Manuel Neuer bald zurückerwartet wird?

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Kimmich jedenfalls startete ohne erkennbare Nachwirkungen seiner Erkältung, erst mit einem Distanzschuss, dann einem Chipball auf Goretzka, der aufs Tornetz köpfelte. Kurz darauf setzte Sané mit etwas Ballglück zu einem Konter an, er passte perfekt in den Lauf von Coman - und der traf vollspann zur Führung (11.). Sven Ulreich verhinderte mit einer mindestens Neuer-würdigen Glanztat den schnellen Ausgleich beim Kopfball von Lee Jae-sung, fast im Gegenzug erhöhte Harry Kane nach Goretzkas Kopfballvorlage auf 2:0 (15.) - und Sané legte Coman gleich noch eine Großchance auf. Es lief also - bis Anthony Caci kurz vor der Pause ungedeckt zum Mainzer Anschluss traf. Es war die zweite Großchance der Gastgeber, bei der Münchens Rechtsverteidiger Konrad Laimer wirkte, als hätte netterweise er Kimmichs Grippe-Nachwehen übernommen.

Mainz jedenfalls baute sich an den Unsicherheiten in der Münchner Hintermannschaft auf, in der 57. Minute verpasste Stefan Bell um Zentimeter den Ausgleich aus der Distanz - während Goretzkas Schuss kaum zwei Minuten später perfekt zum 3:1 saß. Nach einem Pfostentreffer des FSV-Teenagers Brajan Gruda kurz vor Schluss konnte Tuchel beruhigt auf die Suche gehen nach Menschen, die er noch nicht umarmt hatte.

1. FC Union Berlin - VfB Stuttgart 0:3 (0:1), Tore: 0:1 Serhou Guirassy (16.), 0:2 Silas Katompa Mvumpa (81.), 0:3 Deniz Undav (88.)

Nicht aufzuhalten: Der VfB Stuttgart gewinnt auch an der Alten Försterei. (Foto: Engler/Nordphoto/Imago)

Die Ausgangslage wäre eine nette Rechenaufgabe für Freunde der Stochastik gewesen: Wie wahrscheinlich wäre es wohl, dass der ehedem so heimstarke 1. FC Union Berlin ausgerechnet gegen den VfB Stuttgart gewinnen würde? Nach sieben Pflichtspielniederlagen in Serie - gegen einen Gegner, der zuletzt fünf Siege nacheinander gehortet hatte? Mögliche Zusatzfrage: Berechne die Wahrscheinlichkeit einmal mit dem Stuttgarter Stürmer Serhou Guirassy, der in bislang sieben Partien 13 Tore erzielt hat - und einmal ohne ihn.

Was auch immer die korrekten Antworten nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitstheorie gewesen wären: Die Antwort, die der achte Spieltag gab, lautete 0:3. Den Stuttgarter Führungstreffer erzielte Guirassy, natürlich, per Kopf nach einer gefühlvollen Flanke von Anthony Rouault (16.), Treffer Nummer 14 also. Doch dann geschah etwas, was die Wahrscheinlichkeit für künftige Stuttgarter Siege vorübergehend senken könnte: Guirassy bekam einen Schlag in den hinteren Oberschenkel, nach einer halben Stunde musste er raus.

Unions Trainer Urs Fischer hatte zunächst überrascht, indem er im Angriff auf Kevin Volland setzte anstelle von Sheraldo Becker - den wirkungslosen Versuch revidierte er zur Pause. Nach vorne ging trotzdem wenig. Und kurz nachdem David Fofana Berlins beste Chance zum Ausgleich nach Flanke von Becker vergeben hatte (79.), nutzte Silas einen Konter zur Vorentscheidung. Deniz Undav traf per Kopf zum 0:3-Endstand.

SV Darmstadt 98 - RB Leipzig 1:3 (1:2), Tore: 0:1 Lois Openda (1.), 0:2 Emil Forsberg (24.), 1:2 Tobias Kempe (32., Foulelfmeter), 1:3 Lois Openda (72.)

Lois Openda trifft in Darmstadt zum 1:0 für Leipzig. (Foto: Florian Ulrich/Jan Huebner/Imago)

Quälend lange drei Minuten hatte Leipzigs Dani Olmo im August benötigt, um endlich in diese Saison zu finden, dann erzielte er sein erstes von drei Toren im Supercup gegen Bayern, legte zwei Treffer in den ersten drei Bundesligaspielen nach - und als endgültig klar war, dass dieser neuerdings auch noch torgefährliche Spanier für Leipzig in dieser Saison unersetzlich sein würde, fiel er wegen einer Knieverletzung aus. Und Leipzig? Ersetzte ihn, sogar recht ordentlich.

Am Samstag in Darmstadt zählte Olmo erstmals seit Anfang September wieder zum Kader, vielleicht sogar gerade rechtzeitig, um eine kleine Leipziger Formdelle zu beheben, zunächst aber saß er nur auf der Bank - wobei man auf den Fernsehbildern dringend überprüfen sollte, ob er überhaupt schon wirklich Platz genommen hatte, als sein Team in Führung ging. Denn als Lois Openda Benjamin Henrichs' hübschen Steckpass zum 0:1 verwandelte, waren gerade mal 45 Sekunden gespielt. So schnell kann das auch gehen.

Die Darmstädter machten es ihren Gästen zunächst leicht, Keeper Marcel Schuhen ließ einen mäßig gefährlichen Freistoß von Emil Forsberg zum 0:2 (24.) ins Netz flutschen, der Anschluss durch einen Elfmeter, den der von Kevin Kampl gefoulte Strafstoßspezialist Tobias Kempe selbst verwandelte, wirkte nach einer halben Stunde erst mal wie ein aus Leipziger Sicht verschmerzbarer Betriebsunfall. Doch die Gastgeber legten nach der Pause zu, sie sammelten ein paar ordentliche Abschlüsse und ein paar mehr gelbe Karten - ehe dann doch nach Überprüfung des VAR (mindestens quälend lange drei Minuten) Opendas zweiter Treffer zum 3:1-Endstand für Leipzig als regulär eingestuft wurde. Olmo kam für zehn Minuten, musste aber keine Wunderdinge mehr vollbringen.

SC Freiburg - VfL Bochum 2:1 (2:1) Tore: 0:1 Goncalo Pacienca (15.), 1:1 Ritsu Doan (26.), 2:1 Vincenzo Grifo (45.+2, Handelfmeter)

Perfekte Schusshaltung: Vinzenco Grifo. (Foto: Tom Weller/dpa)

Der VfL hatte vom 0:0 gegen Leipzig mal abgesehen vor der Länderspielpause beinahe alles dafür gegeben, um Zweifel an der Erstligatauglichkeit zu nähren. Immer fetter waren die Sorgen in Bochum zuletzt geworden. In Freiburg gelang dann allerdings ein Tor, für das es eigentlich viel Leichtigkeit braucht. Ein weiter Pass von Takuma Asano flog auf Gonzalo Paciencia an der Strafraumgrenze, der Portugiese schickte den Ball volley ins Tor.

Doch der Jo-Jo-Effekt kennt keine Gnade, schnell waren die Sorgen wieder drauf: Freiburgs Vincenzo Grifo durfte eine Flanke so frei schlagen, als habe er in dieser Disziplin noch etwas Übung nötig. Ritsu Doan glich per Kopf zum 1:1 aus. Dass Grifo einen Meisterbrief im Flanken und Schießen hat, verstanden die Bochumer dann spätestens bei dessen Strafstoß gegen Manuel Riemann. Der VfL-Keeper ist selbst Experte im Elfmeterhalten, doch Grifo meisterte auch diese Prüfung.

Die Führung behaupteten die Freiburger, auch weil SC-Keeper Atubolu im Eins-gegen-eins den Schuss von Antwi-Adjei abwehrte und der VfL zu wenig Gefahr ausstrahlte. Für Freiburg geht's aufwärts in der Tabelle - und in Bochum wiegen die Sorgen mit Platz 16 weiter schwer.

TSG Hoffenheim - Eintracht Frankfurt 1:3 (1:3), Tore: 1:0 Maximilian Beier (4.), 1:1 Omar Marmoush (11.), 1:2 Ansgar Knauff (23.), 1:3 Ellyes Skhiri (45.+3)

Ansgar Knauff jubelt stellvertretend für alle bei Eintracht Frankfurt. (Foto: Wolfgang Frank/Eibner/Imago)

Der Fußball überrascht auch immer im Kleinen, und so war zum Beispiel kaum etwas unwahrscheinlicher als viele Frankfurter Tore. Die Eintracht hat ja bekanntlich den Last-Minute-Weggang von Stürmer Kolo Muani nicht kompensiert und kam in der Folge auf sechs Tore in sieben Spielen. Gegen Hoffenheim fehlte auch noch Mario Götze, er wurde zum zweiten Mal Vater - alles lief auf karge Kost hinaus.

Und dann führte auch noch Hoffenheim nach einem langen Ball auf den gerade exzellent aufgelegten Maxi Beier. Doch Frankfurt konterte schnell, schlug einen ebenso langen Ball über das Pressing der Hoffenheimer hinweg, Omar Marmoush verwertete. Zwei Tore - zweimal war der Torhüter der Vorlagengeber. Vermutlich auch für Hoffenheim überraschend behielt Frankfurt aber auch danach die Initiative, kombinierte ansehnlich, Ansgar Knauff vollendete einen schönen Spielzug zur Führung. Auch vor Ellyes Skhiris Tor wechselte der Ball oft den Fuß - für Frankfurt-Fans war nebensächlich, dass auch ein bisschen Glück dabei war. Der Rest war solide hessische Defensivkunst zum unterm Strich vielleicht überraschendsten Sieg der Saison.

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