Leverkusens Florian Wirtz:Date mit der Geschichte

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Auch bei der Ehrenrunde geht der 18-Jährige voran: Leverkusens Matchwinner Florian Wirtz nach dem 1:0 gegen Mainz. (Foto: Roberto Pfeil/AFP)

Florian Wirtz und kein Ende: Der 18-jährige Ausnahmespieler führt Bayer Leverkusen auf Platz zwei - und pulverisiert beim 1:0 gegen Mainz einen Torrekord von Lukas Podolski.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Es kann nicht ganz schlecht sein, bei Rekorden in einem Satz mit Lukas Podolski genannt zu werden. Der legendäre Kölsche Jung, inzwischen 36 Jahre alt, wird dagegen vermutlich gleich dreimal hadern. Denn er verlor nicht bloß seinen Rekord des jüngsten Bundesliga-Spielers mit zehn Toren; er verlor ihn zweitens an den in Köln ausgebildeten Florian Wirtz, der am Samstag 18 Jahre und 145 Tage alt war (also 208 Tage jünger als einst Podolski) - und damit drittens die in Köln ungeliebten Rivalen von der anderen Rheinseite in Leverkusen beglückte.

Für Wirtz war diese Bestleistung weniger wichtig als das Resultat, das mit ihm zusammenhing: Der Treffer war der entscheidende beim 1:0 (0:0)-Erfolg des Werksklubs gegen den äußerst ungemütlichen FSV Mainz 05.

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Eine Pointe dieser leidenschaftlich geführten Partie war, dass man Wirtz eine halbe Stunde lang fast gar nicht gesehen hatte. Das lag an den fahrigen und technisch verblüffend fehlerbehafteten Leverkusenern, die die Bälle regelmäßig hergaben, bevor sie in die gefährlichen Zonen vordrangen; das lag aber noch mehr an den Gästen aus Mainz, die am Samstag offenbar ein Lehrvideo drehen wollten, wie man nominell stärkeren Gegnern die Luft zum Atmen nimmt. Bezeichnend die Szene in der siebten Minute an der Torauslinie, als sie in Höhe des Mittelkreises vier, fünf Gegner in ein frustrierendes Gewühl verstrickten.

Positiv trotz Impfung: Mainz muss auf seinen Kapitän verzichten

Die Mainzer mögen sich unter Trainer Bo Svensson einen Ruf als gefürchtete Spielverderber erarbeitet haben - aber sie gehören mitnichten zu jenen lästigen Teams in der Liga, die in erster Linie auf Spielzerstörung aus sind. Anfangs verblüfften sie die Leverkusener durch ihre forsche Art, zweimal musste Bayer-Torwart Lukas Hradecky eingreifen (12., 13.), und bis zur 30. Minute zählte man 9:1-Torschüsse für die Rheinhessen. Man merkte keineswegs, dass die 05er kurzfristig auf ihren Kapitän verzichten mussten: Der komplett durchgeimpfte Alexander Hack hatte sich nach einem dennoch positiven Corona-Test in Quarantäne begeben müssen.

Leverkusen kam dem Gästetor bis zum Halbzeitpfiff überhaupt nur zweimal nah, aber das waren Fernschüsse, untypisch für den Stil der Werkself. Wie der aussieht, erlebte man zwischen der 46. und der 63. Minute: Mit kurzen, genauen Zuspielen und einer Vielzahl von Doppelpässen kamen die Gastgeber in den Mainzer Strafraum und zu einer Reihe von Chancen. Krönung dieser Phase: Das 1:0 durch Wirtz (63.), nach einem doppelten Doppelpass auf engem Raum mit dem agilen Rechtsverteidiger Jeremy Frimpong.

Der Mainzer Jeremiah St. Juste sah dabei unglücklich aus, aber man sollte bedenken, wie schwer es ist, gegen die ebenso akkuraten wie flinken Bewegungen und Ballberührungen des 18-jährigen Ausnahmetalents Wirtz zu verteidigen. Denn dieser Treffer, mit Überlegung ins entfernte Toreck, war ja kein Zufall: Wirtz ist ein Wiederholungstäter, man muss sich nur mal seine Treffer in den vergangenen drei Bundesliga-Spielen ansehen, dann erkennt man ein Muster - und die Ruhe und eisige Kälte, mit der er abschließt. "Das sind schon tolle Qualitäten", findet auch sein Trainer Gerardo Seoane: "Florian kommt immer in Abschluss-Situationen, ist dann klar im Kopf und trifft gute Entscheidungen."

Gegen St. Juste sah das so aus: einmal den Ball mit rechts gestoppt, dann gegen den Lauf nach rechts vorgelegt, um einen besseren Winkel zu bekommen und schließlich trocken ins entfernte Eck abgeschlossen. Ein schönes Rekordtor - und ein wichtiges obendrein, denn so konnte Mainz in der Tabelle abgeschüttelt werden. Seoane lobte: "Herausragend ist, dass er wie die Mannschaft in der zweiten Halbzeit eine Leistungssteigerung zeigen konnte."

Bayer-Keeper Hradecky rettet den Sieg und verspricht eine flüssige Belohnung

"Wir haben das Spiel in den ersten 20 Minuten nach der Pause verloren", sagten die Mainzer nach dem Schlusspfiff unisono. Mittelfeldrackerer Dominik Kohr fügte bei Sky hinzu: "Wir haben da nicht das gespielt, was wir uns vorgenommen hatten." Bo Svensson fand: "Wir hatten 70 gute Minuten und 20 schlechte." Deshalb waren die Gäste auch nicht völlig unzufrieden. "Wir hätten ja trotzdem einen Punkt mitnehmen können", sagte Sportdirektor Martin Schmidt und erinnerte an jene Szene aus der 89. Minute: Der eingewechselte Marcus Ingvartsen kam fünf Meter vor dem Bayer-Tor völlig frei zum Kopfball - doch der lange Zeit arbeitslose Keeper Lukas Hradecky fischte die Kugel gekonnt noch vor der Torlinie. Er sicherte damit den verdienten Sieg und sorgte dafür, dass der Wirtz-Rekord an diesem Nachmittag nicht noch in den Schatten gestellt wurde.

Der Finne Hradecky redete aber lieber über den Siegtorschützen als über sich. Ein "geiler Zocker" sei dieser Wirtz, "wahrscheinlich macht er jede Woche eine Geschichte. Ich hoffe, dass er bei Bayer auch der älteste mit 200 Toren wird". Eine Belohnung für das Tor gegen Mainz, das Leverkusen den Sprung auf Tabellenplatz zwei ermöglicht, hatte Hradecky auch: "Vielleicht werden wir heute zusammen ein Bier trinken." Und als hätte er etwas Unpassendes gesagt, schickte er schnell hinterher: "Der ist jetzt 18, der darf das!"

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